Autor: B.S.
Leitentscheidung Braunkohle: Bündnis kritisiert Intransparenz und mangelnde Beteiligung der Zivilgesellschaft + “Simulierte Demokratie”
Pressemitteilung. Düsseldorf | Ein Bündnis aus Initiativen, Umweltverbänden und kirchlichen Gruppen kritisiert den Prozess zur Erstellung einer neuen Braunkohle-Leitentscheidung. Das Verfahren sei intransparent, ohne echte Beteiligung der Zivilgesellschaft und nicht auf die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens ausgerichtet. Eine dauerhafte Befriedung der Region werde so unnötig erschwert. Zum Bündnis gehören die Initiative Alle Dörfer bleiben, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Fridays for Future NRW, Naturschutzbund (NABU) NRW, Initiative Buirer für Buir, Naturschutzjugend (NAJU) NRW, Diözesanrat der Katholik*innen im Bistum Aachen und dem Kirchenkreis Jülich.
“Bei der Erarbeitung der Leitentscheidung sind bislang weder Betroffene im Rheinischen Braunkohlerevier noch Umweltverbände oder Klimaorganisationen umfassend beteiligt. Bei den Fachgesprächen, die die Landesplanungsbehörde dazu durchgeführt hat, schien der Kreis der Eingeladenen willkürlich, die Sitzungsergebnisse wurden nicht protokolliert, eine Ergebnissicherung wurde verhindert. Auch die bevorstehenden öffentlichen Infoveranstaltungen drohen zur simulierten Demokratie zu werden. Es soll keine Möglichkeit geben, zum Entwurf der Leitentscheidung Stellung zu beziehen. Damit ist die Legitimation der Leitentscheidung von vornherein mehr als fraglich”, erklärten die Bündnispartner.
Die Landesregierung will in der Leitentscheidung offenbar nur die im Deal mit RWE getroffenen Absprachen umsetzen, jedoch keine Veränderungen zulassen. Die schwarz-grüne Landesregierung gibt damit den politischen Willen auf, das Rheinische Revier zu einer echten Modellregion für eine zukunftsfähige sozial-ökologische Transformation machen zu wollen.
Die fünfte Leitentscheidung müsste eigentlich die Leitplanken für einen mit der 1,5-Grad-Grenze im Einklang stehenden Kohleausstieg bis 2030 definieren. Das bedeutet konkret:
Keine weiteren Enteignungen für den Abbau von Braunkohle und Abraum
Erhalt der Landstraße L12 von Keyenberg nach Holzweiler
Genehmigte förderbare Restkohlemenge muss sich am 1,5-Grad-Budget ausrichten
Streichung der Kohlereserve für 2033
eine unabhängige Überprüfung des von RWE bekundeten Bedarfs in Höhe von 55 Mio. t. Braunkohle für die “Veredelung” bis 2030
Umsetzung der “Arche Lösung” für Garzweiler I wie von Regierungsgutachter ahu vorgeschlagen
Ökologische Revitalisierung der Region durch Ausweisung eines Biotopverbundsystems auf 30 Prozent der Fläche
Ein breites Bündnis hat bereits in einem 10-Punkte-Plan vorgelegt, wie ein klimagerechter und naturverträglicher Strukturwandel in der Region aussehen kann.
