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Das Rauschen der Pappeln von Lützerath

(zum 4. Geburtstag der Mahnwache Lützerath)

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Ich saß auf der Wiese vor dem Zirkuszelt.

Und ich fing an, den Pappeln von Lützerath zuzuhören.

Du kannst hören mit den Ohren und dabei nichts verstehen.

Du kannst hören mit deinem ganzen Körper und dabei Neues spüren.

Du kannst hören mit allem, was du bist, und dabei spüren,

dass alles, was du bist, verbunden ist, mit allem, was du hörst.

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Ich höre das Rauschen der Pappeln von Lützerath.

Sie singen ein Lied von Leben und Widerstand.

Im Rauschen der Bäume sehe ich

den letzten Bauern von Lützerath,

wie er spielt als Kind

auf den Wiesen

und zwischen den Heuballen

auf dem Hof seiner Großeltern.

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Das Lied erzählt von den Tagen,

als das Dorf noch voll Leben

und die Kohlebagger in weiter Ferne waren.

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Damals lag viel Land zwischen Kohlebaggern und diesem Dorf.

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Und noch viel Zeit sollte ins Land gehen …

Doch mit der Zeit ging auch das Land.

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Und mit dem Land gingen auch die Leute,

doch einer blieb …

und andere kamen.

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Jetzt stehen die Kohlebagger vor den Toren von Lützerath.

In das Rauschen der Bäume mischt sich das Knarzen der Bagger.

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Ihr Lied ist kein Gesang,

Kälte und Zerstörung ist ihre Melodie,

Acker für Acker,

Schaufel für Schaufel,

Kohle für Kohle

kommen sie näher …

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Ich höre das Rauschen der Pappeln von Lützerath.

In ihren Gesang mischt sich das Rauschen des Meeres.

Schwapp – Schwapp – Schwapp.

Ganz harmlos schlägt es gegen die Inseln im Pazifik.

Schaufel für Schaufel

steigt das Wasser höher und höher.

Kohle für Kohle

verschwindet ein Stück Insel im Pazifik.

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Doch im Rauschen des Meeres klingt noch mehr.

Im Schoß des Meeres wurde eine Schnecke geformt.

Wie unsere Bewegung ist sie langsam,

aber wer ihr Haus zum Singen bringt,

kann den Gesang der Solidarität hören.

Sie ruft alle zusammen, die für das Leben kämpfen.

In ihr liegt die Stimme der Pacific Climate Warriors, die sagen:

„We are not drowning, we are fighting“.

In ihr klingt die Stimme der Wasserschützer*innen, die sagen:

„Water ist life“.

In ihr liegt die Entschlossenheit der Zapatistas, die sagen:

„Ya Basta“.

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Ich höre das Rauschen der Pappeln von Lützerath.

In ihrem Gesang mischt sich die Stimme des Widerstands.

Ich höre uns singen. Als wir 2015 das erste Mal mit Ende Gelände von Lützerath aus loszogen,

um die Bagger, die das Leben zerstören, zu stoppen.

Im Rauschen der Bäume höre ich uns das erste Mal singen: „POWER!“

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Und als wir die Landstraße L277 entlang liefen, antworteten hunderte darauf: „POWER!“

Wir sangen „POWER TO THE PEOPLE!“

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Und tausende antworteten die kommenden Jahre „POWER TO THE PEOPLE!“

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Und mit dem Durchschieben der Polizeikette unter einer Autobahnbrücke

kam ein weiterer Durchbruch einer Bewegung für Klimagerechtigkeit.

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Ich höre das Rauschen der Pappeln von Lützerath.

Im süßen Geruch ihrer Knospen liegt noch die Wärme der Freundschaften, die unter ihren Ästen gewachsen, aufgeblüht, zerbrochen und neu gewachsen sind.

Die Reihe von Pappeln plappert von Verbündeten, die gemeinsam aus der Reihe tanzen.

Sie erzählen vom Murmeln und Tuscheln auf Klimacamps.

Sie spüren, wie Lützi lebt, zum Leben erwacht.

Sie schwärmen vom Kaffee der Mahnwache.

Sie zählen, wie häufig ein Dorfspaziergang ein Dorf umkreisen kann.

Sie wollen die Kirche im Dorf lassen oder zumindest ihre Eibenkapelle.

Sie ahnen, was Selbstermächtigung von Schwarzen, Indigenen und People of Colour bedeutet.

Sie lachen, wenn sie Aale über Land gehen sehen.

Sie tanzen im Wind, weil Kultur ohne Kohle schöner klingt.

Sie wissen, dass Alle Dörfer bleiben müssen, weltweit.

