Erklärung der Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ zum Besuch von Armin Laschet beim „Abend der Hoffnung“ im Münsteraner Dom

In der Initiative „Kirche im Dorf lassen“ engagieren wir uns als Christ*innen für den Erhalt der bedrohten Kirchen im Rheinischen Braunkohlerevier und betrachten diesen Einsatz als untrennbar verbunden mit dem Kampf für globale Klimagerechtigkeit. Die Kirchen, aber auch Wälder und fruchtbares Ackerland sollen Braunkohle-Tagebauen weichen. Dabei ist klar: die Klimakatastrophe, die wir bereits erleben, macht einen Kohleausstieg unbedingt notwendig. Einzig für die Wirtschaftsinteressen eines großen Energiekonzerns wie RWE sollen Kirchen und Dörfer zerstört werden, Wasser trotz anhaltender Dürre in ungeheuren Mengen verschwendet werden und weitere Menschen ihr Zuhause verlieren.

Die Landesregierung unter Armin Laschet steht in diesem Konflikt ganz eindeutig auf der Seite von RWE, verweigert selbst das Gespräch mit den Betroffenen der vom Abriss bedrohten Dörfer und Kirchen und macht sich zur Vertreterin der Konzerninteressen. Auch die Kirchenvertreter der Bistümer Köln und Aachen fahren einen ähnlichen Kurs: Entscheidungen werden über die Köpfe der Christ*innen getroffen, die in den Dörfern bleiben möchten, Kirchengebäude an RWE verkauft und entwidmet. Das stößt bei vielen Menschen, die entschlossen sind, in ihren Dörfern auszuharren und widerständig zu bleiben, auf massives Unverständnis. Es steht auch im eklatanten Widerspruch zur Klimaenzyklika Laudato Si, wo es etwa heißt: „Wenn die Politik nicht imstande ist, eine perverse Logik zu durchbrechen, und wenn auch sie nicht über armselige Reden hinauskommt, werden wir weitermachen, ohne die großen Probleme der Menschheit in Angriff zu nehmen“. Nichts am Handeln der von Armin Laschet geführten NRW-Landesregierung deutet darauf hin, dass sie bereit ist, die Logik der Zerstörung durch den Kohletagebau und die massiven ökologischen wie sozialen Folgen, die das mit sich bringt, auch nur im Ansatz in Frage zu stellen.

Umso unpasssender erscheint es uns als Christ*innen, die aufgrund dieser Entwicklungen massiv besorgt sind, wenn der heutige Vortrag, den Armin Laschet gleich im Dom halten wird, den Titel „Mit Tatkraft und Zuversicht“ trägt, ja es klingt geradezu wie ein Hohn. „Tatkraft und Zuversicht“ um den Kohletagebau zu stoppen und sinnvolle Beschäftigungen für die zu schaffen, die dann ihre Arbeit verlieren, um das Rheinische Braunkohlerevier sinnvoll weiter zu beleben, die sozialen Räume dort zu erhalten und die ökologischen Schäden der letzten Jahrzehnte langsam rückgängig gemacht, das wünschen sich viele Menschen dort. Sie wissen aber mittlerweile sehr gut, dass sie diese Form der „Tatkraft und Zuversicht“ von Herrn Laschet und seiner Regierung nicht erwarten können. Deren Tatkraft beschränkt sich darauf, RWE freie Hand und staatlichen Schutz zu gewähren und nicht zu verhindern, dass auch noch dort Dörfer zerstört und abgerissen werden sollen, wo die Bagger nicht mehr hinkommen werden. Und „Zuversicht“ bedeutet bei der Landesregierung dann vor allem ein „Weiter so!“ und „Es wird schon nicht so schlimm werden“ im Bezug auf die Klimakatastrophe.

Umso bitterer ist, dass die Kirchen, deren deutliche Worte zur Situation im Rheinischen Braunkohlerevier seit Jahren ausbleiben, auch weiter keine Bereitschaft erkennen lassen, Herrn Laschet mit den zerstörten Hoffnungen der Menschen, deren Dörfer abgebaggert werden zu konfrontieren oder mit den fatalen Folgen, die die Klimapolitik von NRW global hat. Stattdessen hat man sich entschlossen ihm hier im Dom eine Bühne für seine Selbstdarstellung zu bieten – und das auch noch mitten im Wahlkampf. Er wird hier sicher davon erzählen wie gut NRW Corona gemeistert habe und wie man um die Gesundheit der BürgerInnen besorgt sei.