https://www.bund-nrw.de/presse/detail/news/strukturwandel-im-rheinischen-revier-buendnis-legt-10-punkte-plan-fuer-einen-klimagerechten-und-naturvertraeglichen-wandel-vor/
Ansprechpartner*innen:
BUND: Dirk Jansen, Geschäftsleiter BUND NRW, T. 0211 / 30 200 522, dirk.jansen@bund.net
Fridays for Future: Hannah Hübecker, Pressekoordination, +49 1512 5098211, nrw@fridaysforfuture.de
Alle Dörfer Bleiben: Dorothee Häußermann, T. 0179-4379352, presse@alle-doerfer-bleiben.de
NABU NRW: Dr. Heide Naderer, Vorsitzende , T. 0211-15 92 51-41, heide.naderer@nabu-nrw.de
Naturschutzjugend (NAJU) NRW: Lukas Stemper, Vorsitzender, T. 0211 / 159 251 – 34, Lukas.Stemper@naju-nrw.de
Initiative Buirer für Buir: Andreas Büttgen, Vorstand, T. 0173-5146141, andreas.buettgen@buirerfuerbuir.de
Diözesanrat der Katholik*innen im Bistum Aachen: Heribert Rychert, Vorsitzender, T. 0241-452 251, info@dioezesanrat.bistum-aachen.de
Kirchenkreis Jülich: Superintendent Pfarrer Jens Sannig, T. 02461-974811, superintendentur.juelich@ekir.de
Buchtipp: Ingrid Bachér / Die Grube
„Angefangen hat alles 1952, als einige Menschen in Köln, die in einen Ausschuss gewählt worden waren, den Bergbaubetreibern, die im Tagebau Braunkohle abbauen, die Genehmigung gaben, 66 Quadratkilometer unseres Landes für ihre Interessen auszuweiden. Das bedeutete, dass einzeln stehende Gehöfte und die Dörfer Garzweiler, Belmen, Priesterath und Elfgen, von denen einige schon über tausend Jahre lang existierten, zerstört werden mussten …
Sieben Jahre der Ungewissheit, dann erlosch jeder Widerstand. 1959 gab die Regierung von Nordrhein-Westfalen das Land endgültig zum Abbau frei, nachdem zahlreiche Einwendungen der Gemeinden zurückgewiesen worden waren. Es ging dann nur noch darum, wann der Exodus stattfinden würde und wohin mit den Menschen, und was gab man ihnen dafür, dass man ihnen Haus und Hof, Friedhof und Felder und alle Zeichen einer gelebten Kontinuität nahm.
Die ersten Vorboten dieses Unglücks kamen in den siebziger Jahren. Mit Eisengittern kastenförmig geschützte grüne Pumpen wurden auf den Feldern installiert und begannen von da an jahrelang das Grundwasser abzupumpen und wie Abfallwasser in den Rhein wegzuleiten. Bald darauf kaufte die Firma Rheinbraun in unserem Dorf die ersten Häuser auf und die Gutachter gingen herum und ließen mit sich handeln. Als Verkäufer musste man sich gut stellen mit Rheinbraun und geschickt verhandeln. Eine andere Chance gab es nicht, weil es keinen anderen Käufer als Rheinbraun geben konnte. Wer sollte ein Interesse daran haben, in diesem zur Auslöschung bestimmten Land etwas zu besitzen, was in einigen Jahren vernichtet werden musste? Warum sich ein Haus zu eigen machen, ausgestalten und einwohnen, warum noch Bäume pflanzen, Kulturen anlegen und Wege plattieren, wenn man schon wusste, alles würde wieder herausgerissen werden, die Wände der Häuser eingeschlagen, das Holz der Bäume zerkleinert. Nichts würde sich auf lange Zeit entfalten können, am Ende würde alles Rheinbraun gehören. Und gab man den Besitz nicht freiwillig heraus, dann würde er enteignet werden. So übel dies war, so wurde es schmerzhafter noch dadurch, dass nicht nur Rheinbraun der einzige Käufer war, sondern dass auch nahegelegt wurde, über den Kaufpreis nicht zu sprechen. Sodass jeder sich einbilden konnte, er hätte einen besonders guten Preis erlangt. Er war so der Firma dankbar, verschloss sich seinen Freunden und nährte das Misstrauen, das schnell untereinander aufkommen konnte. So zerfiel die Gemeinschaft in den Dörfern teilweise gerade in der Zeit, in der man sich gemeinschaftlich hätte wehren können.“
Wenn Euch das neugierig gemacht hat, schaut gerne hier vorbei:
https://www.velbrueck.de/Programm-oxid/Die-Grube.html