Die Kirche(n) im Dorf lassen: Pressemitteilung zu den Vorfällen während des Gottesdienstes auf der L277 anlässlich der Rodungsarbeiten

Mit Prozession und Gottesdienst auf der zerstörten L277 protestierte am frühen Dienstagmorgen die Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ gegen die Baumfällungen durch RWE. Entgegen der Darstellung der Polizei, sie hätten das Verlassen des Ortes und die Angabe ihrer Personalien verweigert, wurde die Prozession mehrfach aktiv an der Rückkehr nach Keyenberg gehindert und ohne Frage nach Personalien in Gewahrsam genommen.

Die Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ hat am Vorabend der Fällungen an der L277 dort zu einem Gottesdienst eingeladen, zu dem trotz schweren Regens Dutzende Menschen kamen.

„Wir haben den klaren Auftrag, die Schöpfung zu bewahren. Daran hat uns nicht zuletzt Papst Franziskus in der Enzyklika laudato si erinnert,“ so die reformierte Theologin Cornelia Senne.

Am frühen Dienstag morgen ging eine Gruppe von ca. 30 Menschen, eine davon im Rollstuhl, als Prozession mit gelbem Kreuz in Richtung der erwarteten Fällarbeiten. Sie gelangte ohne Schwierigkeiten über Feldwege auf die nicht eingezäunte L277. Begleitet wurde sie aus der Luft von einem Helikopter, vor Ort von je einem Fahrzeug von Polizei und RWE-Security, ohne dass diese eingriffen. Auf der Straße hielt die Prozession Gottesdienst mit Liedern und Lesungen. Ein Mensch aus der Gruppe kletterte auf einen Baum und hängte ein Transparent auf.

Im ersten Tageslicht kamen massive Polizeikräfte, die den Gottesdienst umstellten. Entgegen der Darstellung der Polizei wurden mehrfachen Versuche, den Ort als Prozession wieder zu verlassen, unterbunden. Die Fällarbeiten entlang der Straße hatten inzwischen eingesetzt und näherten sich dem Gottesdienst.

„Wir sangen Hoffnung wider alle Hoffnung. Dabei fielen die Bäume im Minutentakt, wir mussten alles mit ansehen“, berichtet eine Teilnehmerin.

Schließlich nahm die Polizei die Gruppe unter dem Vorwurf des Hausfriedensbruchs in Gewahrsam. Zu diesem Zeitpunkt wurde – entgegen der Darstellung der Polizei – nicht nach Personalien gefragt. An einer improvisierten Sammelstelle wurden dann Personalien erfaßt, die von von den meisten umstandslos abgegeben wurden. Einige allerdings verweigerten ihre ID. Es wurden Platzverweise erteilt sowie Leibesvisitationen vorgenommen – auch an sich ausweisenden Menschen:

„Ich wurde behandelt wie eine Verbrecherin, durchsucht und angefasst. Es war schrecklich“, berichtet eine ältere Teilnehmerin.

Denjenigen, die ihre Identität verweigerten, wurde der Transport in die Gefangenensammelstelle Aachen angekündigt. Allerdings mussten gegen Mittag alle auf richterliche Anordnung freigelassen werden.

Die Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ protestiert gegen solche Behandlung von Menschen, die sich aus christlicher Überzeugung gegen die sinnlose Zerstörung der/von Schöpfung stellen. An der alten L277 wurden am Dienstag innerhalb weniger Stunden Hunderte von Bäumen gefällt. Damit hat RWE nach der „Roten Linie“, der L277 auch die „Grüne Linie“, die sich über 3 km hinziehende Doppelreihe der Alleebäume zerstört, die die Menschen der Region noch vor dem Tagebau geschützt hat.

