Lieber …,
gestern erreichte uns Ihre Mail, für die wir sehr dankbar sind, denn sie drückt Ihre Sorgen und Ihren Ärger aus und gibt uns von Alle Dörfer Bleiben die Möglichkeit, mit Ihnen in Kontakt zu treten. Ich selbst bin in Holzweiler aufgewachsen und in Keyenberg zur Schule gegangen. Berufsbedingt wohne ich mittlerweile in Königswinter. Seit einigen Monaten bin ich bei Alle Dörfer Bleiben aktiv. Alle Dörfer Bleiben ist eine Initiative von Menschen aus den von Umsiedlung betroffenen Dörfern, aus den potenziellen Grubenrand-Dörfern und von Klimaaktivisten. Die Motive der einzelnen Beteiligten sind sicherlich verschieden; während für die einen die Rettung ihres Zuhauses im Vordergrund steht, engagieren andere sich in erster Linie für einen möglichst schnellen Kohleausstieg. Viele von uns sind seit langer Zeit gegen den Kohleabbau aktiv (einige seit den 80er Jahren) und waren auch bei der Menschenkette dabei. Ich selbst war damals sehr verwundert, dass der Widerstand aus den Dörfern verhältnismäßig gering war, während viele Menschen aus der Ferne die Aktion unterstützt hatten. Ich bin Jahrgang 1964 und stelle mir auch manchmal die Frage, warum der Widerstand über die Jahre hinweg so verhalten war. Dafür gibt es wahrscheinlich viele Erklärungen: zuerst war das Thema noch sehr weit weg, dann gab es in den 80er und beginnenden 90er Jahren zwar Aktionen, die aber nicht zum Erfolg geführt haben. Vielleicht haben sich die Menschen ohnmächtig gefühlt? Ich selbst hatte damals auch auf den Klageweg gehofft, aber auch der half nicht weiter. Zudem gibt es Menschen, die eine größere Neigung zu offenem Protest haben als andere. Wenn ich mir anschaue, wie häufig in Griechenland und Frankreich massiv gestreikt wird und wie zurückhaltend wir Deutschen dagegen sind. So kam Rheinbraun immer näher. Und während die einen sich einigermaßen gut damit arrangieren können, fällt anderen der Verlust der Heimat verdammt schwer. So, wie ich Ihre Zeilen lese, geht auch Ihnen das so. Und mir würde das auch so gehen. Dass der Protest erst jetzt so groß ist, bedauere auch ich sehr. Sie haben Recht, das hätte viel früher passieren sollen. Ein Grund, dass der Protest jetzt größer als damals ist, dürfte das geänderte Bewusstsein zum Klimawandel sein.
Wir von Alle Dörfer Bleiben finden es eine Zumutung (im Sinne von: es wird einem etwas zugemutet), dass Menschen Ihre Heimat für den Kohleabbau verlassen müssen. Noch viel schlimmer wird es, wenn die Notwendigkeit weggefallen ist und man quasi umsonst umsiedeln musste. Und nun ist das Dilemma für alle da, dass die Umsiedlung der Dörfer für die Energieversorgung nicht mehr notwendig ist, dass aber der Umsiedlungsprozess bereits begonnen hat. Das ist bestimmt für viele Betroffene sehr schwer. Nun muss mit diesem Problem umgegangen werden. Aber wie? Aus der Sicht von Alle Dörfer Bleiben sollen all diejenigen, die sich bereits für eine Umsiedlung entschieden haben, auch noch umsiedeln können. Jedoch soll es keine Zwangsumsiedlungen mehr geben – und dafür treten wir ein.
Wir planen den Sternmarsch schon seit längerem und haben uns darum bemüht, die Menschen vor Ort auch im Vorfeld zu informieren. Dazu wurden Flyer in den Dörfern verteilt und es gab ein offenes Treffen Mitte Februar in Holzweiler, bei dem es die Möglichkeit gab, mit den Organisatoren ins Gespräch zu kommen. Wenn diese Informationen Sie nicht erreicht haben, bedauern wir das.
Zum Sternmarsch werden viele Leute aus der Nähe und aus ganz Deutschland erwartet: Menschen die sich Sorgen wegen des Klimawandels machen, Menschen die für den Hambacher Forst einstehen und auch Menschen aus den anderen Braunkohlerevieren, die dort von Tagebauen betroffen sind. Wir werden an diesem Tag gemeinsam demonstrieren und auch durch Keyenberg gehen. Dabei ist es uns wichtig, dass alle respektvoll miteinander umgehen. Das werden wir auch vorher an die Teilnehmer kommunizieren. Bei den Planungen haben wir bedacht, dass sich Menschen aus Keyenberg gestört fühlen könnten. Daher findet die Abschlusskundgebung an der T-Kreuzung (L277) statt und nicht im Dorf selbst.
Dass das Schulfest in Keyenberg auf den Freitag gelegt wurde war eine Entscheidung, von der wir erst im Nachhinein erfahren haben. Wir bedauern auch das und sehen von unserer Seite aus keinen Grund für die Verschiebung. Polizeipräsenz für eine Demonstration muss für Kinder auch nicht bedrohlich sein wenn man ihnen erklärt, dass es in einer Demokratie ein sehr wichtiges Recht ist, demonstrieren zu dürfen und es die Aufgabe der Polizei ist, dieses Recht zu gewährleisten. Vielleicht hätte es für die Kinder vor dem Hintergrund von fridaysforfuture sogar interessant sein können, wenn ausgerechnet an ihrem Schulfest eine so große Demonstration stattgefunden hätte.
Die Polizei wird am Samstag vor Ort sein, um die Straßen für die angemeldete Versammlung zu sperren. Es ist nicht zu vermeiden, dass Autofahrer an diesem Nachmittag Umwege fahren müssen. Das Ordnungsamt ist dafür zuständig, zu gewährleisten, dass es auch währenddessen Wege für Krankenwagen etc. geben wird. Wie stark die Polizeipräsenz sein wird liegt nicht in unserer Hand. Aus unserer Sicht wären Maßnahmen wie Hubschrauber etc. völlig übertrieben und wir würden auch lieber ohne Hubschrauberlärm demonstrieren. Aber auch das ist eine Entscheidung der Polizei.
Abschließend möchten wir Ihnen gerne anbieten, mit Menschen von Alle Dörfer bleiben ins Gespräch zu kommen. Gerade bei so schwierigen Themen für alle Seiten kommt es bei E-Mails häufig zu Missverständnissen, die in einem Gespräch vielleicht nicht passieren. Wir würden uns also freuen, Sie am Samstag zu sehen.
Für die guten Wünsche danken wir Ihnen. Auch wir wünschen Ihnen und uns einen guten Ablauf der Veranstaltung.
Herzliche Grüße
Rita Rickel
für Alle Dörfer bleiben