Vom Zauber der Eiben und der Geschichte der Eibenkapelle

Werden auch Maria und das Jesuskind aus Lützerath vertrieben werden?

Es gibt ein kleines ökumenisches Gotteshaus in Lützerath, genauso improvisiert und fragil wie manches von den Strukturen der Aktivisti, die in Lützerath von Neuem versuchen, was an den zweitausend Jahre alten Lebensentwurf der Apostelgeschichte erinnert: Alle aber, die Vertrauen gefasst hatten, waren zusammen und teilten alles, was sie hatten. Sie verkauften ihren Besitz und ihr Vermögen und verteilten den Erlös an alle, je nachdem jemand Not litt.

Die fünfeckige Einfassung direkt am Ortseingang wird seit ihrer Wiederentdeckung im Sommer 2021 „Eibenkapelle“ genannt. Alte Karten zeigen an dieser Stelle ein kleines, als Gotteshaus gekennzeichnetes Gebäude. In den 1850er Jahren wurde hier ein Wegekreuz aufgestellt. Die Vorgänger des inzwischen vertriebenen Bauern Eckhardt Heukamp haben das Grundstück der Kirche geschenkt. Bis heute gehört es zum verbliebenen Fonds der aufgehobenen und abgebaggerten Pfarre Immerath. Der verantwortliche zentrale Pfarrer in Erkelenz weigert sich, den Nutzungsvertrag mit dem Energiegiganten RWE Power AG zu kündigen.

Die Eibenkapelle hat ihren Namen von einem Kranz von Eiben, die wie schützend rings um die Einzäunung wachsen. Die alten Bäume wölben sich wie ein Dach über dem gemauerten Fünfeck und schaffen einen Eindruck von Geborgenheit und Bewohntheit – trotz der Schaufelradbagger, die sich in etwa zweihundert Metern Entfernung Tag und Nacht drehen und die Zerstörung des gemeinsamen Hauses Erde befeuern.

Der lange verlassene Ort wird mittlerweile von den unterschiedlichsten Menschen gepflegt und ist mit Zeugnissen ihres persönlichen Glaubens geschmückt: Neben einer kleinen Buddhastatue aus dem indischen Patna stehen hier ein Franziskus aus Belo Horizonte in Brasilien, ein Foto der von Bodenspekulanten ermordeten brasilianischen Ordensfrau Dorothy Stang, eine Dreifaltigkeitsikone, eine Marienikone und eine von einem Menschen im Revier geschaffene moderne Ikone, die vom „Hambiretter“ Arnold von Arnoldsweiler erzählt. Beim vorläufig letzten Gottesdienst in der Keyenberger Kirche entzündete ein jugendlicher Aktivist am ersten Advent 2021 ein Licht an deren verlöschendem ewigen Licht und brachte es in die Eibenkapelle, wo es seitdem brennt.

Am 1.8.2021 kam hier der ca. 420 km lange Kreuzweg für die Schöpfung mit einem gelben Kreuz an. Das Kreuz wurde zu Fuß von Gorleben bis zu diesem Standpunkt im Rheinischen Braunkohlerevier getragen. Als der protestantische Bischof von Hannover von der Wiederentdeckung der kleinen Kapelle erfuhr, sprach er von einem „Fingerzeig“ Gottes.

Doch NRW-Innenminister Reul zieht wieder in den Kampf für CO2-Emmissionen, obwohl der Rechtstreit um den von ihm verursachten, bis dato teuersten Polizeieinsatz in NRWs Geschichte noch nicht ausgestanden ist. Das Verwaltungsgericht Köln betrachtet die Räumung des Hambacher Waldes als rechtswidrig; mit brachialer Verwaltungsgewalt musste der Minister die Stadtverwaltung und den Rat Kerpen zwingen, gegen dieses Urteil Berufung einzulegen. Die grüne Vorarbeit von Minister Habeck und Ministerin Neubaur nutzte ihm zunächst nichts, sein eigener Parteifreund, der Erkelenzer Bürgermeister Muckel, weigerte sich, die Polizei Aachen für die Räumung Lützeraths anzufordern, bis der Heinsberger Landrat Pusch die Räumungsverfügung schließlich unterzeichnete.

In Aachen ist die Polizei dennoch längst auf den Einsatz vorbereitet. Und so bleibt bei allen, denen die Zukunft der Schöpfung am Herzen liegt, die bange Frage: Wird das Jesuskind (auf der Muttergottesikone) nach Weihnachten, im Januar, aus Lützerath geräumt werden?

Aktive Menschen der ökumenischen Initiative DIE KIRCHE(N) IM DORF LASSEN feiern hier regelmäßig Gottesdienst und haben bereits angekündigt, dass sie in den drohenden letzten Tagen dieser Kapelle dort bis zum Ende ausharren wollen.

In alter Zeit sagte man den Eiben nach, sie besäßen die Macht, das Böse abzuwehren. Ob ihr Zauber auch in Lützerath wirkt?

 

Anselm Meyer-Antz / Die Kirche(n) im Dorf lassen

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