Anwohnende schockiert: Bistum beschließt Entwidmung der Garzweiler-Kirchen

Bündnis fordert kulturelle Nutzung der Gebäude

Erkelenz (Pressemitteilung „Alle Dörfer bleiben“). Anwohnende der bedrohten Dörfer am Tagebau Garzweiler sind schockiert von der Entscheidung des Bistums Aachen, die Kirchen in Keyenberg und Kuckum zu entwidmen. Noch im März hatte das Bistum die vorzeitige Entwidmung mit Verweis auf einen möglichen Erhalt der Dörfer gestoppt. Nun entwidmet sie zwar die Kirchen, spricht sich aber weiter für deren Erhalt aus. Das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ fordert deshalb, dass sich die Kirche weiter für die bedrohten Dörfer einsetzt und eine kulturelle Weiternutzung der Kirchengebäude unterstützt.

„Es tut im Herzen weh, dass sich das Bistum Aachen ohne Rücksprache mit uns hier lebenden Menschen für die Entwidmung der Gotteshäuser entschieden hat“, so Helmut Kehrmann aus Keyenberg. „Schon seit Monaten wird uns der Zutritt grundlos verwehrt, dann wurden heimlich die Glocken der Keyenberger Kirche entnommen und nun wird ohne Not entwidmet?“

Nach der Entwidmung gehen die Kirchengebäude in den Besitz von RWE über. In seiner Stellungnahme spricht sich Bischof Dieser dafür aus, die Kirchen „in Zukunft zu Orten vielfältiger kultureller Angebote“ zu machen und verspricht Unterstützung für diejenigen, die bleiben wollen. „Ich hoffe sehr, dass sie Dörfer erhalten bleiben“, kommentiert Bischof Dieser in einer Pressemitteilung des Bistums Aachen.

„Wir nehmen Bischof Dieser beim Wort, was seinen Vorschlag für eine kulturelle Nutzung der Kirchen angeht und werden ihn nachdrücklich an seine versprochene Unterstützung erinnern“, meint Daniela Jansen aus Kuckum. „Wir können uns gut vorstellen, die alt-ehrwürdigen Gebäude in einen Konzertsaal oder eine Begegnungstätte mit angrenzendem Café zu verwandeln. Die Kirchen bleiben auf jeden Fall fester Bestandteil unserer Dörfer, daran ändert diese Entscheidung nichts.“

Zur Zeit werden die Kirchen von der Pfarrei Christkönig Erkelenz für Gläubige und Kulturinteressierte verschlossen gehalten. Das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ fordert, dass die Kirchen für alle Menschen offen zugänglich sind.

Nach der neuen Braunkohle-Leitentscheidung, die die Landesregierung von Armin Laschet im März diesen Jahres verabschiedet hat, soll erst im Jahr 2026 geprüft werden, ob die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich sowie Berverath tatsächlich abgebaggert werden. Die Entwicklungen der letzten Monate, wie das Urteil der Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz im April, sprechen dafür, dass der Kohleausstieg weitaus früher als 2038 abgeschlossen wird, und dass die Kirchen erhalten bleiben.

Aufruf: Bitte helft, die Entnahme der Glocken in Keyenberg zu verhindern!

AUFRUF – AUFRUF – AUFRUF

Derzeit wird offensichtlich die Entfernung der Glocken aus dem Kirchturm in Heilig-Kreuz Keyenberg vorbereitet. Die Kirche Heilig-Kreuz in Keyenberg ist das weithin sichtbare Herz des Dorfes; sie steht für ein geschwisterliches Verhältnis zu den Juden und Jüdinnen und für die Bewahrung der Schöpfung sowie die Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles. Wer Hand an sie legt, legt Hand an den Religionsfrieden, legt Hand an das, was die ChristInnen Gottes Schöpfung nennen. Wer Hand an die Kirche Heilig Kreuz in Keyenberg legt, legt Hand an das Leben unserer Enkel.

