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Pressemitteilung: „Stoppt diese Kohlestraße!“ Straßenbau am Tagebau Garzweiler blockiert

Erkelenz. Seit 8:45 Uhr blockieren rund 50 Aktive unter dem Motto „Keinen Meter der Kohle“ den Bau der künftigen ‚Grubenrandstraße‘ L354n zwischen Wanlo und Kaulhausen. Das Bündnis von Tagebau-Betroffenen „Alle Dörfer bleiben! Rheinland“ sowie die Aktionsgruppe „Kohle erSetzen!“ hatten dazu aufgerufen, sich den Bauarbeiten in den Weg zu setzen. Als Zeichen des Widerstands haben sie gelbe Holzkreuze auf aufgeschütteten Erdwällen platziert und Bäume auf der gerodeten Fläche gepflanzt. Die Blockierenden fordern den Erhalt aller Dörfer in den Braunkohlerevieren und die sofortige Einleitung eines konsequenten Kohleausstiegs.

„Mit dem Bau der zukünftigen ‚Grubenrandstraße‘ schafft RWE weiter Fakten und erhöht damit den Druck auf uns Bewohner*innen – mit dem einzigen Ziel, unsere Dörfer doch noch abzubaggern.“, so David Dresen aus dem bedrohten Kuckum. „Bei einem konsequenten Kohleausstieg wird sich der Tagebau notwendigerweise verkleinern. Die neue Grubenrandstraße braucht es deshalb nicht.“

„Die Weiterführung des Tagebaus heizt die Klimakrise weiter an. Das gefährdet weltweit und auch in Deutschland die Lebensgrundlage von Menschen. Dieses unverantwortliche Vorgehen untergräbt Menschenrechte. Deswegen setzen wir uns mit unseren Körpern dem Unrecht des Straßenbaus und der Klimakrise entgegen“, so Mira Jäger, Pressesprecherin von „Kohle erSetzen!“.

„Wir haben Unterschriften gesammelt, demonstriert und den Dialog mit der Landesregierung gesucht. Wir haben auf die Kohlekommission gehofft und wurden bitter enttäuscht. Weil unsere Appelle nicht gehört wurden, bleibt uns nichts anderes übrig, als jetzt einen Schritt weiter zu gehen.“, so David Dresen. „Wir laden die Menschen aus der Region ein, sich uns anzuschließen!“

Nach der Straßenblockade ist für den 22. Juni ein großer Aktionstag im Rheinischen Revier geplant, zu dem Alle Dörfer bleiben zusammen mit Fridays for Future, Campact, Greenpeace, BUND und den Naturfreunden aufruft. Zudem wird es im Rahmen des Klimacamps im Rheinland vom 22.-25. August eine weitere Aktion zivilen Ungehorsams von „Kohle erSetzen!“ geben.

Die Aktionsgruppe „Kohle erSetzen!“ setzt sich seit 2017 durch vielfältige Aktionen des zivilen Ungehorsams für das Ende der Kohleverstromung als Beitrag zu globaler Klimagerechtigkeit ein. „Alle Dörfer Bleiben“ ist eine bundesweite Initiative, in der sich Betroffene aller Braunkohle-Regionen und Aktive aus der Klimagerechtigkeitsbewegung gemeinsam gegen Zwangsumsiedlung und Klimazerstörung einsetzen. Die Rheinische Gruppe des Bündnisses hat sich im Herbst 2018 gegründet.

„Auf Gewalt war die Polizei vorbereitet. Auf Gesang nicht.“ Momente einer Räumung.

3. September 2018

Nachdem seit knapp zwei Wochen unter Klimaschützern die Gerüchteküche brodelt, mehren sich die Anzeichen, dass die Räumung der Baumhäuser im Hambacher Wald unmittelbar bevorsteht. Um die Medien auf Kriegsszenarien einzustimmen, präsentiert NRW-Innenminister Herbert Reul beschlagnahmte Waffen und gefährliche Gegenstände aus der Asservatenkammer und lässt die Presse in dem Glauben, diese seien bei einer Razzia in der vergangenen Woche gefunden worden. Aktivisten stutzen, weil sie glauben, die Fotos der Gegenstände schon einmal gesehen zu haben – und werden fündig in einem „Welt“-Artikel von 2016. Der WDR hakt nach, Minister Reul windet sich heraus: Er habe gar nicht den Eindruck erwecken wollen, dass das alles frische Funde sind, es sei nur um ein Bild des generellen Gefahrenpotentials gegangen.

