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Zum Nachlesen empfohlen: Der Predigt-Text des Adventsgottesdienstes in der Kuckumer Kirche am 23.12.

Der Text aus dem Römerbrief wurde ausgesucht, weil das Thema „Hoffen und Warten“ zum heutigen Vorabend des 4. Adventssonntags passt:

Advent, das ist die Zeit, die wir als Kinder mit Hoffen, Warten und Vorbereiten verbrachten. Zwar merkt man inzwischen vor lauter Weihnachtsschmuck, Weihnachtsmusik, Glühwein und Weihnachtsfeiern kaum noch, dass die Adventszeit seit dem 7. Jahrhundert eine vierzigtägige Fastenzeit war, die die Alte Kirche auf die Tage zwischen dem 11. November und dem ursprünglichen Weihnachtstermin am 6. nuar festlegte. Seit Hunderten von Jahren verbringt also ein immer noch recht großer Teil der Menschheit einen ganzen Monat mit Warten.
Man kann das für unsinnig halten oder schlicht für eine liebgewordene, heimelige Tradition. Man kann daraus aber auch schließen, dass das, worauf ursprünglich gewartet wurde, etwas extrem Wichtiges sein muss: Die Ankunft des Retters der Welt.
Es ist ja so eine Sache mit dem Warten. Die einen von uns sind sehr ungeduldig und wollen alles immer sofort haben und die anderen haben eine Engelsgeduld, die die Ungeduldigen schier zur Verzweiflung bringen kann. Die meisten von uns werden irgendwo dazwischen liegen.
Da aber unsere Gesellschaft als Ganzes sicher die Fähigkeit zu Warten großenteils verloren hat, hier ein paar Gedanken zu diesem Thema, das für die Bibel und für unser tägliches Leben als Menschen und gerade auch als Christen äußerst wichtig ist.
Die Bibel, vor allem das erste Testament ist voll von Geschichten von Menschen, die warten müssen: Kinderlose warten darauf, endlich Eltern zu werden; Menschen werden getrennt durch List, Flucht, Deportation und Krieg, sie vermissen einander und warten darauf, wieder zusammen zu sein; Liebenden werden lange Wartezeiten auferlegt, bis sie zusammen kommen können. Und alle warten auf den Messias. Den Retter der Welt, den Gott versprochen hat. Mit ihm soll alles anders,
alles gut werden.
„Gottes Mühlen mahlen langsam“, heißt es in einem Sprichwort. Gott hat offensichtlich kein Problem damit, uns Menschen warten zu lassen, vielleicht bis der wirklich passende Zeitpunkt für ein Ereignis gekommen ist.
So warten und hoffen auch heute viele Menschen: z. B. auf das Ende des Krieges in der Ukraine, dem zwischen Israel und Palästina, oder einem der zahlreichen anderen Kriege, denen von den Medien keine Aufmerksamkeit zukommt; sie warten auf wirksame Vereinbarungen zur weltweiten Klimagerechtigkeit, oder hier in den Dörfern darauf, dass die Bagger endlich verschwinden, dass die Dörfer wirklich als Dörfer bestehen bleiben können, dass es wieder funktionierende Dorfgemeinschaften gibt, dass die fruchtbaren Ackerflächen für Lebensmittelproduktion erhalten bleiben und nicht für z.B. Logistikzentren genutzt werden.
Bei Paulus ist die Rede vom geduldigen Warten auf die Verwirklichung unserer Hoffnung: Vom Warten darauf, dass Gottes Reich kommt, wo es Gerechtigkeit für alle gibt und Leid passé ist, weil das Leben vollkommen ist.
Auch zur Zeit des Paulus haben die Menschen sehnsüchtig gewartet. Sie rechneten damit, den wiederkommenden Christus zu ihren Lebzeiten zu sehen, der den neuen Himmel und die neue Erde mit sich bringt – und sie waren beunruhigt, als doch einige schon starben, und Christus noch nicht erschienen war. Auch unter ihnen gab es Spötter, die sagten: „Da kommt nichts mehr“. Auch unter ihnen gab es den angefochtenen Glauben, der sich bang fragte: „Wo ist Gott denn? Hat er mich
verlassen?“