Außerdem könnte die Entfernung der Glocken nach einem bekannt gewordenen Schreiben der Denkmalbehörden schlicht rechtswidrig sein: „… Eine Entnahme von Ausstattungselementen, auch der Kirchenglocken, wird seitens der Denkmalpflege als kritisch und voraussichtlich nicht erlaubnisfähig angesehen.“

Noch ist nichts über die Entwidmung der Kirche (die religiöse „Unbrauchbarmachung“ nach katholischen Verständnis) bekannt. Erst im Januar hatten der Priesterrat der Diözese Aachen und der Bischof Dr. Helmut Dieser die Entwidmung der Kirche aufgeschoben. Möglicherweise wird in den nächsten Tagen wieder eine Entscheidung beim Bistum gefällt. Deshalb rufen wir dazu auf, an den Bischof in Aachen, Dr. Helmut Dieser zu schreiben (kommunikation@bistum-aachen.de) und ihn zu bitten, dass er der stückweisen Zerstörung der Keyenberger Kirche – und damit der weiteren Spaltung ihrer Gemeinde – einen Riegel vorschiebt.

Wir rufen auch dazu auf, sich an die Mitglieder des Priesterrates zu wenden und diese persönlich zu bitten, dieses Bollwerk gegen die 1,5 Gradgrenze als Gotteshaus zu erhalten und der Entwidmung nicht zuzustimmen. Für die Glocken der Kapelle in Neu-Keyenberg lässt sich eine andere Lösung finden.

 

Mitglieder des Priesterrates sind (nach der Homepage des Bistums (https://www.bistum-aachen.de/das-bistum/Dioezesane-Raete/):

— Dr. Peter Blättler

— Georg Lauscher

— Heinz Herpers

— Andreas Mauritz

— Klaus Esser

— Paul Jansen

— Dr. Thomas Eicker

— Hans-Georg Schornstein

— Ulrich Clancett

— Gregor Huben

— Matthias Fritz

— Achim Köhler

— P. Wolfgang Thome OFM

 

Wir rufen auch dazu auf, den Bürgermeister von Erkelenz zu bitten, dass er in dieser Sache vermittelt und verhindert, dass die katholische Kirche unsere Dörfer zu einem Zeitpunkt aushöhlt, zu dem die Zerstörung durch RWE nicht mehr sicher ist.

Am 12.9. wird die Heilig-Kreuz-Kirche einer der Anlaufpunkte am Tag des offenen Denkmals sein.

Weitere Informationen auf twitter @kirche_an_Kante oder www.kirchen-im-dorf-lassen.de

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„Je länger das dröhnende Schweigen der Verantwortlichen anhält und mit jedem Tag, an dem wieder niemand moralisch Verantwortung übernimmt, wächst diese Wunde.“ Predigt von Maria Mesrian (Maria 2.0 im Rheinland) am 7. Februar in Keyenberg an der Kirche

Kirche(n) im Dorf lassen & Maria 2.0:
„Wo du hingehst, da will auch ich hingehen.“ (Ruth 1,16)
Auf dem Weg zu Klima- und Gendergerechtigkeit
Solidarität als Antwort auf Formen struktureller Gewalt

Danke für die Einladung von “Kirche(n) im Dorf lassen “, der Initiative für Klimagerechtigkeit und für die Erhaltung der Kirchen und Dörfer in den vom Braunkohleabbau bedrohten Dörfern. 30 Minuten von Köln entfernt! Beeindruckend wie die Aktivist:innen dort kämpfen!

I. Walk in her shoes

Ich bin dankbar für die Möglichkeit, die ihr Frauen und Männer von „Kirche(n) im Dorf lassen“ mir heute gegeben habt. Ich durfte zum ersten Mal diesen Ort erleben und in euren Schuhen laufen. Als ich in der Vorbereitung auf heute die Augenzeugenberichte über eure Kämpfe und eure Aktionen gelesen habe, war ich tief berührt und bin sehr demütig geworden. Gegen euch sind wir, bin ich eine „blutige Anfängerin“.
Welche Zerstörung ihr erleben müsst, wie eure Heimat vernichtet wird aus reiner Profitgier, wie ihr das aushaltet, verdient meinen höchsten Respekt.
In den letzten Wochen, in denen wir uns mit Maria 2.0 intensiv und täglich mit den Betroffenen des sexuellen Missbrauchs und den Vertuschungen der Taten auseinander gesetzt haben, habe ich immer stärker das Bild einer offenen Wunde vor Augen.
Je länger das dröhnende Schweigen der Verantwortlichen anhält und mit jedem Tag, an dem wieder niemand moralisch Verantwortung übernimmt, wächst diese Wunde.
Manchmal spüre ich das fast körperlich. Es ist eine Mischung aus Wut und Ohnmacht angesichts einer scheinbaren Übermacht. Diese Übermacht ist im Fall von Maria 2.0 wenig greifbar. Sie versteckt sich hinter hohen Kirchenmauern und 2000 Jahre alten , patriarchalen, toxischen Machtstrukturen.
Hier in den Dörfern zeigt sich die Macht auf brutale Weise im Abriß der Dörfer, in diesem gespenstischen Riesenbagger und zutiefst in der Riesenwunde, die in die Erde hier gegraben wird und an deren Kante wir gerade stehen. Ich glaube, ihr kennt sehr gut, das Gefühl von Ohnmacht, Zorn und Wut.