Welch ein Hohn, angesichts der Tatsache, dass die massive Feinstaubbelastung, der die Menschen, die am Rande der gigantischen Tagebaue im Rheinischen Braunkohlerevier leben, Tag für Tag ausgesetzt sind und deren gesundheitliche Folgen offenbar kein Anlasse zur Besorgnis für Armin Laschet und seine Regierung darstellen. Auch diesen Aspekt scheinen die OrganisatorInnen der Veranstaltung übersehen zu haben oder – noch schlimmer – er spielt auch für sie keine Rolle. Wie die Tatsache, dass die Landesregierung die Coronakrise auch schamlos genutzt hat, um im Windschatten die Inbetriebnahme des klimaschädlichen Kohlekraftwerks Datteln IV voran­zu­treiben, weil klar war, dass coronabedingt der massenhafte Protest auf der Straße ausbleiben würde.

Als Christ*innen sind wir empört und entsetzt, dass durch den thematischen Zuschnitt der heutigen Veranstaltung all diese Themen, bei denen es substantiell um das Leben und die Bedürfnisse der Menschen und die Bewahrung der Schöpfung geht, keine Rolle spielen.

Ein „Abend der Hoffnung“ ist das nicht, vielmehr ein Abend der bitteren Konfrontation mit der traurigen Realität, in der das Bündnis von Wirtschafts- und Staatsinteressen leider immer noch viel zu oft auf die unkritische Unterstützung durch die verfassten Kirchen zählen kann.

Für uns geht Hoffnung ganz anders: sie entsteht dort, wo sich Christ*innen und Nicht-Christ*innen in einem gemeinsamen Geist auf den Weg machen, gegen die herrschenden Zustände etwa im Rheinischen Braunkohlerevier zu protestieren und in ihrem Widerstand mögliche Alternativen aufscheinen. Solche Hoffnungsmomente haben wir vor einiger Zeit im Hambacher Wald erlebt, am letzten Sonntag bei unsrem gemeinsamen Gottesdienst mit AktivistInnen von Ende Gelände und Alle Dörfer bleiben mitten auf der bereits abgebaggerten und eigentlich gesperrten Straße L277 oder auf der Mahnwache in Lützerath, die zu einem Begegnungsort von sehr unterschiedlichen Menschen geworden ist, die aber der gemeinsame Einsatz für Klimaschutz eint! Diese Hoffnung von unten werden wir den zerstörerischen Plänen von Landesregierung und RWE weiter entgegensetzen. Und gerade in diesem Tun verwirklicht sich für uns etwas vom Auftrag an die Kirche als Nachfolgegemeinschaft Jesu!

Tagebaubetroffene kritisieren NRW-Ministerpräsident Laschet: „Er unterstützt die Falschdarstellungen von RWE“

Irreführende Zahlen zum Stand der Zwangsumsiedlungen am Tagebau Garzweiler

Wir wollen bleiben und werden dafür kämpfen!“

Erkelenz, 23. Januar. Anlässlich der Rede des Ministerpräsidenten Armin Laschet vor dem Nordrhein-Westfälischen Landtag zum neuen Kohleausstiegsplan kritisiert das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ den Ausstiegsplan und die Politik des Ministerpräsidenten scharf. Noch sechs weitere Dörfer im Raum Garzweiler sollen laut dem vergangene Woche in Berlin vereinbarten Plan für den Braunkohleabbau zerstört werden, die Zukunft der Dörfer Manheim und Morschenich am Tagebau Hambach bleibt ungewiss. Armin Laschet wiegelt die Verantwortung für die Zerstörung der Dörfer auf die Bundesregierung ab und brachte irreführende Zahlen zum Stand der Umsiedlungen in Umlauf.

„Wir in den Dörfern sind entsetzt, wie Herr Laschet sich seiner Verantwortung für den geplanten Abriss der Dörfer entzieht. Er weiß sehr wohl, wie sehr die Menschen hier unter der Zerstörung ihrer Heimat leiden, er hat uns besucht und seine Unterstützung zugesichert. Danach haben wir ihn nie wieder gesehen“, so Britta Kox aus dem bedrohten Dorf Berverath. „Letzte Woche hat er auch noch überhöhte Zahlen zum Stand der Umsiedlungen in den Raum geworfen und unterstützt so die Falschdarstellungen von RWE, dass hier angeblich kaum noch jemand lebe. RWE und Laschet wollen, dass unsere Heimat verschwindet. Aber unsere Dörfer sind lebendig und sollen es auch bleiben!“

In einem Interview mit dem WDR hatte Armin Laschet behauptet, es seien „zum Teil schon 70% der Menschen umgesiedelt“. Tatsächlich leben durchschnittlich 60% der ursprünglichen Einwohner*innen in den Dörfern, trotz unsicherer Zukunftsaussichten haben 40% der Hauseigentümer*innen in den Dörfern Keyenberg, Kuckum, Berverath und Ober- und Unterwestrich dem Verkauf an den Braunkohlekonzern RWE noch nicht zugestimmt. 18% aller Bewohner*innen verweigern die Verhandlungen mit RWE.