Wie rücksichtslos RWE mit den Menschen vor Ort umgeht, zeigt der – sicher nicht zufällig an diesem Tag vorgenommene – Abriss des „Kreuzes von Immerath“, das am Samstag am Ort des zerstörten Immerather Domes aufgerichtet worden war. Über hundert Menschen haben dort Messe gefeiert und am Vorabend von Allerheiligen der (umgebetteten) Toten gedacht. Die Predigt sprach von der Zerstörung des Tempels und der Hoffnung auf seinen Wiederaufbau:

„Die Zerstörung und Vertreibung hier in Immerath ist Teil der weltweiten Zerstörung, die uns immer weiter in die Klimakatastrophe treibt. Wir sind als Christinnen aufgerufen, uns dem mit allen Kräften entgegenzustellen.“

Kontakt: www.kirchen-im-dorf-lassen.de

L277: Alle Bäume bleiben / Aktionen & Info-Verteiler

Anwohnende der Dörfer am Tagebau Garzweiler II befürchten, dass der Kohlekonzern RWE ab dem 1.10. beginnen wird, die Bäume entlang der abgerissenen Landstraße L277 zu fällen. Darum hat das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ Proteste angekündigt, falls RWE mit diesen Rodungsarbeiten oder auch Abrissarbeiten im bedrohten Dorf Lützerath beginnen sollte.

Ab Mittwoch (30.9.) um 18 Uhr ist bei Keyenberg eine 24stündige Mahnwache angekündigt, die unter dem Motto “Alle Bäume bleiben” steht.

Die Initiative „Kirche(n) im Dorf lassen“ bereitet sich auf den Tag X einer möglichen Rodung vor und mobilisiert zu einem Aktionsgottesdienst in unmittelbarer Nähe des Geschehens.

Schreibt an diese Adresse, wenn ihr euch in den Infoverteiler für den Tag X eintragen lassen wollt:

die-kirchen-im-dorf-lassen@t-online.de

oder haltet euch hier auf dem Laufenden

https://twitter.com/Kirche_an_Kante/status/1310575460175282179?s=19

 

Alle Bäume bleiben! Alle Dörfer bleiben – weltweit!

„Hier stehen wir – und könnten anders“: Gottesdienste an der Kante am Aktionswochenende 25. bis 27. September

Umfangreiches Programm von „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ an der Mahnwache Lützerath

Am letzten September-Wochenende wird es vielfältige Proteste gegen den lebensfeindlichen Tagebau Garzweiler geben, u.a. demonstrieren die „Fridays for Future“ gemeinsam mit „Alle Dörfer bleiben“, auch das Bündnis „Ende Gelände“ hat Aktionen zivilen Ungehorsams angekündigt – um nur diese zu nennen. Auch wir beteiligen uns an diesen Aktionstagen für weltweite Klimagerechtigkeit mit einem umfangreichen Programm – in unseren eigenen Formen des Widerstands. Damit wollen wir allen, die sich an den Demonstrationen oder Aktionen zivilen Ungehorsams aus den unterschiedlichsten Gründen nicht beteiligen können, eine Möglichkeit bieten, aktiv und gemeinschaftlich Solidarität mit den Aktivist*innen zu üben: Hier stehen wir – und könnten anders!

Am Samstagabend beginnen wir mit einer katholischen Messe, in der christliche Positionen zu zivilem Ungehorsam thematisiert werden. Es schließt sich eine Liturgische Nachtwache an („Bleibet hier“ II), in der wir uns in Gebeten, Liedern und Texten solidarisch mit den denjenigen verbinden, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Blockade, im Kessel oder in Polizeigewahrsam befinden. Jede und jeder bleibt, solange es passt, kann kommen und gehen – und wiederkommen. Denn am Sonntagmorgen gibt es – angeboten von „Alle Dörfer bleiben“ – ein offenes gemeinsames Frühstück, zu dem alle herzlich eingeladen sind. Den Abschluss bildet ein weiterer Gottesdienst um 11 Uhr.

 

Argumente für die Überwindung der Ohnmacht

von Dorothee Sölle

Wir sind unterwegs in größerer Hoffnung
Wir haben den längeren Atem
zu uns gehören die Empfindsamen und Unruhigen
Und die nicht verbittern in traurigen Erfahrungen
Und die hierbleiben
nicht weggehen
wohin die Sonne untergeht
noch wegtreten nach innen
die aber erleben wollen
die menschliche Gemeinschaft
wo ausstrahlt das Licht
Bei uns hat schon mal einer
alle geladen zum Fest.

