Schlagwort: Prozess
Gerichtstermin in Jülich abgesagt ++ Kriminalisierung einer Abseilaktion von Behindertenrechts- und Umweltaktivist*innen in Lützerath abgewehrt
Die Gerichtsverhandlung vom 4.11. vor dem Amtsgericht Jülich findet nicht statt.
Der jüngste Versuch der Staatsanwaltschaft Aachen Klimaprotest zu kriminalisieren ist gescheitert. Einer Aktivistin war Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen worden. Der Aktivistin wurde keine aktive Handlung vorgeworfen. Das einfache Abseilen anlässlich einer Protestaktion gegen die Räumung in Lützerath war für die Staatsanwaltschaft Grund genug, Anklage zu erheben.
Die Aktivistin legte gegen einen Strafbefehl Einspruch ein und wehrte sich. Das Verfahren wird nun, nach längerem hin und her und vielen Anträgen, auf Staatskosten eingestellt.
Hintergrund war eine Aktion der Gruppe Rollfender Widerstand. Aktivist*innen mit und ohne Behinderungen demonstrierten mit und ohne Rollstuhl in Seilen gesichert mit einem Banner „Lützi lebt!“ an einer Brücke. Sie behinderten somit den Zugang zum Tagebau für circa fünf Stunden, ehe sie von einer Klettereinheit der Polizei geräumt wurden. Die Aktion fand am letzten Tag der Räumung von Lützerath im Januar 2023 statt.
„Behinderte Menschen sind besonders stark von der Klimakrise betroffen. 80% von ihnen leben im globalen Süden, wo die Auswirkungen der Klimakrise bereits deutlich zu spüren sind. Katastrophenschutzpläne berücksichtigen sie kaum. Selbst in einem reichen Land wie Deutschland laufen sie überproportional Gefahr, ums Leben zu kommen. Bei den Überschwemmungen im Aartal sind 12 Menschen in einer Einrichtung der Behindertenhilfe gestorben. Es war für uns daher klar, dass wir uns an den Protesten gegen RWE und für das Leben beteiligen,“ erklärt die verfolgte Aktivistin ihre Motivation.
Staatsanwaltschaft und Gericht machten zunächst keine Anstalten, das absurde Verfahren einzustellen. Die Aktivistin und ihre Unterstützer*innen mussten sich wehren. Ein erster Prozesstermin wurde verschoben. Das Gericht wollte kurzen Prozess machen, doch es wurde von Anträgen der Angeklagten überrascht und diese waren nach zwei weiteren Monaten immer noch nicht beschieden.
Welcher Antrag das Fass zum überlaufen brachte ist nicht bekannt. Ob es der Antrag auf Pflichtverteidigung wegen der schwierigen Rechtslage war? Oder der Antrag auf Ermöglichung einer rollstuhlgerechten Anreise mit Taxigutschein für den nicht barrierefreien Abschnitt der Reise? Das verrät das Gericht nicht. Es teilte mit, ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehe nicht (mehr).
„Die Einstellung ist eine gute Sache. Ich habe daher zugestimmt. Ich habe lieber mehr Zeit für weitere politische Aktionen für Behindertengerechtigkeit und Klimagerechtigkeit. Ich frage mich jedoch, worin das öffentliche Interesse an der Verfolgung jemals bestanden hat. Denn Klimaschutz ist kein Verbrechen, sondern im Sinne der Allgemeinheit.“
Lützi lebt – in unseren Herzen weiter.
Einstellung des Strafverfahrens gegen Demosanitäterin Iza Hofmann / Lützerath
LÜTZERATH Das Strafverfahren gegen die in Lützerath aktiv gewesene Demonstrationssanitäterin Iza Hofmann ist eingestellt worden. Das bestätigt die Initiative „Lützerath Lebt“ unter Berufung auf Hofmanns Anwältin. Im Januar 2023 ist die damals 18-Jährige als Pressesprecherin des Sanitätskollektivs Lützerath aufgetreten und hat unter Anderem auf einer Pressekonferenz über die Verletztenzahlen der Großdemonstration am 14.01.2023 berichtet.
Im Zuge der Räumung des Dorfes Lützerath am Rande des Braunkohletagebaus Garzweiler ll im Januar 2023 fand die Demonstration mit über 35.000 Teilnehmer*innen in der Nähe der Ortschaft statt. Während zahlreiche Demonstrierende versuchten, das Dorf zu betreten, um sich der Räumung in den Weg zu stellen, griff die Polizei mit teils massiver Polizeigewalt zu. Dabei kam es nach Angaben des Sanitätsdienstes zu einer hohen zweistelligen Zahl an Verletzen. Die Sanitäter*innen der Demonstration stellten insbesondere fest, dass die Demonstrant*innen eine hohe Anzahl an Kopfverletzungen durch Schlagstöcke aufweisen – was im Widerspruch zur polizeilichen Anweisung steht, zuerst auf die Extremitäten zu schlagen. Mit der Nennung dieser Daten erregte Hofmann auf einer Pressekonferenz von Lützerath Lebt eine hohe Aufmerksamkeit und entfachte das Thema Polizeigewalt in den Medien neu.
Ende Februar 2023 wurde bekannt, dass gegen die Sanitäterin ein Strafverfahren eröffnet wurde. Über ein Jahr später gab die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach bekannt, das Verfahren nun ohne Auflagen einzustellen. Eine Überraschung für die Demosanitäterin – und eine Enttäuschung: „Schade, ich hatte mich gefreut auf das Verfahren“, gibt Hofmann bekannt. Laut eigener Angabe habe sie sogar versucht, Rechtsmittel gegen die Einstellung einzulegen. Weiter sagt sie dazu: „Das wäre ein Gerichtsprozess, in dem das Ausmaß der Polizeigewalt bewiesen werden könnte. Und somit eine gerichtliche Feststellung, dass die Polizei am 14.01.2023 unverhältnismäßig und brutal vorgegangen ist!“