 

5.9.

Im Wald beginnen die Vorbereitungen der Baumhausräumung mit einem Großeinsatz, bei dem die Bodenstrukturen der Baumhausdörfer (Küchen, Infostände, Kunst-Installationen) abgerissen werden. Auch Barrikaden werden geräumt. Dabei stößt man immer wieder auf mit Gaffertape umwickelte Pappkartons oder alte Feuerlöscher, an denen Zettel mit der Aufschrift „Sprengsatz. Don‘t Touch“ befestigt sind. Die Polizei schreibt in ihren Pressemitteilungen von Bombenfunden; das Dementi, dass es Atrappen sind, kommt meistens erst nach Redaktionsschluss bzw. wenn sich die Meldung als Schlagzeile manifestiert hat.

Seit Ende August steht an der Landstraße vor dem Hambacher Wald eine Mahnwache. Engagierte Menschen betreuen Spaziergänger, müde Aktivisten und Schaulustige. Ein Auto nähert sich, öffnet im Vorbeifahren die Fahrerscheibe und brüllt den am Boden Sitzenden zu: Ihr verdammten Ratten – vor den Augen der Polizisten auf der anderen Straßenseite, die allerdings gerade Wachablösung haben und sich ehrlich betroffen zeigten. Zwei Tage später wird – vor den Augen der Polizisten auf der anderen Straßenseite – aus einem vorüberfahrenden Fahrzeug des RWE-Werksschutzes eine halb volle Getränkeflasche in die Mahnwache geworfen. Es heißt, die Polizei hat die Täter schnell gestellt. Eine Pressemitteilung der Polizei gibt es zu dem Vorfall nicht.

 

8.9.

Die Rheinische Post berichtet nach „exklusiver“ Akteneinsicht, dass es im Wald ein Tunnelsystem „wie bei den Vietcong“ gibt, durch das Waffen geschmuggelt werden könnten und aus dem die Polizei jederzeit angegriffen werden könne. Die Polizei Aachen dementiert als einsatzleitende Behörde, dass diese Informationen aus ihrem Hause stammen oder dass sie je von einem Tunnelsystem gesprochen hat. Ist die Quelle erneut das Innenministerium, das nichts unversucht lässt, um in den Köpfen der Öffentlichkeit und der Polizisten vor Ort Gewalt-Szenarien entstehen zu lassen?

 

13.9.

Die Räumung beginnt. Allen Unkenrufen zum Trotz kommt es nicht zur Schlacht im Hambacher Wald. Der Widerstand der Baumbewohner ist lautstark, oft witzig, friedlich und weitgehend passiv. Vereinzelt regnet es nach Ansage Fäkalien auf die mit Maleranzügen geschützte Polizei, an einer Stelle fliegen Steine, auf einer Werksstraße gibt es laut Polizeiangaben einen dramatischen Zwischenfall mit einem improvisierten Geschoss, bei dem ein Polizist verletzt wird. Doch die Visionen der Horden von Gewalttätern, die der Innenminister in den Köpfen heraufbeschworen hat, werden nicht zur Realität.

 

16.9.

Tausende folgen der Einladung des Waldpädagogen Michael Zobel zum traditionellen Waldspaziergang, der erstmals „draußen bleiben“ muss. Die Polizei geht brutal gegen Demonstranten vor, die einen Erdwall besetzen, zieht sie an den Füßen herunter und setzt Knüppel ein. An anderer Stelle gelingt es hunderten, durch die Polizeiphalanx in den Wald zu laufen. Presse wird an der freien Bewegung gehindert. Insgesamt herrscht der Eindruck von Planlosigkeit bei den Einsatzkräften. Auf Gewalt war die Polizei vorbereitet. Auf Gesang nicht.

 

18.9.

Die Polizei, die Amtshilfe bei der Räumung leistet, weil die Baumhäuser nicht der Brandschutzverordnung entsprechen, steht überall mit laufenden Motoren im und vor dem ausgetrockneten Wald. Auf Nachfragen wird geantwortet, das sei nötig für die Energieversorgung der Kommunikationstechnik. An anderer Stelle lautet die Antwort, es sei ohne Klimaanlage im Wagen zu heiß.

