Offener Brief von Michael Zobel an die Verantwortlichen für die bevorstehende Räumung von Lützerath – Appell zum Innehalten

Offener Brief an Innenminister H. Reul, Wirtschaftsministerin M. Neubaur, Ministerpräsident H. Wüst, Landrat S. Pusch, Polizeipräsident D. Weinspach, Bischof H. Dieser, Bürgermeister S. Muckel, an alle rund um Lützerath eingeplanten Polizistinnen und Polizisten…
Guten Tag zusammen,
Ende 2022, in wenigen Tagen beginnt das neue Jahr. Gute Wünsche? Das wird besonders zum Start 2023 schwierig. Beginnen wir tatsächlich mit der Räumung und endgültigen Zerstörung von Lützerath? Haben wir nichts gelernt, begehen wir die gleichen Fehler immer wieder?
Die Maschinerie scheint zu rollen, unaufhörlich.
Stimmen überhaupt die veröffentlichten Gründe, die die kommende Räumung legitimieren sollen? Es ist alles unausweichlich? Lützerath muss in wenigen Tagen geräumt und zerstört werden, um die Energieversorgung unseres Landes in diesem Winter zu sichern?
So ist es angekündigt, alle Verantwortlichen haben sich auf diese Erzählung geeinigt.
Ich sage, alle vermeintlichen Fakten beruhen auf vorgeschobenen Gründen, auf Vorwänden, genau wie 2018, als der Hambacher Wald geräumt wurde. Damals war es der angeblich fehlende Brandschutz (inzwischen vom Gericht als Vorwand geoutet), jetzt sind es die Energiekrise, der Krieg und die Versorgungssicherheit.
Obwohl diverse Studien, auch im Namen der Bundesregierung, das Gegenteil beweisen, auch in Zeiten des Krieges und des zusätzlichen Kohlebedarfs wird die Kohle unter Lützerath eben nicht gebraucht. Alle jetzt herangezogenen Gutachten zur angeblich unvermeidbaren Inanspruchnahme von Lützerath beruhen ausschließlich auf Zahlen und Berechnungen von RWE. Erinnert sich noch wer? In 2018 hieß es, ohne die sofortige Rodung des Hambacher Waldes wäre die Stromversorgung NRWs gefährdet … sind bei Ihnen die Lampen ausgegangen?
Stattdessen ist die Räumungsmaschinerie in vollem Gang, unter anderem
– um die besten landwirtschaftlichen Böden NRWs zu vernichten
– um dutzende von geschützten Tieren aus den Winterquartieren zu vertreiben
– um viele jahrhundertealte Bäume zu fällen
– um denkmalgeschützte Gebäude und Höfe und Kulturdenkmale abzureissen (erinnert sich wer an den Aufschrei bei Kartoffelpürree auf Glascheiben vor Gemälden…?)
– um unüberschaubare Kosten zu generieren, die Räumung im Hambacher Wald hat zwischen 30 und 50 Millionen Euro gekostet…
– um schwerste Verletzungen und Traumatisierungen von Menschen auf beiden Seiten zu riskieren, wieso sind eigentlich die Politiker*innen noch im Amt, die die rechtswidrige Räumung 2018 zu verantworten haben, in deren Verlauf der junge Blogger Steffen Meyn starb?
– um einzig und allein die wirtschaftlichen Interessen eines Konzerns (RWE) zu sichern, der selber sagt „Ein Umplanen oder gar Verkleinern des Tagebaus, um Lützerath zu schonen, ist nur unter betriebswirtschaftlichen Einbußen möglich.“
– um die völkerrechtlich verbindliche Einhaltung des 1,5 Grad-Zieles vollkommen unmöglich zu machen
– um Fakten zu schaffen, obwohl entgegen aller Behauptungen eben nicht alles rechtlich geklärt ist, die Eibenkapelle in Lützerath ist im Besitz der katholischen Kirche, eine Wiese gehört nicht RWE, weitere Prozesse sind anhängig
– um ein zweifelhaftes Rechtsverständnis zu zementieren, ist es ein Zufall, dass Landrat Pusch in seiner Neujahrsansprache die Aktivisten in Lützerath und die Reichsbürger in einem Atemzug nennt?
– um das Vertrauen vieler vor Allem junger Menschen in die Glaubwürdigkeit von Politik vollends zu erschüttern. Es ist noch nicht lange her, da haben viele der jetzt handelnden Politiker*innen Wahlkampf mit dem Erhalt von Lützerath gemacht. Frei nach dem Motto: Was schert mich das Geschwätz von gestern…
Werte Politiker*innen, werte Entscheidungsträger*innen, werte Polizist*innen, ich und viele andere Menschen appellieren an Sie:
Stoppen Sie die Räumungsvorbereitungen in und um Lützerath!
Sorgen Sie für eine dauerhafte Befriedung im Rheinischen Revier.
Damit die 1,5 Grad-Grenze eingehalten wird, muss die Kohle unter Lützerath im Boden bleiben! Die Landesregierung muss mit RWE ein Räumungsmoratorium für Lützerath vereinbaren. Statt auf eine unnötige Eskalation der Situation unter Gefährdung von Menschenleben zu setzen, sollten Gespräche für eine friedliche Lösung vereinbart werden.
Die Braunkohle unter Lützerath wird auch in der aktuellen Krisensituation nicht benötigt. Versorgungssicherheit braucht Investitionen in erneuerbare Energien. Für 100 Prozent Sonne und Wind! Die Zukunft ist Erneuerbar.
RWE versucht am Tagebau Garzweiler Fakten zu schaffen. Doch Deutschland und die Welt können sich die Klimaschäden durch die rheinische Braunkohle nicht länger leisten.
Aus allen diesen Gründen appellieren wir an Sie: Sorgen Sie bitte dafür, dass die Vorbereitungen zur Räumung von Lütezrath umgehend eingestellt werden.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns einen gesegneten Jahreswechsel und ein räumungsfreies 2023.

