Am Ersten Advent werden die Gotteshäuser in Keyenberg, Kuckum und Berverath entwidmet

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Liebe Mitglieder der Pfarrei Christkönig Erkelenz,
liebe Gemeindemitglieder in Keyenberg, Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestrich!Wir alle stehen in einer Zeit großer Umbrüche – von der alten Heimat zu einer neuen. Der Weg dorthin war schon bisher nicht einfach – weder für
Sie als einzelne und als Familien, noch für unsere Gemeinde als Ganze. Die rechtlichen Fragen rund um die Aufgabe unserer Gotteshäuser sind nun
geklärt; die inneren Fragen des Zusammenhalts als „Gemeinden am neuen Ort“ im Gang.
Auch Bischof Dr. Dieser hat nun die Entwidmung unserer Kirchen als aufsichtliche Behörde beschlossen. Wir richten unseren Blick nun gemeinsam in die Zukunft, von der wir uns Konsolidierung und Aufbruch erhoffen. Zugleich ist deutlich, dass wir alle auch noch in einem Abschieds- und Trauerprozess stehen.
Die förmliche Entwidmung tritt in Kraft am ersten Adventsonntag, mit Datum zum 28. November 2021.
Wir haben es darum für gut und wichtig gefunden, dass Sie als Gemeindemitglieder der „alten Standorte“ Gelegenheit nehmen können, sich zu verabschieden von den Ihnen so vertrauten Gotteshäusern:
Am Samstag, 27. November d.J. in der Zeit von 11 Uhr bis 16 Uhr haben Sie Gelegenheit, in den geöffneten Gotteshäusern Ihren je persönlichen Abschied zu nehmen, auch, wenn die Gebäude damit nicht dem Abriss übergeben sind. Für ein stilles Gebet, einen persönlichen Rundgang, für das letzte Entzünden einer Kerze – und für den Eintrag in ein „Gedenkbuch – Gedankenbuch“ werden wir Raum schaffen. Diese „Gedenkbücher“ der drei Gottesdienst-Orte werden wir später in die Kapelle St. Petrus einbringen; sie werden dort einen wichtigen Platz im
„Raum der Erinnerung“ einnehmen! Für Sonntag, 19. Juni 2022 planen wir die Einweihung der neuen Kapelle St. Petrus in Keyenberg (neu), wozu wir Sie alle schon jetzt herzlich
einladen!
Dieses neue Gotteshaus als Neubau und als Gebäude zeigt: Wir mögen andere Gebäude aufgeben und übergeben an neue Eigentümer – aber wir als Gemeinde wollen als Gemeinschaft der Glaubenden weiter präsent sein und wollen uns in einer neuen Heimat zusammen finden. Die bisherigen Gotteshäuser und Gemeinderäume wurden vertraglich schon 2019 an RWE-Power übergeben; der Vollzug der Übergabe ist 2022. Erst aus den Verkaufserlösen konnte die neue, gemeinsame Kapelle errichtet werden. In ihr und in dem schon genannten „Raum der Erinnerung“ werden viele
Erinnerungsstücke an die alten Gotteshäuser präsentiert werden, die vielen Menschen am Herzen liegen. Andere „Objekte“ und Kunstwerke werden in anderen Kirchengebäuden unserer großen Gemeinde eine neue Heimat finden.
Einige besondere Ausstattungsstücke werden allerdings in den alten Gotteshäusern verbleiben – so z.B. die künstlerischen Glas-Fenster; denn die Entscheidungen der Landesregierung sind ja noch nicht endgültig, und so halten wir es für wichtig, das jeweilige „Gesamtkunstwerk“ in seiner äußeren Haut zu erhalten.
Ich wünsche uns allen gemeinsam: Dass Gott selbst uns aus der Trauer (und vielleicht auch mancher Wut) zu diesem gemeinsamen Aufbruch in eine neue, gemeinsame Zeit führen kann.Für die Pfarrei (Kirchenvorstand und Rat der Gemeinschaft der Gemeinden):Pfarrer Werner Rombach
Herbert Exner (KV)
Beate Küppers (GdG-Rat)

„Und wenn ich wandere im finsteren Tal, fürchte ich kein Unheil, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab, sie trösten mich.“ (Ps. 23,4)