Auch Paulus erwartete damals, den neuen Himmel noch zu erleben. Er schreibt, dass das Warten dazugehört, wenn es um die Erfüllung unserer Hoffnung geht, und dass diese am Ende der Zeit bei Gott reichlich erfüllt wird.
Man könnte diese Bibelstelle natürlich so interpretieren, dass wir jetzt die Hände in den Schoß legen, uns zurücklehnen und geduldig warten und Tee trinken können. Aber das kann so nicht gemeint sein, wir Menschen sind nicht als passive Wesen geschaffen.
Sich im Warten einrichten ist eher etwas Schreckliches; wer wartet und nicht aktiv wird, vergeudet im Extremfall vielleicht sogar sein Leben.
Warten hat unterschiedliche Aspekte:
Abwarten, Ausharren, Erwarten. Dieser Aspekt ist auf Zukunft gerichtet, im besten Fall mit Zuversicht und Vertrauen verbunden, und auch mit „Geduld“, einer Tugend, die Vielen – auch mir – meistens nicht gegeben ist. Dafür muss man sich selber zurücknehmen, die eigene Meinung weniger wichtig nehmen und begreifen, dass auch andere Wege zu guten Ergebnissen führen können, Wege, die man selber nie gehen würde.
Warten bedeutet weiterhin: Wachsam sein. Wächter haben eine erhöhte Warte, von der aus sie Ausschau halten, die Lage überblicken und drohende Gefahren sehen können. In diesem Sinn bedeutet Warten: Acht geben, Aufpassen darauf, wie es unserer Welt und unseren Mitmenschen geht, was ihnen fehlt, was geändert werden sollte.
Wartezeit ist im Idealfall gefüllte Zeit, in der es darum geht, zu gestalten, zu bewegen, voranzubringen.
Schließlich drittens: Warten als Wartung und Pflege. Den Abschnitt „Wartung und Pflege“ findet man in fast jeder Bedienungsanleitung. „Warten“ bedeutet dabei prüfen, ob alles funktioniert, neu ausrichten, wenn etwas schlecht funktioniert, und pflegen, damit es auch weiter funktioniert.
Im Römerbrief ist die Rede von „Den Leiden der jetzigen Zeit“, wir erleben und erleiden heute, dass das Leiden immer noch andauert oder aktuell sogar zunimmt. Die Menschheit spielt aktuell wieder verrückt, zerstört ihre Lebensgrundlage, unsere Erde, und schlägt sich anscheinend mit Wonne die Köpfe ein. Wir sind weit entfernt von der verheißenen Herrlichkeit.
Im Schauspiel „Warten auf Godot“ schildert Samuel Beckett das Warten der Menschen auf einen Sinn des Lebens. Godot kam nie. Die beiden Akteure Estragon und Vladimir warteten vergeblich; sie machen die Erfahrung, dass es keinen Sinn des Lebens gibt, dass das Dasein in sich sinnlos ist. Aber ihr Warten war passiv.
Die Unruhe, auf etwas zu warten, von dem man nicht sicher ist, ob es je kommt, kennen die meisten. Wie Vladimir und Estragon warten wir darauf, dass unser Leben aufgeht. Dass der Sinn des Ganzen sich zeigt, und sich alles nach einem schönen Muster fügt. Aber es ist eine ängstliche Wartezeit, denn viele unserer Erfahrungen stehen dem Vertrauen auf ein gutes Ende entgegen.
Paulus versichert uns eine zukünftige Herrlichkeit, er erinnert daran, dass wir schon gerettet sind, aber gerettet mit Hoffnung, Warten und Geduld.
Heinrich Spoerl hat einmal formuliert: „Die Kunst des Wartens besteht darin, inzwischen etwas anderes zu tun.“
Die Zeit des Wartens also aktiv füllen, mit Geduld, Aufmerksamkeit und Fürsorge – eine große Aufgabe – nicht nur in der Adventszeit!

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(Vielen Dank an Irene Mörsch.)