II. Ursache: Ungerechtigkeit:

Eure Dörfer, dieses Loch vor dem wir stehen, stehen für die sinnlose Zerstörungswut auf Kosten der Natur und der Menschen. Profitgier und der Glaube an endloses, wirtschaftliches Wachstum als Triebfedern des Kapitalismus lassen das hier zurück: Verbrannte Erde – „Verheizte Heimat“. Die Auswirkungen sehen wir hier mit eigenen Augen. Wie eine Krake spannen sich die Folgen, die der Klimawandel mit sich bringt um die ganze Erde und betreffen uns alle.
Es ist das Erbe, das wir unseren Kindern überlassen.
Durchgesetzt wird die Zerstörung mit aller Macht. Sie verhilft der Ungerechtigkeit zu ihrem Recht. Auf der einen Seite, die, die ihrer Dörfer, ihrer Kirchen, ihrer Heimat beraubt werden. Auf der anderen Seite ein System, in dem Ungerechtigkeit allgegenwärtig ist.
Fast nahtlos verlaufen hier die Parallelen zur systemischen Ungerechtigkeit, wie sie uns in der katholischen Kirche begegnet. Bis heute hält die Institution eisern an der Diskriminierung von Frauen fest. Ihre Weigerung, Frauen die gleiche Rechte zukommen zu lassen ist deshalb nicht hin nehmbar, weil damit seit Jahrtausenden ein Menschenbild gefestigt wird, das Männer und Frauen nicht als gleichwertig anerkennt und zutiefst ungerecht ist. Durch diese Diskriminierung wird ein Machtgefälle legitimiert. Auf der einen Seite die Macht der Männer, die übrigens mit der Macht über das Geld und die Kirchenschlüssel beinhaltet. (Anmerk.: In Keyenberg wurde der langjährigen Küsterin der Schlüssel der Kirche vom zuständigen Pfarrer abgenommen, als sie Aktivist:innen von Greanpeace die Kirchentüre geöffnet hat https://www.sueddeutsche.de/wissen/umwelt-erkelenz-streit-um-cdu-c-in-kirche-kuesterin-muss-schluessel-abgeben-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-191128-99-922335.) Auf der anderen Seite die „scheinbar“ ohnmächtigen Frauen, die sich in die ihnen zugewiesene Rolle fügen sollen.
Die Wunde, die durch diese strukturelle Diskriminierung entsteht ist tief und es wäre zu eng gedacht als wenn sie sich nur in der frauenfeindlichen Haltung zeigen würde. Sie zeigt sich in der Ausgrenzung von Homosexuellen, von Menschen, die nach einer Scheidung wieder heiraten möchten. Sie zeigt sich in der Weigerung, gemeinsam mit anderen Christen das Abendmahl zu feiern. Und am bedrückendsten zeigt sie sich in den Taten der sexualisierten Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Das ist die Wunde, die mich sprachlos zurücklässt.
Die Weigerung – aktuell in Köln zu erleben, diese Taten und deren Vertuschung aufzuklären und damit meine ich nicht 5 weitere Gutachten, ist würdelos. Es ist würdelos, dass keiner der bekannten Verantwortungsträger persönlich moralisch Verantwortung übernimmt. Dabei geht es nicht um die Wiederherstellung von Glaubwürdigkeit für die Kirche, sondern um Gerechtigkeit für die Betroffenen. Das ist deshalb so unerträglich, weil Gerechtigkeit zur DNA des Evangeliums gehört. Sie ist die Grundachse, auf der Jesu Leben und seine Botschaft verläuft.
Gerechtigkeit wiederherzustellen gehört damit zu den Pflichten eines Christenmenschen.
Deshalb ist euer Kampf für Klimagerechtigkeit ein zutiefst christlicher Kampf. Er nimmt die Zustände der Ungerechtigkeit nicht hin, sondern setzt etwas dagegen. Und deshalb ist unser Kampf für Geschlechtergerechtigkeit und für Gerechtigkeit gegenüber den Betroffenen unsere Pflicht. Alles andere wäre ein Verrat an der Botschaft Jesu. Die Rede von Gott hat für mich immer die politische Dimension, weil sie sonst in nebulösen Sphären hängenbleibt und leicht dazu missbraucht werden kann, mit „Gottes Willen“ ungerechte, menschenfeindliche Zustände zu begründen und zu manifestieren.