Mit freundlichen Grüßen,
Michael Zobel aus Aachen

Immer wieder Abrisse von Kreuzen am Tagebau Garzweiler: Offener Brief an RWE-Pressesprecher Guido Steffen & Pressemitteilung der Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“

In den letzten Wochen wurden am Tagebau Garzweiler insgesamt fünf Kreuze abgerissen und entfernt, die zum Teil in feierlichen Gottesdiensten von der Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ aufgerichtet worden waren: So zum Beispiel das am Karfreitag errichtete, mit dem Hungertuch von Misereor verhüllte Kreuz oder das zum Jahrestag „Ein Jahr Gottesdienste an der Kante“ am 16. Mai aufgestellte Kreuz. Aber auch das bereits an Weihnachten im Gedenken an den dritten Jahrestag der Zerstörung des Immerather Doms auf dessen Fundamenten aufgerichtete Kreuz wurde – zeitgleich mit dem Karfreitagskreuz – entfernt.

“Wir stehen fassungslos vor dieser wiederholten Zerstörung religiöser Symbole, die den Menschen der Region Hoffnung gaben auf Versöhnung, auf Frieden“, so Cornelia Senne von Die Kirche(n) im Dorf lassen. „Die Menschen fragen uns: Wer tut so etwas? Und warum? Werfen sie die Kreuze einfach auf den Müll?“

Viele sind überzeugt, dass die RWE power AG für die Entfernung der Kreuze verantwortlich ist. Daher hat „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ eine Anfrage an RWE gerichtet (s. unten), um diese Fragen zu klären und eventuell falsche Verdächtigungen aus der Welt zu schaffen.

Besonders schmerzlich ist für Anselm Meyer-Antz von der Initiative die Zerstörung des „Jubiläums-Kreuzes“, an das Gottesdienstbesucher*innen auf Stoff geschriebene Gebete geheftet hatten: „In der Vorstellung des tibetischen Buddhismus müssen solche Gebetsfahnen bis zur vollständigen Verwitterung dem Wind ausgesetzt bleiben – erst in diesem Moment erreicht das Gebet den Himmel.“ Die Zerstörung der Gebetsfahnen sei daher nicht nur äußerst rücksichtslos, sondern
ein massiver Eingriff in die Freiheit der Religionsausübung.

„Wir werden nicht aufhören, in der ‚gottverlassenen‘ Wüstenei der zerstörten Dörfer Kreuze aufzurichten und so auf die konkrete Anwesenheit Gottes in der Welt zu verweisen – gerade an solchen Orten der Zerstörung“, so noch einmal Cornelia Senne. „Auf eine andere Weise, auf religiöser Ebene, wiederholen wir den Spruch des Bundesverfassungsgerichts mit seinem Appell an unsere Verantwortung für kommende Generationen, für die Menschen weltweit, für die Schöpfung.“

Die Kreuze standen auf frei zugänglichem Gelände, waren solide verankert und stellten somit keinerlei Gefahr für die Öffentlichkeit dar.

 

OFFENER BRIEF zu den Kreuzabrissen an RWE-Pressesprecher Guido Steffen

Sehr geehrter Herr Steffen,
in den vergangenen Wochen wurden zahlreiche, auch von der Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ aufgerichtete Kreuze am Tagebau Garzweiler abgerissen:

– das im Rahmen unseres Karfreitag-Gottesdienstes in Lützerath aufgerichtete (verhüllte) Kreuz
– am gleichen Tag das an Weihnachten zum Gedenken an den Fall des Immerather Domes auf seinen Fundamenten errichtete Kreuz
– ein weiteres im Mai am Ort des Karfreitags-Kreuzes in Lützerath errichtetes Kreuz
– das im Rahmen unseres Jubiläums-Gottesdienstes am 16. Mai in Lützerath errichtete Kreuz
– zwei nach diesem Abriss an gleicher Stelle aufgerichtete Kreuze

Wir stehen fassungslos vor dieser wiederholten Zerstörung religiöser Symbole, die den Menschen der Region Hoffnung geben auf Versöhnung, auf Frieden. Und wir werden von diesen Menschen gefragt: „Wer tut das? Die von RWE? Warum machen sie das? Was machen sie mit dem Kreuz? Werfen sie es einfach auf den Müll?“

Wir sehen uns außerstande, diese Fragen zu beantworten, reichen sie deshalb an Sie weiter – und hoffen gemeinsam mit den Menschen vor Ort auf eine Antwort.
Cornelia Senne
für „Die Kirche(n) im Dorf lassen