SOS aus Lützerath!

Liebe Menschen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung!

Wir schreiben Euch aus Lützerath, wo wir seid 3 Monaten – auch mit vielen von Euch – zusammen gekämpft, geweint, gelacht und uns für das gute Leben für Alle stark gemacht haben.
Nun, 1 Tag nach dem Beginn des Lockdowns, hat RWE hunderte Bäume gefällt und ist in einem Wahnsinnstempo vorgerückt:
Gestern wurde die Allee an der L277 gerodet, heute wurden wir überrumpelt und es ist gefühlt schon halb Lützerath abgeholzt.

(Video von heute aus Lützi: https://twitter.com/MaWaLuetzerath/status/1324057521208889348, das (fast veraltete) Video zu Tag X hier: https://twitter.com/AlleDoerfer/status/1322883253834047490 )

RWE steht somit quasi direkt vor unserer Tür, wo wir in den letzten Monaten solidarische Strukturen, einzigartige Netzwerke und innige Freundinnenschaften entstehen haben lassen. Wenn es in dem Tempo weitergeht, wird Lützerath zum Geisterdorf, lange bevor die Bagger kommen.
In den letzten Tagen waren zwar einige Leute hier, aber wir sind viel zu wenige: Besonders Menschen, die bereits Aktions-Erfahrungen haben, würden uns extrem helfen, am besten natürlich, wenn sie direkt als Bezugsgruppen anreisen. Auch niedrigere Aktionslevel und Einzelpersonen sind aber sehr herzlich willkommen!
Seid spontan, packt Euren Rucksack, und kommt gerne schon morgen, oder in den nächsten Tagen vorbei, wenn ihr es heute nicht mehr schafft 😉

Versorgungsstrukturen sind da – bringt einfach Isomatte und Schlafsack & warme Klamotten mit. Wir sind viel draußen, dezentral und haben ein Corona-Konzept.
Wir brauchen jetzt dringend Unterstützung – jede weitere Hand & jede Stunde macht einen grossen Unterschied. Heute ist es uns ein wenig gelungen, die Zerstörung zu verlangsamen – aber morgen und übermorgen soll es weiter gehen. Das wollen wir unbedingt verhindern.
Der jetzige Kampf um Lützerath ist ein starkes Symbol für die anderen Dörfer in der Region und dafür, dass die Kohle ab sofort im Boden bleiben muss.Bitte lasst uns, Lützerath, seine Bäume und die Mahnwache nicht im Stich!Für Fragen und/oder, wenn ihr Bescheid sagen wollt, dass; wann und mit wievielen ihr kommt, ruft das Mahnwachenhandy an: 015201339091
Alle Dörfer bleiben !
Alle Bäume bleiben !
Wir bleiben !

Die Kirche(n) im Dorf lassen: Pressemitteilung zu den Vorfällen während des Gottesdienstes auf der L277 anlässlich der Rodungsarbeiten

Mit Prozession und Gottesdienst auf der zerstörten L277 protestierte am frühen Dienstagmorgen die Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ gegen die Baumfällungen durch RWE. Entgegen der Darstellung der Polizei, sie hätten das Verlassen des Ortes und die Angabe ihrer Personalien verweigert, wurde die Prozession mehrfach aktiv an der Rückkehr nach Keyenberg gehindert und ohne Frage nach Personalien in Gewahrsam genommen.

Die Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ hat am Vorabend der Fällungen an der L277 dort zu einem Gottesdienst eingeladen, zu dem trotz schweren Regens Dutzende Menschen kamen.

„Wir haben den klaren Auftrag, die Schöpfung zu bewahren. Daran hat uns nicht zuletzt Papst Franziskus in der Enzyklika laudato si erinnert,“ so die reformierte Theologin Cornelia Senne.

Am frühen Dienstag morgen ging eine Gruppe von ca. 30 Menschen, eine davon im Rollstuhl, als Prozession mit gelbem Kreuz in Richtung der erwarteten Fällarbeiten. Sie gelangte ohne Schwierigkeiten über Feldwege auf die nicht eingezäunte L277. Begleitet wurde sie aus der Luft von einem Helikopter, vor Ort von je einem Fahrzeug von Polizei und RWE-Security, ohne dass diese eingriffen. Auf der Straße hielt die Prozession Gottesdienst mit Liedern und Lesungen. Ein Mensch aus der Gruppe kletterte auf einen Baum und hängte ein Transparent auf.

Im ersten Tageslicht kamen massive Polizeikräfte, die den Gottesdienst umstellten. Entgegen der Darstellung der Polizei wurden mehrfachen Versuche, den Ort als Prozession wieder zu verlassen, unterbunden. Die Fällarbeiten entlang der Straße hatten inzwischen eingesetzt und näherten sich dem Gottesdienst.