Die seit langem befürchtete Entwidmung der Kirchen in Keyenberg und Kuckum und der Kapelle in Berverath soll am kommenden Sonntag vollzogen werden – ohne eine feierlich Messe, unter Ausschluss der Menschen, hinter verschlossenen Türen. Und das ausgerechnet am 1. Advent, wenn sich die gesamte Christenheit für die Ankunft Jesu bereit macht.
Einziger Lichtblick: die Kirchen werden am Samstag in der Zeit von 11-16h ein letztes Mal geöffnet sein. Auch wir werden vor Ort sein, um uns zu verabschieden und die Menschen
in ihrer Trauer zu begleiten: Mit einem Gang zu den drei Kirchen wollen wir diese drei Orte und ihre Menschen in ihrer Trauer miteinander verbinden. Alle sind eingeladen, sich anzuschließen, ob für den ganzen Weg oder ein Teilstück, um sich in Gemeinschaft von allen Kirchen zu verabschieden.
An den Kirchen wird jeweils Zeit und Raum für den ganz persönlichen Abschied sein.

Ungefährer Zeitplan:
13:30 h Start in Keyenberg
14:15 h Ankunft in Berverath
14:45 h Start in Berverath
15:30 h Ankunft in Kuckum
16:00 h Start in Kuckum
16:30 h Ankunft in Keyenberg

Aufruf zur virtuellen Gebetskette

By S.H., 24. November 2021 – Am kommenden Wochenende werden drei katholische Kirchen in und um Lützerath entwidmet, da sie für den in der Region fortschreitenden Kohleabbau weichen müssen. „Greenfaith“//– ein interreligiöses Netzwerk für Klimagerechtigkeit – und die christliche Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“setzen sich gegen diesen
Vorgang ein und rufen zu einer virtuellen Gebetskette auf. Die Region, in der diese Kirchen stehen, liegt über einem der größten Kohlevorkommen Europas, der Zeche Garzweiler. Lützerath soll in den
kommenden Monaten weiter zerstört werden, da der Kohleausbau voranschreitet. Am kommenden Sonntag, den 28. November 2021, wird die katholische Kirchengemeinde die drei Dorfkirchen von Keyenberg, Kuckum und Berverath offiziell entweihen. Danach werden alle sakralen Objekte, der Tabernakel, die Abendmahlsgefäße und die Altäre entfernt werden.
Dann werden die Schlüssel dieser drei Kirchengebäude an RWE übergeben. Der Vorgang steht im Gegensatz zu den Beschlüssen und Appellen zu einem baldigen Kohleausstieg in Deutschland. Wenn diese Kohle abgebaut und verbrannt würde, wäre es für Deutschland laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung unmöglich, seine Klimaziele von 1,5°C zu erreichen. Die christliche Initiative namens „Die Kirche(n) im Dorf lassen“in Lützerath macht auf die Tragödie und Ungerechtigkeit des Abrisses von Dörfern und ihren Kirchen am Rande der größten europäischen CO2-Quelle
aufmerksam. “Die Kirche den Menschen!” fordert das ökumenisches Bündnis. “Wir feiern seit gut anderthalb Jahren Gottesdienste an der Kante, an den Orten der Zerstörung.” Damit setzt sich die Initiative aktiv gegen den Ausbau fossiler Brennstoffe ein. Das interreligiöse Netzwerk für Klimagerechtigkeit „Greenfaith“steht an der Seite der Initiative und
unterstützt diese.

Mitmachen bei der virtuellen Gebetskette

Ihre Gebete und Ihre Unterstützung können Sie auf Twitter und Instagram mitteilen, indem Sie bis zum 27.11. ein Gebet und Gedanken auf ihrem eigenen Twitter oder Instagram Kanal posten, und dann den Hashtag #DieKirchendenMenschen hinzufügen. Unter diesem Hashtag werden ab Samstag alle Gebete öffentlich in den Dörfern zu sehen sein. So können Sie sich am Samstag, den 27. November, mit den Gläubigen in Lützerath solidarisch zeigen, wenn sie Abschied nehmen und den Verlust ihrer Kirchen betrauern.