Trotz Einigung über einen Verkauf wohnen viele Menschen weiterhin in ihren Dörfern. Auch viele, die bereits weggezogen sind, wären erleichtert, wenn ihre alte Heimat erhalten bliebe und machen Pläne, wie sie ihre Häuser zurückkaufen könnten, so Martina Himmelreich, die ehemals in Unterwestrich wohnte: „Meine Mutter hat mit über 80 Jahren ihr Zuhause verlassen müssen. Das ist ihr sehr schwer gefallen, einen alten Baum verpflanzt man nicht. Wenn unser Haus stehen bleiben könnte, wäre uns das ein Trost.“

David Dresen aus dem bedrohten Dorf Kuckum: „Laschet und RWE versuchen, die Zwangsumsiedlungen als ‚sozialverträglich‘ darzustellen. Fakt ist aber: die Menschen in den bedrohten Dörfern werden krank, sterben früher und die Dorfgemeinschaften werden durch die Umsiedlung auseinandergerissen, denn nur 30% ziehen an den neuen Ort. Das können wir nicht hinnehmen – erst recht nicht in Zeiten der Klimakrise, in der wir sofort aus der Braunkohle aussteigen müssten. Wir wollen bleiben und wir werden dafür kämpfen, dass unsere Dörfer und damit auch das Klima gerettet werden!“

„Alle Dörfer bleiben“ ist ein deutschlandweites Bündnis durch Braunkohletagebau bedrohter Dörfer. Nachdem die Einigung zum Ausstiegsplan am 16.1. bekannt wurde, erhielten die Dörfer Unterstützungszusagen von Umweltverbänden und der Klimabewegung, wie Fridays for Future und Ende Gelände. Das Bündnis kündigt Widerstand mit zahlreichen Aktionen in den kommenden Monaten an und lädt zum 8. März zum Dorfspaziergang in Keyenberg bei Erkelenz ein. Keyenberg soll 2023 für den Braunkohleabbau zerstört werden.

Brief an Armin Laschet: „Wir nehmen Ihren Versuch der Grundrechtseinschränkung nicht hin.“

An
Herrn Ministerpräsident Armin Laschet
– Landesregierung NRW –
Platz des Landtags 1
40002 Düsseldorf

Betrifft: Gesetz zum Kohleausstieg

Sehr geehrter Herr Laschet!
Sie lassen in den Entwurf des genannten Gesetzes eintragen, daß der Braunkohle- Tagebau Garzweiler II aus energiepolitischen Gründen im bisher vorgesehenen Ausmaß ausgekohlt werden soll.
Sie wollen per Bundes-Gesetz (!) einem einzelnen Tagebau im Bereich NRW Bestandsgarantie geben lassen und wollen dem Betreiber RWE-Power uneingeschränktes Recht auf vollständige Ausbeute geben lassen.
Sie verfügen damit über ein Bundesgesetz die Zerstörung einer jahrtausende alten Kulturlandschaft einschließlich aller damit verbundenen Folgeschäden für Klima, Wasser, Boden, Luft. Sie verwehren den Betroffenen im geplanten Abbaubereich den Klageweg auf Landesebene. Sie können wissen, dass das Bergrecht Braunkohle aufgrund seiner Überarbeitung im 3. Reich repressiv ist. Sie scheuen sich nicht, den Betroffenen den durch das Grundgesetz garantierten Rechtsschutz zu verwehren. Zusätzlich schränken Sie den Geltungsbereich der Justiz für eine „Sonderzone RWE“ ein.
Der Beifall der polnischen Regierung ist Ihnen gewiss.
Wir nehmen Ihren Versuch der Grundrechtseinschränkung nicht hin. Wir nehmen nicht hin, daß Sie das Ziel des Gesetzes „Schutz des Lebens“ durch Ihre weitere Förderung von Kohleverstromung (mit Datteln obendrauf) unterlaufen.