„Wir sangen Hoffnung wider alle Hoffnung. Dabei fielen die Bäume im Minutentakt, wir mussten alles mit ansehen“, berichtet eine Teilnehmerin.

Schließlich nahm die Polizei die Gruppe unter dem Vorwurf des Hausfriedensbruchs in Gewahrsam. Zu diesem Zeitpunkt wurde – entgegen der Darstellung der Polizei – nicht nach Personalien gefragt. An einer improvisierten Sammelstelle wurden dann Personalien erfaßt, die von von den meisten umstandslos abgegeben wurden. Einige allerdings verweigerten ihre ID. Es wurden Platzverweise erteilt sowie Leibesvisitationen vorgenommen – auch an sich ausweisenden Menschen:

„Ich wurde behandelt wie eine Verbrecherin, durchsucht und angefasst. Es war schrecklich“, berichtet eine ältere Teilnehmerin.

Denjenigen, die ihre Identität verweigerten, wurde der Transport in die Gefangenensammelstelle Aachen angekündigt. Allerdings mussten gegen Mittag alle auf richterliche Anordnung freigelassen werden.

Die Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ protestiert gegen solche Behandlung von Menschen, die sich aus christlicher Überzeugung gegen die sinnlose Zerstörung der/von Schöpfung stellen. An der alten L277 wurden am Dienstag innerhalb weniger Stunden Hunderte von Bäumen gefällt. Damit hat RWE nach der „Roten Linie“, der L277 auch die „Grüne Linie“, die sich über 3 km hinziehende Doppelreihe der Alleebäume zerstört, die die Menschen der Region noch vor dem Tagebau geschützt hat.

Wie rücksichtslos RWE mit den Menschen vor Ort umgeht, zeigt der – sicher nicht zufällig an diesem Tag vorgenommene – Abriss des „Kreuzes von Immerath“, das am Samstag am Ort des zerstörten Immerather Domes aufgerichtet worden war. Über hundert Menschen haben dort Messe gefeiert und am Vorabend von Allerheiligen der (umgebetteten) Toten gedacht. Die Predigt sprach von der Zerstörung des Tempels und der Hoffnung auf seinen Wiederaufbau:

„Die Zerstörung und Vertreibung hier in Immerath ist Teil der weltweiten Zerstörung, die uns immer weiter in die Klimakatastrophe treibt. Wir sind als Christinnen aufgerufen, uns dem mit allen Kräften entgegenzustellen.“

Kontakt: www.kirchen-im-dorf-lassen.de

Pressemitteilung (Buirer für Buir, BUND NRW, Klima-Allianz): Eine Zukunft für den Hambacher Wald

Kritik an Entwurf der Braunkohlenleitentscheidung / Forderung nach „Hambi“-Rückkauf und besserem Schutz / „Bürger*innenregion Hambacher Wald“ etablieren

Düsseldorf | Im Vorfeld der von der Landesregierung geplanten zweiten so genannten Dialogveranstaltung zur neuen Leitentscheidung Braunkohle im Rheinischen Revier kritisieren Vertreter und Vertreterinnen von Umweltverbänden, Bürgerinitiativen und Wissenschaft die geplanten Festlegungen für den Tagebau Hambach. Die Regelungen seien unzureichend, dauerhaften Schaden vom Hambacher Wald und den übrigen Bürgewäldern abzuwehren und Perspektiven für einen ökologischen Strukturwandel der Region zu eröffnen.

„Armin Laschet feiert sich selbst als Retter des Hambacher Waldes, will aber keine sicheren Grundlagen für dessen dauerhaften Erhalt und eine ökologische Vernetzung aller Restwälder schaffen“, kritisiert Dirk Jansen, NRW-Geschäftsleiter des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Es ist ein Unding, dass Laschet weiterhin bis auf 50 Meter an den Waldrand heranbaggern lassen will.“ Die Waldfunktionen könnten nur langfristig gesichert werden, wenn eine Vernetzung mit den anderen Waldbereichen (Merzenicher Erbwald, Steinheide) ermöglicht werde. „Dies setzt aber voraus, dass die geplante Gewinnung von Abraummassen östlich des Hambacher Waldes zur Verkippung im Restloch unterbunden wird. Die Verinselung des Hambi muss gestoppt werden“, so Jansen. Ferner müssten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, die Hambacher Wälder zum Kern eines revierweiten Biotopverbundsystems zu machen.