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Ich höre das Rauschen der Pappeln von Lützerath

Sie haben all den Trubel gesehen,

der um sie gemacht wurde.

Diese zerbrechlichen Riesen haben den Stürmen der Klimakrise getrotzt,

zumindest die meisten,

und dennoch sind sie gebrochen worden.

All unsere Stärke konnte ihre Zerbrechlichkeit nicht schützen

vor einer Wirtschaft, in der der Gesang der Bäume und Menschen nichts zählt.

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Ich höre kein Rauschen mehr der Pappeln von Lützerath

Ihr Lied ist verstummt.

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Doch leise, leise,

ich höre noch etwas …

Ein Knistern, ein Knacken

wie von einem Samen,

der durch die Erde dringt.

Da ist es,

erst zart und dann laut.

Ein Lied von der Schönheit des Lebens.

Ein Lied von der Zärtlichkeit der Klimagerechtigkeit.

Ein Traum von einem guten Leben mit allen,

der Samen für Samen,

Zeile für Zeile

in uns anschwillt und wächst

zu einem großen Raunen

und einem tiefen Rauschen.

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Ich höre das Rauschen des Widerstands von Lützerath

Er pappelt und singt ein Lied von einer besseren Welt,

in der keine Pappel mehr der Kohle zum Opfer fällt.

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(Danke an Wilm von ausgeco2hlt)

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Andere Baustelle, immer das gleiche: Angemeldete Mahnwache im Gremberger Wäldchen verboten

Köln. Ohne Vorlaufzeit wurde am heutigen Mittwoch die Mahnwache an der Schutzhütte im Gremberger Wäldchen verboten und ebenso Ersatz-Veranstaltungen.

Ein solches Verbot einer Versammlung ist die „schwerste mögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit“ (BVerfGE 110, 77, 89). Aufgrund Art. 8 Grundgesetz (GG) kann eine Versammlung nicht ohne triftigen Grund verboten werden.

Die Versammlungsleitenden hatten keine Möglichkeit auf diesen Schritt zu reagieren, da zunächst vor Ort die Versammlung aufgehoben wurde und eine halbe Stunde später erst die schriftliche
Begründung einging. Die Begründung bringt hervor, dass eine Gefährdung für die Menschen bestehe, wenn sie sich abseits der Wege aufhalten, außerdem wurde eine Verbindung zwischen Baumbesetzer*innen und der Mahnwache gezogen. Für jegliche Begründungen des Beschlusses eines Verbotes hätte eine Kommunikation mit den Versammlungsleiter*innen stattfinden können. Es sind Rechtsmittel eingelegt.

Zeitgleich werden die Baumhäuser im benachbarten Waldstück durch Polizeikräfte geräumt und die durch Schutzmaßnahmen angebrachten Holzstrukturen zerstört. Die Mahnwache war in den letzten Wochen eine Anlaufstelle und Informationspunkt für die Kölner Zivilgesellschaft und gilt als eine bunte und bürgerliche Protestform. Aufmerksam machen wollten die Veranstalter*innen auf den Ausbau der A4, welcher große Teile des Waldes zerstören wird. Die Rodungssaison beginnt erst im Oktober und auch der Beginn der Baumaßnahmen liegt noch in weiter Ferne.

„Die Auflösung der Mahnwache hier an der Schutzhütte ist an den Haaren herbeigezogen: Sie schmeißen die Mahnwache in einen Topf mit den Baumhäusern im Wald, nur weil sie da keine Ansprechperson gefunden haben. Es muss möglich sein, dass zwei Protestformen nebeneinander funktionieren. Oder dürfen wir jetzt zukünftig nirgends protestieren, weil ja immer Leutenfangen
könnten, Baumhäuser zu bauen oder Häuser besetzen?“, so Beate Umling, die in den letzten Wochen oft mit dem Fahrrad in den Wald gefahren ist, um sich mit den Menschen an der Mahnwache
auszutauschen.

Gerade junge Menschen suchen sich andere Protestformen als Mahnwachen, um auf die prekäre Situation der Welt und Natur aufmerksam zu machen. „Protestformen sind unterschiedlich, doch es ist ein Grundrecht, sich zu versammeln! Gerade Mahnwachen sind essenziell, um den bürgerlichen Protest für unsere Lebensgrundlagen zu erhalten. Die Behörden schaffen mit diesem Schritt nur wieder eines: Sie greifen in unser Recht auf Versammlungsfreiheit und Meinungsäußerung ein und enttäuschen uns!“, zeigt sich eine Person am Rande des Waldes empört.

(Pressemitteilung der Mahnwache Lützerath lebt! e. V.)