OVG Münster verfügt Rodungsstopp im Hambacher Wald / VG Aachen kippt Demoverbot am Hambacher Wald

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Das Oberverwaltungsgericht hat mit Eilbeschluss vom heutigen Tag entschieden, dass die RWE Power AG den Hambacher Forst nicht roden darf,  bis über die Klage des BUND NRW gegen den Hauptbetriebsplan 2018 bis 2020 für den Braunkohletagebau Hambach entschieden ist. Im Übrigen darf  die RWE Power AG im Tagebau Hambach weiter Braunkohle fördern, solange sie nicht die bewaldeten Flächen des Hambacher Forsts in Anspruch nimmt.

Die Bezirksregierung Arnsberg hatte als zuständige Bergbehörde die sofortige Vollziehung des für den Zeitraum vom 1. April 2018 bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Hauptbetriebsplans angeordnet. Die RWE Power AG hätte deshalb den Hambacher Forst weiter roden dürfen. Um dies zu verhindern, beantragte der BUND NRW, der gegen den Hauptbetriebsplan Klage erhoben hat, die Gewährung von Eilrechtsschutz. Dies lehnte das Verwaltungsgericht Köln mit Beschluss vom 31. Juli 2018 ab. Auf die Beschwerde des BUND NRW hat das Oberverwaltungsgericht nun die aufschiebende Wirkung der beim Verwaltungsgericht Köln anhängigen Klage wiederhergestellt, soweit der Hauptbetriebsplan in seinem südöstlichen bzw. südlichen Geltungsbereich Abgrabungen und die Anlegung einer ersten Sohle unter Inanspruchnahme des Hambacher Forsts zulässt.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat der 11. Senat ausgeführt: Der Ausgang des Klageverfahrens, in dem die Rechtmäßigkeit des Hauptbetriebsplans und damit auch die darin zugelassene Rodung des Hambacher Forsts zu prüfen ist, sei offen. Es müsse geklärt werden, ob der Hambacher Forst, obwohl er der EU-Kommission bisher nicht nach der Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Richtlinie als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung gemeldet worden sei, wegen der Vorkommen der Bechsteinfledermaus oder des großen Mausohrs oder des Lebensraumtyps des dortigen Waldes dem Schutzregime für „potentielle FFH-Gebiete“ unterfalle. Die sich in diesem Zusammenhang stellenden überdurchschnittlich komplexen Tatsachen- und Rechtsfragen könnten im Eilverfahren nicht beantwortet werden. Dies zeige schon der Umfang der in diesem Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen von mehreren hundert Seiten. Hinzu kämen noch Dutzende Kisten Verwaltungsvorgänge. Mit der sofortigen Ausnutzung des Hauptbetriebsplans unter Inanspruchnahme der bewaldeten Flächen des Hambacher Forsts würden vollendete, nicht rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen und dem BUND NRW der Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren abgeschnitten. Die Bezirksregierung Arnsberg und die RWE Power AG hätten auch weder substantiiert dargetan noch durch entsprechende Unterlagen belegt, dass die sofortige Rodung zur Abwehr einer schwerwiegenden konkreten Gefahr oder als unaufschiebbare Maßnahme im Interesse des Gemeinwohls notwendig
sei, weil anderenfalls die Energieversorgung bundes- oder landesweit nicht mehr gewährleistet wäre. Daher sei es nicht gerechtfertigt, durch die Rodung des Hambacher Forsts vollendete Tatsachen zu schaffen, die zudem die unionsrechtlich geschützten Gemeinwohlbelange des Gebiets- und Artenschutzes irreversibel beeinträchtigen könnten.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 11 B 1129/18 (I. Instanz: VG Köln 14 L 1440/18)

Weitere Informationen

Das noch beim Verwaltungsgericht Köln anhängige, oben angeführte Klageverfahren des BUND NRW (14 K 3037/18) betrifft den Hauptbetriebsplan 1. April 2018 bis 31. Dezember 2020.

Die Klage des BUND NRW gegen den Hauptbetriebsplan 2015 bis 2017 (verlängert bis 31. März 2018) sowie den 3. Rahmenbetriebsplan 2020 bis 2030 hat das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 24. November 2017 abgewiesen (14 K 1282/15). Dagegen ist beim Oberverwaltungsgericht ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt worden (11 A 1137/18). Außerdem hat der BUND NRW beim Oberverwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage beantragt, soweit sie den ab 2020 geltenden 3. Rahmenbetriebsplan betrifft (11 B 1411/18). Über beide Anträge ist noch nicht entschieden.