Vor dem Wald brennt heute ein Stoppelfeld, in Brand gesetzt durch heiße Abgase eines Polizeifahrzeugs. Mit dem eigenen Wasserwerfer kann die Polizei den Brand zügig löschen.

In Gallien ist einer der Bewohner des Hauses „no names“ vor dem anrückenden Hubsteiger in den höchsten und letzten Winkel der Krone des Nachbarbaums geflüchtet … und droht zu springen (oder zu fallen, weil er erschöpft ist). Die Polizei übergibt den Einsatz an die Feuerwehr, die den Menschen nach anderthalb langen Stunden unverletzt herunterholt. Während in 25 Metern Höhe um ein Menschenleben gerungen wird, laufen auf dem Rest der Lichtung ungebremst die Kettensägen, aus großer Höhe knallen Baumhausteile und Inventar zu Boden. RWE ist nicht dazu zu überreden, wenigstens während der Rettung die Arbeiten einzustellen, deren Geräuschkulisse schon für die Beobachter schwer zu ertragen ist. Parlamentarische Beobachter sind zwar im Wald, aber nicht zu erreichen; die Einsatzleitung der Polizei sagt auf persönliche Anfrage, man werde die Bitte um Einstellung der Abbrucharbeiten „in die Überlegungen mit einfließen lassen“. Es ändert sich bis zur Rettung … nichts.

 

19.9.

Die Polizei erteilt Platzverweise an Aktivisten „bis Ende der Rodungsarbeiten“. Was will sie damit sagen? Dass jetzt im Moment keine Räumungs-, sondern doch schon Rodungsarbeiten durchgeführt werden? Oder dass sie etwas weiß, was die Öffentlichkeit noch nicht weiß, nämlich wie das OVG Münster in der Causa Hambacher Wald entscheiden wird?

Eine Polizeieinheit, die im Wald eine Wegekreuzung kontrolliert, berichtet, dass man sie nonstop aus Hamburg bis an diese Kreuzung gefahren und ihnen dort ihren kleinteiligen Einsatzauftrag gegeben hat, die Personalien vorbeikommender Menschen zu kontrollieren. Sie haben zwar im Vorbeifahren einen Schaufelradbagger gesehen, wissen aber ansonsten weder, wo sie sind, noch warum.

In Beechtown stürzt der Filmemacher Steffen Meyn von einer Hängebrücke und stirbt. Die Polizei räumt im benachbarten Cozytown noch einen Tunnel, weil sie die dort Angeketteten nicht über Nacht unten lassen will. Dann wird die Räumung vorerst abgebrochen.

 

20.9.

Menschen im Wald, die nicht nach Beechtown zur Unglücksstelle vorgelassen werden, setzen sich auf einen Hauptweg in der Nähe, um dort eine Schweigeminute abzuhalten. Polizei marschiert auf, fordert die Menschen auf, den Weg zu räumen, sonst werde man das „mit Gewalt“ tun. Parlamentarier kommen angelaufen, eine Deeskalation der Situation zwischen den singenden oder schweigenden Zivilisten und den aggressiven Uniformierten gelingt in letzer Sekunde. Die Schweigeminute beginnt. Polizisten stehen im Halbkreis vor den Trauernden und lachen auf sie hinunter. Nach etwa drei Minuten beschwert sich eine Polizistin, das sei aber eine lange Schweigeminute.

 

21.9.

Trotz des Moratoriums möchte die Polizei die Tripods und Barrikaden vor Lorien räumen, um Rettungswege freizulegen. Es kommt zu lebensgefährlichen Situationen für die Aktivisten, die in der Höhe die Arbeiten blockieren. Polizisten werden nach Vorwarnung mit Fäkalien beworfen. Die Polizei veröffentlicht Fotos von den verschmutzten Uniformierten, die diesmal keine Maleranzüge tragen. Die Feuerwehr macht sich ein Bild von der Lage und teilt mit, dass es genügend Rettungswege gibt. Der Einsatz kommt zunächst zum Halten.

 

22.9.

Ein Aktivist fragt vor Lorien in eine Polizei-Phalanx hinein, warum die Polizei überhaupt dort ist. Er wird festgenommen und lässt sich widerstandslos abführen.