Freundliche Grüße

Lutz Dittmar, Pfarrer i.R., Erkelenz

Offener Brief der Intitiative „Alle Dörfer bleiben“ an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

 

derzeit verhandelt das BMWi mit der RWE Power AG über die frühen Abschaltungen von 3,1 GW Kraftwerkskapazitäten in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 2022. Das BMWi verhandelt damit sowohl über die Zukunft der fünf vom Braunkohlebergbau bedrohten Dörfer Keyenberg, Kuckum, Unterwestrich, Oberwestrich und Berverath am Tagebau Garzweiler II, als auch über die Zukunft vieler Menschen weltweit. Mit auf dem Verhandlungstisch liegt die Frage, ob Deutschland seine Klimaziele wird einhalten können. Wenn die Braunkohle, die jetzt unter unseren Dörfern liegt, noch verbrannt würde, dann wird Deutschland seinen Beitrag zur unbedingten Einhaltung der international anerkannten und absolut dringenden 1,5°-Grenze nicht leisten.

Sie waren vor knapp einem Jahr als erster Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens zu Besuch bei uns in den Dörfern, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Das rechnen wir Ihnen hoch an. Bei Ihrem Besuch auf unserem Bauernhof haben Sie auch meinen 82jährigen Großvater kennengelernt. Dieser Mann wählt sein gesamtes Leben lang die CDU. Er hat Ihnen wortwörtlich gesagt „Ich möchte lieber sterben, als mit anzusehen, wie meine Heimat vernichtet wird“. Spätestens seit diesem Tag wissen Sie ganz genau, wie schmerzhaft für uns der Verlust unserer Heimat ist. Auch in den Orten Manheim und Morschenich am Tagebau Hambach gibt es Menschen, die weiterhin in ihren Dörfern leben möchten, dorthin zurückkehren wollen und den Wunsch haben, dass ihre Dörfer nicht zerstört werden.

Niemand ist hier freiwillig gegangen. Der Druck, den RWE auf die Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner ausübt, ist enorm. Nachdem weder Ihre Vorgänger noch Sie und Ihre Landesregierung uns zur Seite gestanden haben, haben sich mittlerweile viele Menschen schweren Herzens der Zwangsumsiedlung gebeugt. Manche ziehen in die Neubausiedlung, andere in bestehende Dörfer und wieder andere bleiben vorerst im alten Ort wohnen. Ihnen ist jedoch gemein, dass sie gegen die Zerstörung ihres Heimatortes sind. Die große Mehrheit der Betroffenen möchte nicht, dass die eigene Vergangenheit vollständig ausgelöscht wird, um für immer in einem riesigen Loch zu verschwinden.

Am 28.08.2019 sagten Sie in einer Pressemitteilung der Staatskanzlei, Nordrhein-Westfalen sei bereit, beim Klimaschutz Tempo zu machen und beim Kohleausstieg entschlossen voranzugehen. Dieses Signal haben wir sehr begrüßt und es hat uns Hoffnung gemacht. Aber während der designierte Ministerpräsident Herr Dietmar Woidke in Brandenburg sich mutig zum Erhalt der dortigen Dörfer positioniert und auch in Sachsen die Chancen steigen, dass Pödelwitz erhalten bleibt, hängt Nordrhein-Westfalen meilenweit hinterher. Anstatt, wie im Kohlekompromiss angekündigt, schnellstmöglich 3,1 GW im rheinischen Revier abzuschalten, steht momentan zur Debatte, dass nur 2,4 GW Kraftwerkskapazitäten abgeschaltet werden. Und auch zum Erhalt der bedrohten Dörfer am Tagebau Garzweiler II fiel bisher kein Wort. Das ist menschlich und klimapolitisch eine Katastrophe. Vorangehen sieht anders aus.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, setzen Sie sich gegen die Zerstörung unserer Heimat durch den klimaschädlichen Braunkohleabbau ein. Ergreifen Sie diese Chance. Sie können mit Ihrer Entscheidung Geschichte schreiben:

  • Erwirken Sie eine Bestandsgarantie für die bedrohten Dörfer Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath.
  • Setzen Sie sich dafür ein, dass in der frühen Runde des Kohleausstiegs mindestens 3,1 GW bis 2022 in den Kraftwerken Neurath und Niederaußem stillgelegt werden.
  • Bringen Sie eine Leitentscheidung auf den Weg, die zukunftsorientiert und weitsichtig ist. Verkleinern Sie die Tagebaue auf Grenzen, die der Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze gerecht werden und damit Planungssicherheit für einen demokratischen, sozial gerechten und ökologischen Wandel im Rheinischen Braunkohlerevier ermöglicht.

 

Mit freundlichen Grüßen,
David Dresen
im Auftrag der Initiative Alle Dörfer bleiben

Diesen Brief erhalten neben Ihnen auch noch Herr Peter Altmaier sowie die Fraktionsvorsitzenden der CDU-, SPD-, FDP- und Bündnis 90/Die GRÜNEN-Fraktionen im Landtag NRW zur Kenntnis.