Köln/Buir: Die Veranstalter der Großdemonstration für den Erhalt des Hambacher Waldes am morgigen Samstag, 6. Oktober 2018, haben heute Klagen gegen das Verbot des Protestes beim Verwaltungsgericht Aachen und beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. “Die Verbotsverfügung des Polizeipräsidiums Aachen ist ein Skandal und aus unserer Sicht rechtswidrig. Wir werden mit allen rechtlichen Mitteln gegen diese Verfügung vorgehen und unser Recht auf Demonstrationsfreiheit verteidigen. Dabei werden wir auch das Bundesverfassungsgericht anrufen.
Wir gehen davon aus, dass wir vor Gericht gewinnen und der Protest stattfindet”, erklärten die Organisatoren.
Das Bündnis aus Initiative Buirer für Buir, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Campact, Greenpeace und NaturFreunde Deutschlands fordert die nordrhein-westfälische Landesregierung und den RWE-Konzern auf, den friedlichen Protest tausender Kohle-Kritiker und Umweltschützer nicht länger zu blockieren. “Die Menschen werden kommen, viele sind bereits in Bewegung. Wir sind vorbereitet. Aber durch das ungerechtfertigte Verbot erschwert die Polizei Aachen einen geordneten Verlauf”, so die Organisatoren. Das Bündnis hatte ein umfassendes Sicherheitskonzept für einen geordneten Ablauf erarbeitet, das wesentlich vom Standort abhängig ist.
„Wir halten das Verbot der Demonstration für rechtswidrig. Die Polizei hätte uns bereits nach wenigen Tagen ein Alternativgrundstück in Sicht- und Hörweite des Hambacher Waldes anbieten müssen. Die Argumentation in der Verbotsverfügung ist nur vorgeschoben, um die Demonstration zu verhindern. Wir gehen davon aus, dass wir vor Gericht gewinnen werden“, sagt Uwe Hiksch, Bundesvorstandsmitglied der NaturFreunde Deutschlands und Demoanmelder.
Die Veranstalter kritisierten die NRW-Landesregierung dafür, im Schulterschluss mit RWE den legitimen Protest von Klima- und Naturschützern zu blockieren und zu kriminalisieren.
“Das Verbot der Demonstration ist ein massiver Anschlag auf die Demonstrationsfreiheit”, sagt der Geschäftsleiter des BUND NRW, Dirk Jansen. “Ein solches Vorgehen ist einmalig in NRW, ich habe das in 30 Jahren Umweltbewegung hierzulande noch nicht erlebt”, kritisiert Jansen. “Die Landesregierung von Armin Laschet muss den legitimen Protest von vielen Tausend Menschen am Hambacher Forst für den Schutz des Klimas sicherstellen, statt ihn weiter verhindern zu wollen. Wenn Laschet das im Grundgesetz garantierte Demonstrationsrecht behindert, blamiert er Deutschland auch international”, sagt Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser.
“Wenn die Regierung Laschet uns mit einem Verbot der Großdemo mundtot machen will, wird sie das Gegenteil erreichen: Ganz viele Menschen machen sich jetzt erst recht zum Hambacher Wald auf. Sie lassen sich nicht einschüchtern und demonstrieren trotzdem – für die Rettung von Wald und Weltklima und die Wahrung der Versammlungsfreiheit. Eine Regierung, die sich zum Erfüllungsgehilfen von RWE macht, wird auf den
friedlichenWiderstand der Bürger treffen”, sagt Christoph Bautz, geschäftsführender Vorstand von Campact.
Die Veranstalter der Großdemonstration fordern von der Bundesregierung einen zügigen Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle und von dem Energiekonzern RWE einen Verzicht auf die geplante Rodung des Hambacher Waldes. Sollte RWE hier nicht einlenken, sei ein Konsens in der zurzeit in Berlin tagenden Kohle-Kommission stark gefährdet, so das Demo-Bündnis. Die Veranstalter forderten Bundes- und NRW-Landesregierung erneut auf, ein Rodungs-Moratorium bis zum Abschluss der Kohle-Kommission durchzusetzen.

Berlin/Buir: Die Großdemonstration der Initiative Buirer für Buir, des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), von Campact, Greenpeace und NaturFreunde Deutschlands kann morgen wie geplant stattfinden. Das Verwaltungsgericht Aachen hob das Verbot der Demo auf.
“Das ist heute die zweite schallende Ohrfeige für die NRW-Landesregierung und RWE”, so die Veranstalter. Die Demo mit Kundgebung am Hambacher Wald findet auf einer Wiese nördlich des S-Bahnhofs Buir statt.
Eine Übersicht und Karte zum Standort der Bühne und weiteren Treffpunkten gibt es demnächst online unter www.stop-kohle.de/anreise.
Die Seite wird schnellstmöglich laufend aktualisiert.

Weitere Informationen für Pressevertreter:
Für Interviewanfragen melden sich Journalistinnen und Journalisten am 6.10. bitte beim Medientreffpunkt in der Nähe der Bühne.

Mit soeben bekanntgegebenem Beschluss hat die 6. Kammer dem Eilantrag des Naturfreunde Deutschland e.V. stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung des Polizeipräsidiums Aachens angeordnet.

Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt:

Es spreche Überwiegendes dafür, dass das Verbot der Demonstration rechtswidrig sei. Das Gericht teile die Sicherheitsbedenken der Polizei nicht. Bei einer Versammlung i.S.v. Art. 8 GG sei die Vorlage eines validen Sicherheitskonzepts nicht – wie etwa bei gewerblichen Veranstaltungen – zwingende Voraussetzungfür deren „Zulassung“. Vielmehr seien etwaige Sicherheitsbedenken im Rahmen eines Kooperationsgesprächs zu erörtern und sei diesen ggfs. durch entsprechende Auflagen Rechnung zu tragen. Erst wenn trotz solcher Auflagen aufgrund des Ablaufs der Versammlung, der örtlichen Gegebenheiten oder aufgrund der Besonderheiten des An- und Abreiseverkehrs eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben z.B. von Versammlungsteilnehmern bestehen würde, komme ein Verbot der Versammlung als äußerstes Mittel in Betracht. Für das Gericht sei aber nicht erkennbar, dass den Sicherheitsbedenken – insbesondere bzgl. der An- und
Abreise über die Bahnhöfe Buir und Horrem sowie die Freihaltung von Rettungswegen – nicht durch Auflagen Rechnung getragen werden könne.
Dabei habe die Kammer zum einen in den Blick genommen, dass am 30. September 2018 ein sog. Waldspaziergang mit ca. 10.000 Teilnehmern stattgefunden habe, ohne dass es dabei zu Gefahrenlagen bei der An- und Abreise der Teilnehmer gekommen wäre. Über ein Sicherheitskonzept zu dieser Veranstaltung sei dem Gericht ebenfalls nichts bekannt. Zudem werde die Anreise zu der Demonstration voraussichtlich überwiegend mit S-Bahn, Regionalexpress (Bahnhöfe Buir und Horrem) sowie mit gecharterten Bussenerfolgen. Dies führe zu einer „Kanalisierung“ und Begrenzung der Versammlungsteilnehmer, was wiederum die Lenkung der Menschenmengen unter Sicherheitsaspekten – ähnlich wie bei gewerblichen Großveranstaltungen (Fußballspiele, Oktoberfest) – erleichtern dürfte.

Abschließend hat die Kammer darauf hingewiesen, dass die Polizei durch den Beschluss nicht gehindert sei, Auflagen für den Fall zu erlassen,
dass die Versammlung nunmehr stattfinden sollte, mit denen die bestehenden Sicherheitsbedenken entschärft werden könnten.

Gegen den Beschluss kann das Land NRW Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheidet.

Aktenzeichen: 6 L 1490/18

05. Oktober 2018 | Kohle, Klimawandel, Wälder, Energiewende, BUND

Berlin/Buir: Das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen hat heute einem Eilantrag des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen das Land Nordrhein-Westfalen stattgegeben. Demnach darf der Hambacher Wald nicht gerodet werden. Dies gilt, bis über die Klage des BUND rechtskräftig entschieden ist, die seit April 2018 beim Verwaltungsgericht Köln anhängig ist. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.

„Wir haben uns mit unserem Antrag für einen Rodungsstopp durchgesetzt“, sagte der Geschäftsleiter des BUND NRW, Dirk Jansen. „RWE darf im Hambacher Wald nicht roden. Über die Fortführung des Tagebaus Hambach ist zwar noch nicht entschieden, das heißt, die Bagger stehen nicht still. Aber RWE darf keine weiteren Rodungsmaßnahmen ergreifen. Die Interessensabwägung des Oberverwaltungsgerichts in Münster ging zu Gunsten des BUND aus, weil dieser Wald sehr wertvoll ist und durch die Rodung irreversible Fakten geschaffen würden. Damit ist die Rodungssaison im Hambacher Wald beendet“, sagte Jansen.

Die Bezirksregierung Arnsberg und RWE konnten nach Angaben des Oberverwaltungsgerichts in Münster auch nicht belegen, dass die sofortige Rodung aus tagebautechnischen  Gründen notwendig sei oder weil anderenfalls die Energieversorgung bundes- oder landesweit nicht mehr gewährleistet wäre.
Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger sagte: „Wir sind erleichtert, dass die Rodung des Hambacher Waldes vom Tisch ist. Das ist ein großer Erfolg für den Naturschutz und auch ein gutes Signal für den friedlichen Protest tausender Klimaschützer im Hambacher Wald und weit darüber hinaus. Das Gericht trägt damit zentral zum Rechtsfrieden bei.“

Der BUND appelliert nun an die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen und die zuständigen Behörden, die für morgen geplante Großdemonstration am Hambacher Wald zu genehmigen. Die Polizei hatte gestern den Protest untersagt. Auch dagegen hatte der BUND gemeinsam mit den übrigen Veranstaltern der Demonstration rechtliche Mittel eingelegt.

„Die Landesregierung NRW muss jetzt von ihrer Eskalationsstrategie und der Diffamierung des Braunkohlewiderstands abrücken. Die eindeutige Bevölkerungsmehrheit ist längst viel weiter in Sachen Klimaschutz“, sagte Weiger.