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C. Gärtner

Ich wohne in Köln. Bin Vater von zwei Schulkindern. Ich habe die Gegend um Buir und den Braunkohletagebau „Hambacher Forst“ vor drei Jahren auf eine eigenartige Weise kennengelernt.
Ich wollte meinen Sohn von einer Geburtstagsparty abholen und habe mich dabei mit dem Auto verfahren. Ich bin versehentlich auf die A4 gekommen und habe irgendwo vor Kerpen versucht die Autobahn zu verlassen und wieder auf der anderen Richtung aufzufahren. Das gelang mir jedoch nicht. Wo laut Navi die Autobahnauffahrt sein sollte, war nur eine kleine gesperrte Landstraße, die ins Nirgendwo zu führen schien. Ich befand mich in einer ziemlich platten Gegend mit Äckern, Feldern und einigen Baumalleen. Bei der verzweifelten Suche nach einem Weg zurück zur Autobahn landete ich in einem kleinen Ort namens Manheim. Hier war der Hund begraben. Der Ort schien wie ausgestorben. Kein Mensch weit und breit. Niemand den ich hätte fragen können, wie ich wieder zur Autobahn komme. Mein Navi führte mich immer wieder auf die gleiche Landstraße und immer wieder landete ich in dem ausgestorbenen Manheim. Mein Navi musste den Geist aufgegeben haben oder es funktionierte in der Gegend einfach nicht. Er war gruselig, genauso gruselig wie das ausgestorbene Dorf.
Endlich – zusammen mit meinem Sohn – wieder zu Haus angekommen, las ich im Internet, dass in dieser Gegend wegen des Braukohletagebaus die Autobahn versetzt worden war. Mein Navi hatte diese unglaubliche Änderung nicht erkannt.
Wieder ein Jahr später erfuhr ich erst von einem Waldwaldstück neben dem Dorf Manheim, dass die Bewohner wegen des Braunkohletagebaus verlassen mussten. Ein ganzes Dorf, voller Häuser die bald abgerissen würden. Ich erfuhr noch viel mehr von dem, was in diesem Landstrich vor sich ging.
Es gab noch viel mehr Dörfer, die die Bewohner aufgrund des „Gemeinwohls“ verlassen mussten. Ich erfuhr, dass die riesigen Wasserdampfwolken, die von meiner Wohnung in Köln Richtung Nordwesten aus zu sehen sind, aus dieser Gegend um Kerpen stammen. Die gar nicht mehr so schönen Wolkentürme sind belastet mit größeren und kleinen Anteilen von Schwermetallen wie dem giftigen Quecksilber, las ich in der Zeitung.
Den Rest des Hambacher Forsts lernte ich auf einem Waldspaziergang von Michael Zobel kennen. Der Teil mit den alten Eichen und Hainbuchen hat mich schwer beindruckt. Die riesigen Bäume lassen sich gegenseitig Platz und streben majestätisch in den Himmel. Junge Leute haben einige der Bäume besetzt. Ich finde nicht alles gut was sie fordern. Ich halte ihnen jedoch zu Gute, dass sie damit experimentieren, hierarchiefrei miteinander umzugehen, und dass sie wirklich bescheiden und relativ naturnah leben. Ihr Einsatz ist bewundernswert.
So bin ich einer geworden, der sich für den Hambi einsetzt. (Auch wenn ich diese Abkürzung immer albern fand). Es geht um den notwendigen Versuch, mit immer weniger fossilen Brennstoffen auszukommen. Technik im Sinne ökologischer Kreisläufe einzusetzen. Es geht darum den Klimawandel aufzuhalten. Dabei müssten wir möglichst viele Menschen mitnehmen. Gerade auch die, die in der Region leben und arbeiten wollen und die Angst um ihre Arbeitsplätze haben. Ich verstehe sie. Unsere Existenz hängt verdammt von unseren Arbeitsplätzen ab, und nicht alle können mit Wenigem auskommen und ohne Planung und Sicherheit leben, wie die BaumbesetzerInnen. Politik sollte die unterschiedlichen Interessen aushandeln und Kompromisse suchen. Wohlstand müsste neu definiert werden, wenn wir Kohlenstoff-arm leben wollen. Soziale Sicherheiten für alle müssten die Unsicherheit, die die Umstrukturierung des Braunkohleabbaus mit sich bringt, abfedern. Dienstleistung, vielleicht sogar Solar- und Windenergie sollte neue Arbeits- und Gestaltungsmöglichkeiten schaffen. Es sieht so aus, als ob diese wichtigen Fragen nach gesellschaftlichem, technologischem und ökologischem Wandel nicht in Köln, sondern in diesen kleinen Dörfern im Umland ausgetragen werden. Es wäre wünschenswert, dass UmweltschützerInnen und Leute, die ehemals SPD-nah waren, miteinander reden und bestenfalls zueinander finden. Wir haben nur eine gemeinsame Erde. Sie ist in diesem Jahrhundertsommer 2018 staubig und trocken und aufgewühlt. Wir lieben sie doch alle. Hoffentlich haben wir uns nicht so sehr verfahren wie ich, als ich das erste Mal in diese Gegend kam.

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