Mitglieder der Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ haben gestern im rheinischen Revier gegen die anstehende Entwidmung und Übergabe von
drei Kirchen protestiert, sind gepilgert, haben gesungen und gebetet. Schließlich sind Menschen aus den Dörfern gemeinsam mit verschiedenen Aktivist*innen (von „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ der Mahnwache in Lützerath, von Alle Dörfer Bleiben, von Lützerath Bleibt ZAD, von Unser Aller Wald, vom Hambi Support Aachen u.a.) zum Ende der angekündigten
Öffnungszeiten in den drei Gotteshäusern sitzen geblieben.
Nach anfänglich erregten Wortwechseln und großer Beharrlichkeit von Seiten der Aktivist*innen stellte sich die Pfarrei Erkelenz mit mehreren Vertreter*innen in der Kirche von Kuckum dem Gespräch. Dazu kamen schnell auch Menschen aus den Dörfern. In diesem Gespräch kam es zu ersten vorsichtigen Schritten der Verständigung. Deren Tragfähigkeit muss sich in den kommenden Wochen erweisen. Zugesagt wurden von Pfarrer Rombach u.a. die regelmäßige Öffnung aller drei Kirchen, die Wiederaufnahme von Gottesdiensten sowie die Nutzung von Pfarr- und
Gemeinderäumen durch die Dorfgemeinschaften.
Der Pfarrer von Erkelenz äußerte in der Presse seine Hoffnung, dass in den Dörfern am Tagebaurand etwas Neues entsteht. Ein deutliches Zeichen für den Neubeginn: Bewohner*innen von Kuckum und Berverath behielten – entgegen der Ankündigung – die Schlüssel zu ihren Kirchen. Nach anfänglichen Rangeleien endete auch die Aneignung der Keyenberger Kirche nach einer stabilen und solidarischen Präsenz zahlreicher Menschen nach Mitternacht harmonisch: VertreterInnen der Pfarrei Erkelenz und Aktivist*innen fanden zu einem gemeinsamen Gebet. Vor dem Verlöschen des Ewigen Lichtes um Mitternacht wurden zahlreiche Kerzen an ihm entzündet, so dass die Menschen dieses Zeichen der besonderen Präsenz des Göttlichen mit zu ihren Orten nehmen konnten. Eine
Aktivist*in trug das Licht über die Felder ins bedrohte Lützerath, wo es nun in der Eibenkapelle weiter brennt.
„Der überwältigende Symbolgehalt einer solchen Geste macht mich sprachlos“, so Dr. Anselm Meyer-Antz von der Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“. „Niemand hätte am Beginn des Tages einen solchen Ausgang erwartet.“ Die am Samstagmorgen völlig verfahrene, ja absurde Situation – die zukünftige Bundesregierung will die Dörfer retten, die Amtskirche entwidmet die Kirchen – endet um Mitternacht damit, dass Licht von der Kirche in Keyenberg in die Welt ausstrahlt. Meyer-Antz wertete die KIDL-Aktion als „mehr als ein voller Erfolg“ und dankte
allen Beteiligten.
Die langfristige Nutzung der drei Kirchen ist offen, ihre Übergabe an RWE „nach der Entwidmung“ noch am 26.11.21 durch ein Schreiben des Bistums bestätigt. KiDl wird sich für ihre religiöse Nutzung und für ihre Rolle als Mittelpunkt des Dorfes weiterhin mit Entschiedenheit einsetzen. Auch die Kirche von Keyenberg steht wie das Dorf Lützerath für die 1,5°-Grenze des Klimawandels und damit für die Glaubwürdigkeit der päpstlichen Enzyklika Laudato Sí.

Sitzen bleiben in Keyenberg / von Christa S.