 

Praktisches

Das Erreichen der Mahnwache (Infos & Anfahrt hier) wird an diesem Wochenende sicherlich erschwert werden. Rechtlich muß aber allen der Zugang – mit „zumutbarem“ Fußweg – gewährt werden. Probleme bitte unter 015201339091 melden.

Wenn möglich Sitzgelegenheit mitbringen, für die Nachtwache Essen und Trinken sowie warme und regenfeste Kleidung. Und natürlich halten wir Abstand!

Aktuelle Infos oder Änderungen unter Die Kirche(n) im Dorf lassen.de oder @Kirche_an_Kante.

 

Unser Programm im Überblick:

Samstag, 26. 9.

18 Uhr: Messe

anschließend: Liturgische Nachtwache

Sonntag, 27. 9.

ab 9 Uhr: offenes gemeinsames Frühstück

11 Uhr: Abschluss-Gottesdienst
 

Erklärung der Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ zum Besuch von Armin Laschet beim „Abend der Hoffnung“ im Münsteraner Dom

In der Initiative „Kirche im Dorf lassen“ engagieren wir uns als Christ*innen für den Erhalt der bedrohten Kirchen im Rheinischen Braunkohlerevier und betrachten diesen Einsatz als untrennbar verbunden mit dem Kampf für globale Klimagerechtigkeit. Die Kirchen, aber auch Wälder und fruchtbares Ackerland sollen Braunkohle-Tagebauen weichen. Dabei ist klar: die Klimakatastrophe, die wir bereits erleben, macht einen Kohleausstieg unbedingt notwendig. Einzig für die Wirtschaftsinteressen eines großen Energiekonzerns wie RWE sollen Kirchen und Dörfer zerstört werden, Wasser trotz anhaltender Dürre in ungeheuren Mengen verschwendet werden und weitere Menschen ihr Zuhause verlieren.

Die Landesregierung unter Armin Laschet steht in diesem Konflikt ganz eindeutig auf der Seite von RWE, verweigert selbst das Gespräch mit den Betroffenen der vom Abriss bedrohten Dörfer und Kirchen und macht sich zur Vertreterin der Konzerninteressen. Auch die Kirchenvertreter der Bistümer Köln und Aachen fahren einen ähnlichen Kurs: Entscheidungen werden über die Köpfe der Christ*innen getroffen, die in den Dörfern bleiben möchten, Kirchengebäude an RWE verkauft und entwidmet. Das stößt bei vielen Menschen, die entschlossen sind, in ihren Dörfern auszuharren und widerständig zu bleiben, auf massives Unverständnis. Es steht auch im eklatanten Widerspruch zur Klimaenzyklika Laudato Si, wo es etwa heißt: „Wenn die Politik nicht imstande ist, eine perverse Logik zu durchbrechen, und wenn auch sie nicht über armselige Reden hinauskommt, werden wir weitermachen, ohne die großen Probleme der Menschheit in Angriff zu nehmen“. Nichts am Handeln der von Armin Laschet geführten NRW-Landesregierung deutet darauf hin, dass sie bereit ist, die Logik der Zerstörung durch den Kohletagebau und die massiven ökologischen wie sozialen Folgen, die das mit sich bringt, auch nur im Ansatz in Frage zu stellen.