Als Grund bekommt er auf seine weitere Frage, warum man ausgerechnet ihn zufällig herausgepickt hat, zu hören, weil er nun einmal gerade da gewesen sei. Hinter den Kulissen ringen drei Polizisten den schmächtigen jungen Mann zu Boden, werfen ihn auf den Bauch und legen ihm Handschellen an. Man zieht ihm seinen Klettergurt aus, tauscht die Handschellen gegen Kabelbinder aus lässt ihn in einen Gefangenentransporter steigen.

Die Pressestelle der Polizei ist nicht bereit, vor Ort etwas zu der Festnahme zu sagen.

Später ist zu hören, dass die Polizei angewiesen ist, Menschen mit Kletterzeug in Gewahrsam zu nehmen. Es gibt also doch einen offiziellen Grund für die Festnahme. Aber gibt es auch einen Grund für die Brutalität?

 

23.9.

Wieder strömen Massen zum Waldspaziergang. An einem Zugang kontrolliert eine Einheit bürgerliche Waldbesucher und schüchtert sie massiv ein. Einer älteren Dame wird eine Plane abgenommen, in die sie sich zum Schutz gegen den strömenden Regen gehüllt hat – man könne daraus ja Baumhäuser bauen. Wenn sie sich beschweren wolle, könne sie dies beim Bürgertelefon der Stadt Kerpen tun (welches an einem Sonntag natürlich nicht besetzt ist). Ihre Plane darf sie sich nach Beendigung der Räumung, Datum unbestimmt, im 30 Kilometer entfernten Aachener Polizeipräsidium wieder abholen.

Fünfzig Meter weiter öffnet ein Polizist mitten im Wolkenbruch das Fenster seines Mannschaftswagens und verteilt den Inhalt seines Lunchpakets an die Kinder der Spaziergänger.

 

24.9.

Die Bundespolizei macht im Wald Jagd auf eine Spaziergängerin, ringt sie zu Boden, fesselt sie mit Kabelbindern, obwohl sie sofort sagt, dass sie bereit ist, ihre Personalien anzugeben. Nach gründlicher Durchsuchung werden die Fesseln gelöst; die Frau bekommt einen Platzverweis. Presse wird auch bei solchen Vorfällen ruppig auf Abstand gehalten; immer wieder versuchen Polizisten, Fotografen zu erklären, wie sie ihre Bilder zu machen haben.

Anderer Ort, gleiche Uniform, anderer Mensch: „Ich weiß ja nicht, wie oft Sie Ihren Ausweis heute schon zeigen mussten, aber dürfte ich ihn bitte auch noch einmal sehen?“

 

25.9.

Obwohl die Aachener Polizei nominell die einsatzleitende Behörde ist, stellt ihr Präsident Dirk Weinspach in einer Erklärung an die „Aachener Nachrichten“ klar: „Dies ist nicht mein Einsatz.“ Den Namen des Innenministers nennt er nicht.

 

27.9.

Wer den Livestream der TAZ-Kollegin Anett Selle verfolgt, kann gegen zehn Uhr morgens beobachten, wie die Polizei vor dem letzten Baumhausdorf „Lorien“ eine friedliche Menschenkette in ein Schlachtfeld verwandelt. Auch Pressevertreter bleiben von der Brutalität nicht verschont. Noch Stunden später sitzen kreidebleiche Menschen in den Farnen und können auf Nachfrage nicht sagen, ob sie verletzt sind, weil der Schock ihre Körper betäubt.

Nachdem RWE am Vortag bereits ein mit zahlreichen Birken und Ebereschen durchwachsenes Farndickicht am Fuß einer „Lonely Oak“ genannten Eiche gerodet und für die räumenden Hubsteiger planiert hat, wird der gerodete Bereich heute bis an die Abbruchkante ausgeweitet. Die Bewohner von Lorien haben nun freie Sicht auf den Schaufelradbagger, der auf der anderen Seite der Tagebau-Umfriedung wartet. Einen Ansprechpartner von RWE, der erklären könnte, wozu diese zusätzliche, fußballfeldgroße Rodung nötig ist, gibt es vor Ort nicht. Angesichts des Umfangs der Fällarbeiten werden auch Polizeisprecher allmählich nervös. Einhalt gebieten können sie den Arbeiten jedoch nicht.