III. Von der Ohnmacht zur Wirkmacht

Wie können wir die Wunden heilen? Was setzen wir der Gewalt entgegen, die von den jeweiligen Systemen ausgeht? Woher nehmen wir die Kraft angesichts eines scheinbar übermächtigen Systems?
„Du stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöhst die Niedrigen“. Der uralte Gesang des Magnificat, die Hymne der Ohnmächtigen wird hier in Keyenberg real. Und tatsächlich. Einmal aufgestanden, losgegangen entwickelt sich eine Dynamik, die mich staunen lässt. Die mich auch hier bei euch berührt. Euer Protest ist vielfältig und bunt. Auch ihr seid ja in vielfältige Netzwerke eingebunden und kämpft an der Seite von Fridays for future, Ende Gelände und den Aktivist:innen im Hambacher Forst und den anderen Wäldern. Ihr seid nicht nur ein kleiner Haufen Christ:innen, sondern eingebunden in einen bunte Welt verschiedener Menschen, die sich unabhängig von Geschlecht, Alter und Herkunft engagieren.
Das dürfen wir von Maria 2.0 genauso erleben. Weltweit sind wir inzwischen mit Frauen auf allen Kontinenten vernetzt und kämpfen für die gleichen Rechte, damit Jesu Botschaft wieder zum Strahlen kommt, befreit von diskriminierenden, menschenfeindlichen Strukturen. Es geht nicht darum, die Kirche zu retten. Diese Form der Kirche, die nicht die Schwachen, die Opfer im Blick hat, die die Schöpfung nicht achtet und schützt, die Menschen abweist, die Glauben in ein enges Korsett pressen will und genau zu wissen vorgibt, was katholisch ist und was nicht, muss sterben. Sie muss Platz machen für die Botschaft Jesu. Es geht darum, diese immer noch revolutionäre Botschaft Jesu der Gerechtigkeit und Liebe zu retten. Weil sie wirklich das Zeug hat, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
“Wo Du hingehst, will auch ich hingehen.“ Dieser Ausspruch Ruts, dieser tapferen Frau, die ihrer Schwiegermutter in ein für sie fremdes Land bedingungslos folgt, ist ein Zeichen unbedingter Solidarität. Eine Solidarität, die die eigene Schwäche und Ohnmacht als Frau, als Fremde überwindet und ihre Kraft findet, in dem sie mitgeht. In den Schuhen der anderen.
Diese Solidarität ist der Schlüssel für Veränderung. Dann wird die Macht der Ohnmächtigen sichtbar. Sie geht über alle Generationen hinweg wie man auch an der Klimabewegung sehen kann. Meine älteste Mitstreiterin bei Maria 2.0 ist 92 und unsere Jüngste ist gerade 5. Denn für sie führen wir diesen Kampf: Solidarität mit den zukünftigen Generationen.
Und dann werden aus Wunden Risse durch die das Licht einfällt. Leonard Cohen singt das: There is a Crack in everything and that is how the light comes in.
Ihr alle, die ihr hier mit eurer Leidenschaft und eurer Klarheit für den Erhalt der Dörfer und für einen Stopp der Zerstörung der Schöpfung eintretet, seid das Licht, das eindringt in die vorher übermächtigen, abgeschotteten, dunklen Systeme.
Ich wünsche euch und uns diese Kraft im Mitgehen, in der Solidarität wie Rut zu finden, denn darin liegt sie. Und wir wissen, dass wir nicht alleine gehen.

 

(Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung.)