Umso unpasssender erscheint es uns als Christ*innen, die aufgrund dieser Entwicklungen massiv besorgt sind, wenn der heutige Vortrag, den Armin Laschet gleich im Dom halten wird, den Titel „Mit Tatkraft und Zuversicht“ trägt, ja es klingt geradezu wie ein Hohn. „Tatkraft und Zuversicht“ um den Kohletagebau zu stoppen und sinnvolle Beschäftigungen für die zu schaffen, die dann ihre Arbeit verlieren, um das Rheinische Braunkohlerevier sinnvoll weiter zu beleben, die sozialen Räume dort zu erhalten und die ökologischen Schäden der letzten Jahrzehnte langsam rückgängig gemacht, das wünschen sich viele Menschen dort. Sie wissen aber mittlerweile sehr gut, dass sie diese Form der „Tatkraft und Zuversicht“ von Herrn Laschet und seiner Regierung nicht erwarten können. Deren Tatkraft beschränkt sich darauf, RWE freie Hand und staatlichen Schutz zu gewähren und nicht zu verhindern, dass auch noch dort Dörfer zerstört und abgerissen werden sollen, wo die Bagger nicht mehr hinkommen werden. Und „Zuversicht“ bedeutet bei der Landesregierung dann vor allem ein „Weiter so!“ und „Es wird schon nicht so schlimm werden“ im Bezug auf die Klimakatastrophe.

Umso bitterer ist, dass die Kirchen, deren deutliche Worte zur Situation im Rheinischen Braunkohlerevier seit Jahren ausbleiben, auch weiter keine Bereitschaft erkennen lassen, Herrn Laschet mit den zerstörten Hoffnungen der Menschen, deren Dörfer abgebaggert werden zu konfrontieren oder mit den fatalen Folgen, die die Klimapolitik von NRW global hat. Stattdessen hat man sich entschlossen ihm hier im Dom eine Bühne für seine Selbstdarstellung zu bieten – und das auch noch mitten im Wahlkampf. Er wird hier sicher davon erzählen wie gut NRW Corona gemeistert habe und wie man um die Gesundheit der BürgerInnen besorgt sei.

Welch ein Hohn, angesichts der Tatsache, dass die massive Feinstaubbelastung, der die Menschen, die am Rande der gigantischen Tagebaue im Rheinischen Braunkohlerevier leben, Tag für Tag ausgesetzt sind und deren gesundheitliche Folgen offenbar kein Anlasse zur Besorgnis für Armin Laschet und seine Regierung darstellen. Auch diesen Aspekt scheinen die OrganisatorInnen der Veranstaltung übersehen zu haben oder – noch schlimmer – er spielt auch für sie keine Rolle. Wie die Tatsache, dass die Landesregierung die Coronakrise auch schamlos genutzt hat, um im Windschatten die Inbetriebnahme des klimaschädlichen Kohlekraftwerks Datteln IV voran­zu­treiben, weil klar war, dass coronabedingt der massenhafte Protest auf der Straße ausbleiben würde.

Als Christ*innen sind wir empört und entsetzt, dass durch den thematischen Zuschnitt der heutigen Veranstaltung all diese Themen, bei denen es substantiell um das Leben und die Bedürfnisse der Menschen und die Bewahrung der Schöpfung geht, keine Rolle spielen.

Ein „Abend der Hoffnung“ ist das nicht, vielmehr ein Abend der bitteren Konfrontation mit der traurigen Realität, in der das Bündnis von Wirtschafts- und Staatsinteressen leider immer noch viel zu oft auf die unkritische Unterstützung durch die verfassten Kirchen zählen kann.

Für uns geht Hoffnung ganz anders: sie entsteht dort, wo sich Christ*innen und Nicht-Christ*innen in einem gemeinsamen Geist auf den Weg machen, gegen die herrschenden Zustände etwa im Rheinischen Braunkohlerevier zu protestieren und in ihrem Widerstand mögliche Alternativen aufscheinen. Solche Hoffnungsmomente haben wir vor einiger Zeit im Hambacher Wald erlebt, am letzten Sonntag bei unsrem gemeinsamen Gottesdienst mit AktivistInnen von Ende Gelände und Alle Dörfer bleiben mitten auf der bereits abgebaggerten und eigentlich gesperrten Straße L277 oder auf der Mahnwache in Lützerath, die zu einem Begegnungsort von sehr unterschiedlichen Menschen geworden ist, die aber der gemeinsame Einsatz für Klimaschutz eint! Diese Hoffnung von unten werden wir den zerstörerischen Plänen von Landesregierung und RWE weiter entgegensetzen. Und gerade in diesem Tun verwirklicht sich für uns etwas vom Auftrag an die Kirche als Nachfolgegemeinschaft Jesu!