Verspätet zu der Prozession traf ich nachmittags an der Heilig-Kreuz-Kirche ein. Es kamen vereinzelt Menschen bedrückt aus der Kirche und verließen den Ort ohne großen Austausch, Fotografen durften sich nur draußen aufhalten. Es war befremdlich, kein Gottesdienst, kein Glockengeläut, kein geschmückter Eingang, eine seltsame Stimmung herrschte vor, keiner sprach lange, man winkte sich teilweise wortlos zu.
Ich persönlich ging um 15:30 Uhr mit gemischten Gefühlen hinein, da 3 securities Dienst hatten und und ärgerte mich über das Schild, dass es ein absolutes Fotografierverbot – für alle – gab. Warum gönnte die Pfarrei den Keyenberger*innen und Besucher*innen nicht, Erinnerungsfotos von dieser wunderschöne Kircheninnenausstattung zu machen? Warum überhaupt die Entwidmung, wenn die Kirche wieder der Dorfmittelpunkt hätte werden können? Es ist für mich schwer nachzuvollziehen.
Vor dem Altar brannten kleine weiße Kerzen auf dem Boden, ein Buch lag aus, in das fast alle Besuchende hineinschrieben. Inder Mitte vor dem prachtvollen majestätischen goldenen Altar stand die Osterkerze mit der Jahreszahl 2021, auf dem Altar auf dem weißen Tuch links drei Kerzen und rechts gelbe (!) Blumen.
Höflich und mit gedämpfter Stimme forderte die Vertreterin der Pfarrei Christkönig Frau K., die ein Namensschild trug, uns kurz nach 16 Uhr auf, die Kirche zu verlassen. Meine KiDl Kollegin meinte: “Wir gehen nicht.“ Frau K. Meinte darauf in schärferem Ton: „Dann muss ich die Polizei holen.“ Darauf die KiDl-Kollegin. „Dann holen Sie die Polizei!“ Daraufhin verließ Frau K uns sofort ohne weitere Diskussion. Zusammen begannen wir zu dritt leise zu singen „Bleibet hier und wachet mit mir, wachet und betet!“ ein Taizélied. Plötzlich gab es für 10 Minuten etwas Tumult am Eingang, mehrere Polizisten kamen dazu. Ich kümmerte mich nicht darum, denn ich empfand als meinen Auftrag, unter allen Umständen sitzen zu bleiben und damit gegen die Entwidmung zu protestieren. Ich erkannte Pfr. Rombach mit schwarzer Mund- und Nasenmaske im Gedränge. Die Türen standen offen und die bisher ausgesperrten Fotograf*innen und Filmenden drängten nach vorn und machten viele Bilder von der seit ca. einem Jahr verschlossenen Kirche. Wir sangen zu dritt das Psalmlied „Wie nun ihr Herren“ und „ Das könnte den Herren der Welt ja so passen“ und immer wieder: „Bleibet hier…“ Eine Sängerin sang vorne ein spanisches Lied.
Die Polizei hielt sich sehr im Hintergrund, sie fuhren gegen 20:30 Uhr weg. 2-3 Securities blieben vor Ort. Handwerker tauschten zwischendurch Schlösser aus, erst im Nachhinein erfuhr ich, dass einige mit Sekundenkleber zugeklebt waren.
Es hieß, dass draußen eine Lichterinstallation sei, ich hatte Bedenken, hinaus zu gehen, um ggf, nicht wieder hinein zukommen, aber alles war entspannt, Ich schaute kurz nach draußen, vor der Haupttür stand die Mahnwache mit der „Küche für alle“. Später wurden Getränke, etwas Essen und Schlafsäcke hineingebracht. Nach mehreren Stunden Singens brauchten wir eine Pause. Durch Helmut Kehrmanns Erzählungen wurden wir punktuell nach meinem Empfinden zu einer Gruppe zusammengeschweißt. Inzwischen wurden wir gefragt, wie lange wir denn bleiben wollten. Wir forderten einen Verbleib bis nach 24 Uhr, also bis in den 1. Advent hinein. Der Küster Herr M. schlug einen Psalm vor und bot uns an, dass wir uns ein Lied aussuchen könnten. Noch einmal sangen wir: „Von guten Mächten“.
Die Gruppe der Aktivisti sang den Kanon „Wehrt Euch, leistet Widerstand gegen die Braunkohle hier im Land; RWE enteignen, wir KiDler sangen das Lied mit mit dem Vers am Schluss … „Alle Dörfer bleiben!“ Herr Merkens bat darum, dass wir zusammen abwechselnd den Psalm 629 beten sollten, der so beginnt: „Du führst mich hinaus ins Weite, Du machst meine
Finsternis hell.“ Dann folgte das Lied „Großer Gott, wir loben Dich“. Danach sagte Herr Merkens mit fester Stimme: „Es geht weiter. Es wird anders sein. Es wird woanders weiter gehen.“
Während wir das „Vater unser“ beteten, ging Frau Jacobs mit einem Span umher und zündete in Stille unsere Kerzen an. Herr Merkens begann das Glaubensbekenntnis“ und einige beteten mit. Gegen 23:40 Uhr begann Frau Jacobs mit den Vorbereitungen zur Entwidmung, holte das Ewige Licht und stellte es auf den Altar, es wurde ganz ruhig. Die elektrischen Lampen
wurden von ihr ausgeschaltet, es leuchteten nur noch die Kerzen. Wir waren minutenlang ganz still. In der beklemmenden intensiven Stille, in der minutenlang alle regungslos verharrten, fühlte ich mich mit den Anwesenden verbunden, als wären wir eine gewachsene Gemeinde.