Die Restflächen der so genannten Bürgewälder im Bereich des Braunkohlenplans Hambach umfassen eine Fläche von etwa 650 Hektar. Sie weisen große Bestände des eigentlich europarechtlich streng geschützten Maiglöckchen-Stieleichen-Hainbuchenwaldes auf und sind Lebensraum für viele geschützte Arten. „Statt zu reden, muss Laschet jetzt endlich handeln“, fordert Jansen. „Wir erwarten, dass die Landesregierung den Wald jetzt von RWE zurückkauft, ihn in eine Stiftung überführt und umgehend zur Ausweisung als europäisches FFH-Schutzgebiet vorschlägt.“

Die Leitentscheidung trägt zur weiteren Verschlechterung des Zustandes des Hambacher Waldes bei, zeigt ein von der Klima-Allianz Deutschland beauftragtes Gutachten von Prof. Dr. Pierre Ibisch, Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE). „Der nachhaltige Schutz des ökologisch-wertvollen Hambacher Waldes wurde im Kohlegesetz auf Bundesebene festgelegt. Er ist zugleich ein wichtiges Zeichen für einen Kohleausstieg in Übereinstimmung mit dem Paris-Abkommen. Die Landesregierung darf sich nicht aus der Verantwortung für den Erhalt des Hambacher Waldes stehlen.“, sagt Jasmin Ziemacki, Expertin für Kohlepolitik bei der Klima-Allianz Deutschland. „Sie kann den Hambacher Wald nicht erhalten, wenn der Restwald in Insellage zwischen Tagebau und Kiesgruben sowie landwirtschaftlichen Flächen verbleibt“, so Ziemacki.

„Die Rekultivierung von Tagebau- und Abgrabungsflächen durch Bepflanzung und Wiederbewaldung könnte schon nach einigen Jahren eine substantielle Kühlung der Landschaft erzielen. Hierbei handelt es sich um eine ohnehin in der Kölner Bucht dringend benötigte Maßnahme der ökosystembasierten Klimawandelanpassung“, so Prof. Dr. Pierre Ibisch, Direktor des Centre for Econics and Ecosystem Management der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Laut Ibisch sollte die Leitentscheidung Maßnahmen zum Schutz des Hambacher Waldes konkretisieren. Insbesondere die geplante Massengewinnung im Umfeld des Waldes gefährdet seinen dauerhaften Erhalt und macht ihn anfälliger gegenüber Hitze- und Trockenstress in der Zukunft. „Bei der Erarbeitung der Leitentscheidung ist offenkundig keinerlei landschaftsökologische Expertise eingeflossen.“, so Ibisch weiter. Vielmehr müsse die Leitentscheidung die Anpassung an die sich rasch verändernden Klimabedingungen mit potenziell katastrophalen Konsequenzen für die Funktionstüchtigkeit von Ökosystemen thematisieren und strategische Maßnahmen entwerfen.

„Der Hambacher Wald ist das Symbol für den Wandel im Rheinischen Revier. Er entfaltet seine Strahlkraft weit über die Region hinaus und sein dauerhafter Erhalt ist wichtig: sowohl für den sozialen Frieden als auch die Gestaltung nachhaltiger Zukunftsperspektiven für die Kommunen Merzenich und Kerpen. Wir können uns keine weiteren Flächenverluste mehr leisten und brauchen Planungssicherheit, denn der Strukturwandel findet jetzt statt“, sagt Antje Grothus, Gründungsmitglied der Initiative Buirer für Buir. „Deshalb braucht die Region um den Hambacher Wald auch jetzt das klare Signal der Landesdesregierung, dass keine Flächen jenseits der von RWE aufgeschütteten Wälle mehr zerstört werden.“

Grothus fordert, dass die bergbauliche Abraumgewinnung und Kiesgrubenerweiterungen und -neuaufschlüsse ausgeschlossen werden. Die Gebäude in Manheim und Morschenich, aber auch die die alte Trasse der Autobahn A 4 müssten einer sinnvollen Nachnutzung zugeführt werden. „Der Raum zwischen der Steinheide im Nordosten und dem Merzenicher Erbwald im Südwesten ist prädestiniert um als Bürger*innenregion Hambacher Wald den Strukturwandel erfahrbar zu machen und die Talente des Raumes gemeinsam zu heben“, ergänzt das ehemalige Mitglied der Kohlekommission.

Diese Talente lägen in der durchgehenden Waldvernetzung für Naherholung und Klimaschutz, ebenso wie in touristischer und landwirtschaftlicher Nutzung. In Wandelwerkstätten müssten beide Kommunen gemeinsam mit der Bürgerschaft und Zivilgesellschaft Leitbilder und den zurückgewonnenen Raum entwickeln, denn Strukturwandel sei eine Gemeinschaftsaufgabe.

Einhellig ist die grundsätzliche Kritik der Verbände und Initiativen an der Braunkohle-Leitentscheidung. Dieser fehle nicht nur die erforderliche Ausrichtung am Pariser 1,5°-Klimaschutzziel und damit einer gesellschaftsübergreifenden Legitimität, sie erschwere durch die vagen Ausführungen zu Wald und Dörfern auch die Wiederherstellung des sozialen Friedens in der Region.