Buchtipp: Ingrid Bachér / Die Grube

Das 2011 erschienene Buch erzählt – heute keinen Deut weniger aktuell – mit einprägsamen Worten die Geschichte der Umsiedlung des Dorfes Garzweiler:

„Angefangen hat alles 1952, als einige Menschen in Köln, die in einen Ausschuss gewählt worden waren, den Bergbaubetreibern, die im Tagebau Braunkohle abbauen, die Genehmigung gaben, 66 Quadratkilometer unseres Landes für ihre Interessen auszuweiden. Das bedeutete, dass einzeln stehende Gehöfte und die Dörfer Garzweiler, Belmen, Priesterath und Elfgen, von denen einige schon über tausend Jahre lang existierten, zerstört werden mussten …
Sieben Jahre der Ungewissheit, dann erlosch jeder Widerstand. 1959 gab die Regierung von Nordrhein-Westfalen das Land endgültig zum Abbau frei, nachdem zahlreiche Einwendungen der Gemeinden zurückgewiesen worden waren. Es ging dann nur noch darum, wann der Exodus stattfinden würde und wohin mit den Menschen, und was gab man ihnen dafür, dass man ihnen Haus und Hof, Friedhof und Felder und alle Zeichen einer gelebten Kontinuität nahm.
Die ersten Vorboten dieses Unglücks kamen in den siebziger Jahren. Mit Eisengittern kastenförmig geschützte grüne Pumpen wurden auf den Feldern installiert und begannen von da an jahrelang das Grundwasser abzupumpen und wie Abfallwasser in den Rhein wegzuleiten. Bald darauf kaufte die Firma Rheinbraun in unserem Dorf die ersten Häuser auf und die Gutachter gingen herum und ließen mit sich handeln. Als Verkäufer musste man sich gut stellen mit Rheinbraun und geschickt verhandeln. Eine andere Chance gab es nicht, weil es keinen anderen Käufer als Rheinbraun geben konnte. Wer sollte ein Interesse daran haben, in diesem zur Auslöschung bestimmten Land etwas zu besitzen, was in einigen Jahren vernichtet werden musste? Warum sich ein Haus zu eigen machen, ausgestalten und einwohnen, warum noch Bäume pflanzen, Kulturen anlegen und Wege plattieren, wenn man schon wusste, alles würde wieder herausgerissen werden, die Wände der Häuser eingeschlagen, das Holz der Bäume zerkleinert. Nichts würde sich auf lange Zeit entfalten können, am Ende würde alles Rheinbraun gehören. Und gab man den Besitz nicht freiwillig heraus, dann würde er enteignet werden. So übel dies war, so wurde es schmerzhafter noch dadurch, dass nicht nur Rheinbraun der einzige Käufer war, sondern dass auch nahegelegt wurde, über den Kaufpreis nicht zu sprechen. Sodass jeder sich einbilden konnte, er hätte einen besonders guten Preis erlangt. Er war so der Firma dankbar, verschloss sich seinen Freunden und nährte das Misstrauen, das schnell untereinander aufkommen konnte. So zerfiel die Gemeinschaft in den Dörfern teilweise gerade in der Zeit, in der man sich gemeinschaftlich hätte wehren können.“

Wenn Euch das neugierig gemacht hat, schaut gerne hier vorbei:
https://www.velbrueck.de/Programm-oxid/Die-Grube.html

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