Das Ewige Licht wurde gelöscht.

Wir bedankten uns bei Küsterin und Küster. Wir gingen hinaus in den 1. Adventssonntag, ganz erfüllt von dieser unvergesslichen Nacht und jeder ging seiner oder ihrer Wege. Die Kirchtür wurde von innen abgeschlossen.
Die Kirche war profaniert.
Jetzt beginnt etwas Neues!

 

Sitzen bleiben in Kuckum / von Katharina S.

Begonnen haben wir mit einer Prozession durch die drei Dörfer, und die Prozession war sehr schön. Singend zogen wir durch die Landschaft: vorbei an feuchten Wiesen im Gegenlicht, an Tieren auf der Weide, durch das letzte bunte Laub an den Bäumen. Diese dunstige, taufeuchte Farbigkeit, die Kühle des sonnigen Morgens, die Weite der Landschaft, unsere Lieder: das alles verschmolz zur Stimmigkeit und dem Gefühl, das Richtige zu tun. Eine Verbundenheit war in mir mit unserer Aktion, unserem Ziel und allen, denen Unrecht geschieht.
Die Prozession führte uns nach Kuckum. Ich mag dieses kleine Kirchlein, das so bescheiden im Dörfchen steht und einen leisen, wenig prunkvollen, aber wunderbar intimen Raum in sich birgt. Die kunstvollen Fenster, der Altar in Form eines Mühlsteins, die vielen Kerzen, die ein warmes Licht schufen, das alles vermittelte eine sehr intensive Ausstrahlung von Willkommen und Geborgenheit – und sollte Kirche nicht genau das haben?
Die vom Pfarrer bestellten Securities waren natürlich ein Armutszeugnis. Kirche bedeutet ja auch Gemeinschaft, und man denkt, ‚wo ist dieser bedauernswerte Pfarrer in seiner Angst denn nur hingekommen, dass er die Gläubigen nicht mehr in die Kirche lassen kann, ja diese vor den Gläubigen beschützen muss?‘ Aber mich haben die Securities nicht weiter angefochten. Ich bin in das Kirchlein reingegangen und da saß ich dann eben, überwiegend mit Frauen. Mehr passierte nicht.  Um 16 Uhr begannen wir zu singen. Leise Lieder wie Bleibet hier oder Laudate omes gentes, zigfach wiederholt, so dass sie etwas Meditatives bekamen und sich wie ein Schutzschild um uns legten, ruhig machten, mit dem Raum verschmelzen ließen. Wir waren unangreifbar in diesem Moment, haben uns auch nicht mehr groß umgedreht, als Lärm hinter uns entstand: Die Securities waren einfach egal. Wir waren eins mit dem Raum, der Musik, der Guten Sache. Langsam wurde es dunkel und die Dunkelheit ließ das Individuelle verschmelzen. Wir sangen zwei-, teils dreistimmig und diese schönen Harmonien ließen in mir Bilder entstehen von Nonnen in einer winterkalten Kirche, die mitten in der Nacht einen Choral anstimmen und alte lateinische Begriffe fielen mir dazu ein, wie Vigil oder Komplet, die ich nicht ganz genau definieren kann. Das waren ganz starke Momente, die uns weit über uns selbst hinaustrugen in einen zeit- und ortlosen Raum, in Stimmigkeit.
Die Realität kehrte dann zurück, als der Pfarrer die Kirche betrat, mit laut aufschlagenden Absätzen. Das war schon ein Ding, dass da nun ausgerechnet die Polizei in diesem Konflikt vermitteln musste. Denn plötzlich war die Kirche voller Menschen aus dem Dorf. Irgendwann kam es dann zu einer direkten Begegnung. Conni moderierte anfangs diesen Teil des Gesprächs, und ich habe sie für die Ruhe und Klarheit, mit der sie die Forderungen der Dörfler vortrug, sehr bewundert. Vier, fünf sehr eindeutige Sätze, mehr war das nicht. Danach trat eine Pause ein – und dann begann ein Gespräch.
Da saßen sie, der Herr Pfarrer und seine Begleiterin, und mussten sich einiges anhören. Beide sprachen den Menschen das Recht ab, hier zu sein (wer von Ihnen ist denn überhaupt von hier; wann waren  Sie zuletzt im Gottesdienst?) und erzählten ihre Geschichte des Überfordertseins durch den eigenen Anspruch und der ausbleibenden Anerkennung. Sie taten mir leid, das meine ich ohne jede Häme. Aber für die Menschen in der Kapelle hatten beide lange Zeit schlicht kein Ohr, nicht das geringste bisschen Anteilnahme: Ein Gottesdienst für vier Menschen lohne sich einfach nicht. Eine Frau erwiderte, ob sie das ihrem messdienenden Sohn denn auch mal sagen sollte: ‚Brauchst nicht hingehen, lohnt sich ja eh nicht.‘ Und Negen traf den Nagel schon ziemlich genau auf den Kopf, als sie erwiderte, naja, bei den KiDl-Gottesdiensten seien wir nie unter zwanzig und ob ihnen schon mal der Gedanke gekommen sei, dass sie dann in der Amtskirche vielleicht einfach etwas falsch machten. Die Begleiterin wurde dann abgedrängt, gottseidank, muss man leider sagen, denn dadurch geriet der Pfarrer  in die Situation, sich äußern zu müssen, und endlich kam ein längerer Dialog in Gang. An den Pfarrer wurden Fragen um das Thema gestellt, warum er den Gläubigen hier die Kirche verschließe, im Umsiedlungsort aber ein üppiges Gemeindeleben installiere, und Wortäußerungen zielten darauf ab, dass die Zeiten sich in vielerlei Hinsicht geändert hätten.
Und Schrittchen für Schrittchen, Wort für Wort kam der Pfarrer aus der Ecke seiner Angst und Versteinerung, und es entstand ein Dialog. Der Pfarrer kam mit Forderungen wie „dann müsst ihr aber auch…“, die Gläubigen versprachen, Verantwortung zu übernehmen. Und am Ende duzte er die Menschen und das war keine Hierarchie, sondern es war eine Verbundenheit dieser Gemeindemitglieder zu spüren – meinem Gefühl nach: seit Jahren zum ersten Mal. KiDl wurde überflüssig, das war wunderbar zu erleben. Wir haben uns langsam zurückgezogen, nur noch zugehört und sind Zeugen geworden, wie sich Berge von Feindseligkeit in nichts auflösten.
Das ist unvergesslich und ich wünsche dem Pfarrer und den Menschen, dass dieses zarte Pflänzchen nicht zertreten wird. Als das Gespräch endete, gab es keinen Grund zu bleiben und wir räumten die Kirche. Eine Zeit lang saßen wir dann noch in der Kälte zusammen und tranken Kaffee. Und konnten unser Glück noch gar nicht fassen: Die Menschen aus den Dörfern, ADB und KiDl (und sogar die Polizei): wir alle ZUSAMMEN haben etwas bewegt.