An anderen, längst geräumten Orten im Wald fahren RWE-Mitarbeiter unterdessen mit schwerem Gerät quer durch den Wald. Als Begründung geben sie an, Löcher an den Wurzelballen umgestürzter Bäume zuschütten zu müssen. Für BUND-Sprecher Dirk Jansen ist dies ein massiver Eingriff in das Totholz-Vorkommen, das für das Ökosystem Hambacher Wald so wichtig und so charakteristisch ist. Die Polizei erklärt sich für nicht zuständig. Das zuständige Umweltamt der Stadt Düren bittet Beobachter, mögliche Rechtsverstöße bei der Polizei zu melden.

Im Landtag NRW muss unterdessen Innenminister Herbert Reul zu den umstrittenen Polizeieinsätzen bei einer rechtsextremen Kundgebung in Dortmund und im Hambacher Wald Stellung nehmen. Obwohl er nicht selbst vor Ort gewesen ist, bezichtigt er laut dpa die Aktivisten in Beechtown, im Angesicht des sterbenden Filmemachers Steffen Meyn gerufen zu haben: „Scheiß ‚drauf, Räumung ist nur einmal im Jahr!“ Bei den immer noch traumatisierten Augenzeugen im Wald stößt diese Nachricht auf Empörung. Anett Selle, die während ihres Streams Augenzeugin des Sturzes wurde, schreibt den Innenminister via Twitter an: „Lieber @hreul, die Parole, die Sie zitieren, die gab es. Aber am Tag vor dem Absturz von Steffen Meyn. Nicht nachdem er stürzte. In Ihrem Bericht stehen folglich Unwahrheiten. Sie sollten ihn überarbeiten.“

Vierundzwanzig Tage, nachdem Herbert Reul mit der medialen Einstimmung auf den „blutigen Herbst am Hambacher Forst“ begonnen hat, äußern sich Polizisten vor Ort zwar angewidert über die Fäkalien-Attacken, aber auch erleichtert darüber, dass die Gewaltorgien ausgeblieben sind. Für die unredlichen Maneuver ihres Dienstherrn im Düsseldorfer Innenministerium können sie immer weniger Verständnis aufbringen. Sie möchten den Rechtsstaat verteidigen. Ob sie das im Hambacher Wald tatsächlich tun? Unter den Menschen in den Uniformen breiten sich Zweifel aus.

 

Rückblende: 28. August 2018

Auf der Wiese vor dem Hambacher Wald findet eine Razzia statt, die das „Material“ für die Waffen-PK und die Tunnel-Story liefern wird und in deren Verlauf die Polizei unter anderem die Bibliothek des Camps halb abreißen und dann mit Beton verfüllen lässt.

Der Polizist, der meinen Ausweis und Presseausweis kontrolliert, ehe ich zur Beobachtung des Geschehens vorgelassen werde, entpuppt sich während der Kontrolle als überzeugter Anhänger der AfD und ihrer demokratiefeindlichen Umtriebe. Als ich etwas geschockt den Pressesprecher der Aachener Polizei darauf anspreche, versucht er es erst flapsig: „Ach, das war bestimmt einer aus Rheinland-Pfalz.“ (Ein Blick auf‘s Foto zeigt: Nein, es war einer aus NRW.) Dann fügt er – diesmal ernst gemeint – an: „Die Polizei ist nun einmal auch nur ein Spiegel der Gesellschaft.“

Auch fast ein Dreivierteljahr nach diesen Ereignissen wirken all diese Momente nach. Erst jetzt kann ich einen abschließenden Satz für diese Sammlung finden. Nein, lieber medienarbeitender Kollege. Die Polizei darf kein „Spiegel der Gesellschaft“ sein. Sie ist eine Säule unserer Demokratie. Demokratiefeindliche Elemente haben in der Polizei nichts verloren.

Die Polizei muss besser sein als die Gesellschaft.

 

© Barbara Schnell 2018/2019

Initiativen kündigen Sitzblockade gegen den Bau der L354n am Rand von Garzweiler an.