Medienecho

Anmerkung eines Beteiligten:
In dem Artikel der Kirchenzeitung wird den Aktivist:innen ein antisemitischer Wortgebrauch („Judensau“) zugeschrieben, den außer Herrn Rombach niemand behauptet und den die derart Beleidigten mit aller Schärfe bestreiten. Aus dieser Empörung ist eine Überprüfung sämtlicher zur Verfügung stehender Videos erwachsen. Nirgendwo ist diese Bezeichnung zu finden gewesen. Allerdings sind die Videoaufnahmen nicht lückenlos, und in den Lücken hätte das Wort theoretisch ja fallen können. Menschen vor Ort geben zu, Herrn Pfarrer Rombach beschimpft zu haben, und dabei ist öfter das Wort „Judas“ (= Verräter [Jesu]) gefallen. Man hätte Herrn Rombach sogar zugestanden, sich verhört zu haben – aber dann hätte er doch die Behauptung in der Kirchenzeitung korrigieren müssen. Es wurden zahlreiche Leserbriefe zu genau diesem Punkt an die Kirchenzeitung geschrieben. Die damals neu angestellte Chefredakteurin gab sich über die Leserbriefe (sic! nicht über Herrn Rombach!) schockiert, veröffentlichte keinen einzigen und kündigte an, die Linie der Kirchenzeitung in Punkto Tagebau Garzweiler/Lützerath werde sich ab sofort verändern.