Erkelenz. Die Aktionsgruppe „Kohle erSetzen!“ und das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ rufen zu einer Sitzblockade gegen den gestern begonnenen Bau der Landstraße L354n zwischen Wanlo und Kuckum auf. Die Straße wird nur benötigt, wenn weitere Dörfer für die darunter liegende Braunkohle zerstört werden. Unter dem Motto „Keinen Meter der Kohle“ wollen sich deshalb ab Montag den 27. Mai Anwohnende gemeinsam mit Aktiven aus der Klimagerechtigkeitsbewegung den Bauarbeiten in den Weg setzen.

„RWE offenbart mit diesem Straßenbau seine Ignoranz gegenüber dem kommenden Kohleausstieg,“ stellt Mira Jäger, Pressesprecherin von Kohle erSetzen!, fest. „Es ist klar: alle Dörfer werden bleiben. Denn selbst mit dem völlig unzureichenden Ergebnis der Kohlekommission dürfen die Tagebaue kaum fortgeführt werden. Somit sind sowohl das Abbaggern der Dörfer als auch der neue Straßenbau absolut überflüssig.“ Dennoch wurde für die Bauarbeiten bereits ein Waldstück gerodet, mehrere Hektar fruchtbarer Ackerboden sollen geopfert werden.

„Um weiter Fakten zu schaffen und die Menschen in den Dörfern unter Druck zu setzen, baut RWE eine neue ‚Grubenrandstraße‘ weit hinter den Dörfern. Das ist Hohn für all jene, die fest entschlossen sind, in ihren Dörfer zu bleiben,“ so David Dresen aus dem bedrohten Kuckum. Sollte der Tagebau wie von RWE gewollt fortgesetzt werden, wird die neue Grubenrandstraße erst 2027 mit der Zerstörung Kuckums gebraucht. Die Genehmigung des Neubaus hat RWE bereits seit vier Jahren. Nach RWEs bisherigen Plänen würde es reichen, wenn erst 2025 mit dem Straßenbau begonnen würde. Die Anwohnenden vor Ort gehen daher davon aus, dass RWE jetzt schon baut, um sie unter Druck zu setzen und ihnen die Lebensqualität in ihren Dörfern zu nehmen. „Den Menschen hier gezielt das Leben zur Hölle zu machen, hat bei RWE System. Der Bau der Straße hebt die Provokationen auf eine neue Stufe“ so David Dresen. „Um unserer Forderung nach einem sofortigen Stopp aller bergbauvorbereitenden Maßnahmen Nachdruck zu verleihen, sehen wir uns daher gezwungen einen Schritt weiter zu gehen und rufen dazu auf, die Bauarbeiten zu blockieren. „RWE gräbt derzeit eine Schneise durch Felder und Wald in der vollen Breite der zukünftigen Straße. Nach Abschluss dieser Arbeiten soll die Schneise auf mögliche alte Kampfmittel und archäologische Funde untersucht werden, im Anschluss soll dann direkt der Straßenbau beginnen.

In den letzten 100 Jahren sind allein in Deutschland fast 300 Orte für den Braunkohleabbau zerstört worden. Mittlerweile ist jedoch eine breite Unterstützung für einen schnellen Kohleausstieg entstanden, wie er auch wöchentlich von Zehntausenden beim Klimastreik „Fridays for Future“ gefordert wird. Dennoch treibt RWE im Rheinischen Revier die Umsiedlung von rund 1.500 Menschen weiter voran. Sechs Dörfer und weitere Höfe sind vom Tagebau Garzweiler II nach wie vor bedroht. Für den 22. Juni lädt Alle Dörfer bleiben deshalb zu einem großen Aktionstag ins Rheinische Revier ein, gemeinsam mit Fridays for Future, BUND, Greenpeace, Campact und den Naturfreunden. An diesem Tag werden auch die Aktiven von Ende Gelände an anderer Stelle zivilen Ungehorsam gegen den Kohle-Abbau leisten.

Mit seinem Geschäft zerstört RWE nicht nur Dorfgemeinschaften in Deutschland. Als Konzern mit dem größten Treibhausgasausstoß in Europa bedroht er besonders die Existenz von Menschen weltweit, die durch die Klimakrise ihre Lebensgrundlagen verlieren. Schon jetzt leiden diese Menschen unter immer stärkeren Dürren und Extremwetterereignissen, obwohl sie am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben.