Protokoll der denkwürdigen Landtags-Fragestunde am 10.7. zu zwei kleinen Anfragen bezüglich des Hambacher Waldes

Update 26.8.2019: Inzwischen liegt auch das offizielle Plenarprotokoll der Sitzung vom 10.07.2019 vor; der in Folgenden behandelte Teil beginnt auf S. 74 (Mündliche Anfrage 48) bzw. 76 (Mündliche Anfrage 49) und geht bis Seite 87.

Vorbemerkung: Die Abgeordnete Wibke Brems (Bündnis 90 Die Grünen) fragte am 23.05. in einer kleinen Anfrage zum RWE-Tagebau Hambach im Landtag NRW, „Sieht die Landesregierung tatenlos zu, wie RWE den Rodungsstopp im Hambacher Wald untergräbt?“.

Die Antwort der Landesregierung (Minister Pinkwart) erfolgte am 05.07. (zu diesem Zeitpunkt war die Tagebaukante an der nordöstlichen Ecke schon bis auf 50 m (zu sehen bei der Aktion „Rote Linie“ am 30.06.) an den Hambacher Wald herangerückt.

https://wibke-brems.de/2019/05/27/sieht-die-landesregierung-tatenlos-zu-wie-rwe-den-rodungsstopp-im-hambacher-forst-untergraebt/

Die TAZ berichtete: https://taz.de/Baggern-am-Hambacher-Forst/!5605384/.

Vorausgegangen war die gemeinsame Pressekonferenz von BUND, der Aachener Initiative 3 Rosen und anderer Wald- und Klimaschützer*innen am 27.6., wo die Forderung ‚Keinen Meter weiter‘ erhoben wurde. Der BUND bewertet die beschwichtigenden Aussagen von RWE und Landersregierung sehr kritisch, vgl.

https://www.bund-nrw.de/presse/detail/news/braunkohlenbagger-gefaehrden-hambacher-wald/.

Unbeantwortet blieb bisher die Frage nach der Standsicherheit der Böschungen, die bekanntlich für RWE noch im Herbst, bei noch wesentlich größerem Abstand der Tagebaukante zum Forst. Anlass gewesen war zu behaupten, der Hambacher Wald sei nicht zu retten. Dies nahm Wibke Brems in der Fragestunde vom 10. Juli 2019 im Landtag NRW zum Anlass, noch einmal nachzuhaken, präzisere Auskünfte über die für den Erhalt des Hambacher Forsts getroffenen Maßnahmen einzufordern und zu fragen, warum die Landesregierung RWE nicht endlich anweist, die Abraumgewinnung im Bereich des Hambacher Waldes umgehend einzustellen.

Außerdem hatte die Fraktion der Grünen im Landtag NRW am 27.02.2019 eine kleine Anfrage zu den Abläufen im Vorfeld der Räumung der Baumhäuser im September 2018 gestellt, bei deren Beantwortung im April 2019 wesentliche Punkte offen blieben. Die Fraktion blieb am Ball und hakte Ende Mai mit sechs weiteren kleinen Anfragen nach der genauen Rolle der Landesregierung bei der Räumung der Baumhäuser im Detail nach.

Die Anfang Juli eingegangenen Antworten der Landesregierung zeigen: Ministerin Scharrenbach und Minister Reul verstricken sich weiter in Widersprüche und können den Vorwurf, die Landesregierung habe als willige Erfüllungsgehilfin für RWE gehandelt, nicht ausräumen.

https://wibke-brems.de/2019/05/27/die-raeumung-der-baumhaeuser-im-hambacher-wald-im-sommer-2018-wie-genau-war-die-rolle-der-landesregierung/

In der Fragestunde am 10.07. kam es dann mit einer nochmaligen mündlichen Anfrage der Abgeordneten Schäffer zum Showdown. Scharrenbach und Reul verstrickten sich noch mehr in heillose Widersprüche, besonders Reul redete sich um Kopf und Kragen; beide mussten über fast eine ganze Stunde 23 Nachfragen beantworten und verweigern weiterhin die konkrete Antwort auf wesentliche Fragen, vor allem jede konkrete Antwort zu den mit RWE geführten Gesprächen. Zu den Merkwürdigkeiten gehört, dass die beauftragte, CDU-nahe Anwaltskanzlei bereits Wochen vor ihrer offiziellen Beauftragung an ihren Gutachten arbeitete. Zusammen mit den zahlreichen Merkwürdigkeiten, die bereits in den Sitzungen des Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen zutage traten, vor allem dank des beharrlichen Nachhakens von Stefan Kämmerling (SPD), der seit Herbst 2018 immer wieder auf den Widerspruch von offizieller Begründung für die Räumung und tatsächlichem Handeln der Landesregierung hinwies, wäre es allmählich wirklich angezeigt, dass sich Grüne und SPD auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verständigen. Die Sache stinkt zum Himmel.

Wir dokumentieren hier im Wortlaut die Behandlung beider Fragen im Rahmen der Fragestunde der Plenarsitzung am 10.07. (Transkript nach der Videoaufzeichnung, die unter der Adresse

https://www.landtag.nrw.de/home/aktuelles-presse/parlaments-tv/video.html?id=1104303

abrufbar ist, Zeitraum: 15:27 (t = 05:24) – 16:31 (t = 06:27).

Protokoll: Bernd-Christoph Kämper (twitter: @bckaemper)

Landtag NRW, 62. Plenarsitzung vom 10.07.2019,

6 Fragestunde (Drucksache 17/6822)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: (…) ich rufe auf die Mündliche Anfrage 48 der Frau Abgeordneten Brems der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema “Warum sorgt die Landesregierung nicht dafür, dass RWE das OVG-Urteil zum Hambacher Wald respektiert?”

Mündliche Anfrage 48. Abgeordnete Wibke Brems (GRÜNE): Warum sorgt die Landesregierung nicht dafür, dass RWE das OVG Urteil zum Hambacher Wald respektiert?

Das OVG Münster hat in seinem Beschluss vom 5.10.2018 nicht nur entschieden, dass RWE im Hambacher Wald bis auf weiteres keine Bäume roden darf, sondern auch alle sonstigen Maßnahmen zu unterlassen hat, die den Wald in seinem Fortbestand gefährden könnten. Eine solche Maßnahme stellt ohne Zweifel das aktuelle Heranrücken der Tagebaukante an den Waldrand auf mittlerweile stellenweise nur noch 50 Meter dar. Nach Einschätzung des Geologischen Dienstes sollte ein Abstand von 50 Metern eingehalten werden, um die Wurzeln der Bäume nicht zu gefährden. Doch statt einer eindeutigen Weisung an RWE, den Abtrag der 1. Sohle im Bereich des Hambacher Waldes umgehend einzustellen oder zumindest einen klar definierten Abstand einzuhalten, gibt sich die Landesregierung mit einer womöglich mündlichen Zusage von RWE zufrieden, die Einschätzung des Geologischen Dienstes zu beachten.

Aus welchem Grund unterbleibt eine Weisung an die RWE Power AG vonseiten der Bergbehörde, die Abraumgewinnung im Bereich des Hambacher Waldes umgehend einzustellen?

Wie bewertet die Landesregierung die aktuelle Böschungsstatik im Bereich des Hambacher Waldes?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Sie wissen, die Landesregierung entscheidet selbständig, welches Mitglied der Landesregierung eine mündliche Anfrage beantwortet; in diesem Fall hat die Landesregierung entschieden, dass Herr Minister Pinkwart antwortet. Ihr Mikrofon ist offen, Herr Minister Prof. Dr. Pinkwart, und es bleibt auch während der Nachfragen offen. Bitteschön!

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Ganz herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr verehrte Frau Brems: Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen vom 5. Oktober 2018 bezweckt den Schutz des Hambacher Forstes bis zur Klärung der komplexen Sach- und Rechtsfragen, insbesondere zum Status des Hambacher Forstes in Bezug auf den Europäischen FFH-Gebietsschutz. Das Verwaltungsgericht Köln hat mit seinem Urteil vom 12. März 2019 die Klage gegen die streitige Hauptbetriebsplan-Zulassung erstinstanzlich abgewiesen. Das schriftliche Urteil liegt bislang nicht vor. Das Klageverfahren ist jedoch nicht rechtskräftig abgeschlossen und die Zulassung ist nicht bestandskräftig. Der Hambacher Forst darf daher bis auf weiteres weder durch Rodung noch durch andere Maßnahmen in seinem Bestand gefährdet werden.

Soweit einleitend nochmal zur Rechtslage, über die wir hier im Plenum ja auch schon an anderer Stelle, zuletzt am 20. März durch meinen Bericht gesprochen haben.

Ich komme nun zu den von Ihnen, liebe Frau Brems, geäußerten Befürchtungen einer Gefährdung des Hambacher Forstes durch das Heranrücken der Tagebaukante und möchte Ihnen unser diesbezügliches Handeln darlegen. Hierzu möchte ich zunächst auf die gegenüber RWE ausgesprochene Prüfbitte von Herrn Ministerpräsident Armin Laschet hinweisen, die am 19. Februar 2019 zur Unternehmenserklärung geführt hat, die Umsetzung der Empfehlungen der Kommission für Wachstum, Struktur und Beschäftigung bezüglich des Erhalts des Hambacher Forstes zu prüfen und unabhängig von der gerichtlichen Entscheidung auch in der kommenden Rodungsperiode auf Rodungen zu verzichten. Selbstverständlich ist, dass damit auch keine sonstigen Maßnahmen durchgeführt werden, die den Bestand des Hambacher Forstes gefährden könnten.

Seit einigen Wochen rückten nun Befürchtungen in den Fokus, die Bäume im Hambacher Forst seien durch das Heranrücken des Tagebaus gefährdet. Insbesondere geht es dabei um die Wasserversorgung der Bäume vor dem Hintergrund der Grundwasserabsenkung insgesamt, und speziell der aktuellen niederschlagsarmen Witterung.

Mitte Mai hat RWE der Landesregierung eine durch das Kölner Büro für Faunistik angefertigte Stellungnahme zur behaupteten Gefährdung von Waldlebensräumen übersandt. Die Stellungnahme sieht im Ergebnis keine relevanten Beeinträchtigungen der für den Hambacher Forst maßgeblichen Waldlebensraumtypen oder ihrer Lebensgemeinschaften durch den herannahenden Tagebau. RWE bestätigt, dass der Abtrag der 1. Sohle mindestens soweit vom heutigen Waldrand entfernt bleibt, dass der Baumkronenbereich und die Wurzeln der Bäume sicher nicht beeinträchtigt werden.

Wir haben uns aber nicht auf diese Unternehmensangaben verlassen, sondern eine fachliche Überprüfung zu dem Thema durch den Geologischen Dienst veranlasst. Nach dessen Prüfung erreichen die Baumwurzeln im Hambacher Forst das Grundwasser nicht. Ihre Wasserversorgung ist allein durch die Niederschläge und deren Speicherung im Boden gewährleistet. Das Wasser, Kapillar- und Adsorptionswasser wird im Boden gehalten, sodass kaum Wasserverluste zu erwarten sind, wenn der Boden an einer Böschung angeschnitten wird. Die Wasserversorgung der Wurzeln der Bäume des Hambacher Forstes ist durch die aktuelle Abraumgewinnung auf der 1. Sohle nicht beeinträchtigt.

Ich komme nun zum Abstand des Tagebaus zum Hambacher Forst. Nach Auskunft der Bergbehörde vom 28. Juni 2019 hat er sich lediglich an einer Stelle dem Hambacher Forst auf 50 m genähert. In den anderen Bereichen ist der Tagebau deutlich weiter, zwischen 100 und 200 m vom Hambacher Forst entfernt. Nach fachlicher Einschätzung des Geologischen Dienstes vermeidet ein Abstand von ca. 50 m Abstand zum Hambacher Forst die Beeinträchtigung des Baumbestandes. Sollte näher herangerückt werden, so wären zunächst gutachtliche Bewertungen erforderlich, ob eine Beeinträchtigung der Bäume eintreten könnte. RWE hält die vom Geologischen Dienst Nordrhein-Westfalen empfohlenen Abstände von 50 m ein, um Beeinträchtigungen der Wasserversorgung zu vermeiden. RWE hat dies schon vor einigen Tagen mündlich gegenüber der Fachabteilung meines Hauses bestätigt. Unabhängig von dieser Zusicherung hat die Bergbehörde am 2. Juli das Unternehmen schriftlich auf diesen einzuhaltenden Abstand hingewiesen. Der guten Ordnung halber hat RWE dies nun auch nochmals schriftlich gegenüber meinem Haus bestätigt. Einer Weisung an das Unternehmen bedarf es daher nicht. Der Abstand wird im Rahmen der bergbehördlichen Aufsicht kontrolliert.

Und abschließend möchte ich die Frage der Böschungsstatik beantworten. Dazu ist festzuhalten, und damit beziehe ich mich auch auf Unternehmensangaben, dass der Tagebau mit seiner 1. Sohle Ende 2019 in dargestellter Weise zum Stillstand kommen wird und in Folge die tieferliegenden Sohlen auflaufen, damit eine eingeschränkte Braunkohlengewinnung möglich bleibt. Diese Betriebsführung setzt zwangsläufig ein standsicheres Böschungssystem gemäß der bergbehördlichen Richtlinie für Standsicherheitsuntersuchung RfS voraus und wird selbstverständlich im Zuge regelmäßiger Befahrungen durch die Bergbehörde kontrolliert. Damit ist auch der Hambacher Forst nicht in Gefahr. Damit sollte der Sachverhalt aus meiner Sicht hinreichend aufgeklärt sein. Vielen Dank!

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister, die erste Nachfrage stellt die Frau Kollegin Brems.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Minister, Sie haben jetzt gerade davon gesprochen, dass der Geologische Dienst in seiner Stellungnahme gesagt habe, dass eben unterhalb von 50 m Abstand dann eine gutachterliche Bewertung erforderlich sei. In dem Gutachten oder in der Stellungnahme des Geologischen Dienstes, das wir online finden konnten, steht aber der Satz, aus den Maximalwerten für die kapillare Wassernachlieferung und für die Erstreckung der Feinwurzeln ergibt sich grundsätzlich ein Abstand von ca. 50 m. Das ist aus meiner Sicht eine andere Aussage als die, die Sie gerade getätigt haben hier und auch in der kleinen Anfrage, von daher würde ich Sie nochmal bitten zu erläutern,wie Sie zu dieser Diskrepanz kommen, wo der Geologische Dienst doch klar sagt, es gilt ein Minimalabstand. Sie aber sagen, darunter müsste man nochmal genauer schauen.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Ja, Frau Präsidentin, liebe Frau Brems, der Wert von 50 m basiert auf bodenkundlich- pflanzenphysiolgischen Gesichtspunkten. Der Radius der Feinwurzeln, aus denen die Bäume Wasser aus dem Boden beziehen, ist gleich der Wuchshöhe der Bäume. Ausgehend von einer Wuchshöhe von maximal 40 m für die Eichen im Hambacher Forst und den Maximalwerten der kapillaren Wassernachlieferung durch die vorhandenen Bodenarten – schwach- oder mitteltoniger Schluff – ergibt sich aufgerundet ein Mindestabstand von 50 m. Ob es darüber hinaus, also in einem engeren Bereich, auch noch möglicherweise Bewegungsspielraum gebe, das hat der Geologische Dienst einer weiteren Untersuchung vorbehalten. Er selbst schließt jedenfalls aus, dass bis zu 50 m aufgrund dieser Sachdarlegung eine Beeinträchtigung des Waldes entstehen könnte. Umgekehrtermaßen hat RWE erklärt, dass es nicht näher als 50 m heranrückt, was durch die Bergbehörde auch geprüft ist, sie ist nur an einer Stelle bis 50 m herangerückt, ansonsten deutlich weiter entfernt. Das Unternehmen erklärt schriftlich, dass es nicht näher als 50 m heranrücken wird, damit sind alle Voraussetzungen gewährleistet, dass der Hambacher Forst in seiner Substanz hier in keiner Weise in Mitleidenschaft gezogen wird.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister, die nächste Frage stellt Ihnen Frau Kollegin Schäffer von Bündnis 90/Die Grünen.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich erinnere mich gut daran, dass im Herbst letzten Jahres RWE ja behauptete, dass der Hambacher Wald aus rein technischen Gründen gerodet werden müsste, da ansonsten die Böschung des Tagebaus zu steil werden würde. Nur zur Erinnerung: damals war die Tagebaukante ungefähr 400 m vom Wald entfernt, jetzt sprechen wir von einer Entfernung von nur noch 50 m, und insofern wäre meine Frage, wie Sie das Voranschreiten des Tagebaus in Richtung Böschungskante hinsichtlich der Statik für den Wald bewerten.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Ja, Frau Präsidentin, sehr verehrte Frau Abgeordnete, die früheren Einschätzungen von RWE gingen ganz offensichtlich und wie ich finde gut begründet, nämlich fußend auf der von Ihrer Partei mitgetroffenen Leitentscheidung von einer genehmigungskonformen Betriebsführung aus und bezogen keine ferner liegenden aufwendigeren Varianten ein, wie z.B. ein Tagebaubetrieb mit überwiegender Abraumgewinnung. Jetzt betreibt RWE den Tagebau mit verringerter Braunkohlengewinnung und gestaltet die Gewinnungsböschung flacher und damit standsicher. Sonst könnte sie ihre Zusage, die sie dem Ministerpräsidenten gegeben hat und die noch offene Rechtslage in keiner Weise hinreichend berücksichtigen. Und soweit ist der Braunkohlentagebau erschwert, das Unternehmen stellt sich diesen erschwerten Bedingungen und hält seine Verpflichtungen und Zusagen ein.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. Falls es keine weiteren Wünsche nach Nachfragen gibt, das ist so, dann war das mit der 2. Nachfrage dann auch die letzte Frage in der Beantwortung der Mündlichen Anfrage 48, die ist damit durch Sie beantwortet, und ich rufe auf die Mündliche Anfrage 49 der Frau Abg. Schäffer der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema “Wie genau kam es zur Räumung des Hambacher Waldes im Herbst 2018?”.

Mündliche Anfrage 49. Abgeordnete Verena Schäffer (GRÜNE): Wie genau kam es zur Räumung des Hambacher Waldes im Herbst 2018?

Zur Kommunikation und den Aktivitäten der Landesregierung, die zur Räumung der Baumhäuser im Hambacher Wald im Herbst 2018 geführt haben, sind weiterhin viele Fragen offen. Der Verdacht konnte bislang nicht ausgeräumt werden, dass die Landesregierung in ihrem Handeln primär ein Ziel verfolgte: RWE den mit Antrag vom 2.7.2018 geäußerten Wunsch zu erfüllen, den Hambacher Wald von Baumhäusern zu räumen, um den Wald roden zu können. Die Antworten der Landesregierung auf mehrere Kleine Anfragen aus den Reihen unserer Fraktion lassen viele Fragen unbeantwortet und werfen zudem durch widersprüchliche Aussagen zu vorherigen Antworten neue Fragen auf. So wird u.a. die Aussage in der Antwort auf die Kleine Anfrage 2120 (Drucksache 17/5672) zurückgenommen, wonach die Rechtsanwaltskanzlei Baumeister Partnerschaft mbH in Münster am 31.08.2018 mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens im Zusammenhang mit der Räumung der Baumhäuser im Hambacher Wald beauftragt wurde. Stattdessen sei die Beauftragung der Erstellung des Rechtsgutachtens vor diesem Datum erfolgt. Wann das Gutachten jedoch tatsächlich beauftragt wurde, bleibt unbeantwortet. Unklar ist in diesem Zusammenhang ebenfalls, wann die Gutachtenaufträge an die Rechtsanwaltskanzlei tatsächlich durch das Innenministerium NRW erfolgten. Laut der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2120 von Abgeordneten der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/5672 – soll das Innenministerium NRW den „Zuschlag“ am 10.08.2019 erteilt (Antwort der Landesregierung, Seite 2). Der Gutachtenauftrag soll laut Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2566 von Abgeordneten der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/6769 – jedoch schon „im Zeitraum vom 11.07.2018 bis 24.08.2018 erfüllt“ worden sein (Antwort der Landesregierung, S. 2 unter 5.).

Unabhängig von der Frage der Rechtsgutachten werfen die aktuellen Antworten der Landesregierung Fragen zum Verhältnis von staatlichen Auftraggebern auf der einen Seite und dem Handeln privatwirtschaftlicher Akteure auf der anderen Seite auf. So soll das Polizeipräsidium Aachen diverse Gerätschaften, die zur Räumung benötigt wurden, von RWE angemietet haben und Beschäftigte der Firma RWE sollen fortlaufend als „Verwaltungshelfer“ herangezogen worden sein (Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2568 – Drucksache 17/6765).

Wann wurden jeweils die Rechtsgutachten des Ministeriums des Innern und des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichberechtigung in Auftrag gegeben?

In welcher Höhe haben das Polizeipräsidium Aachen und andere öffentliche Stellen seit dem 01.07.2018 bis heute im Zusammenhang mit der Besetzung bzw. Räumung des Hambacher Waldes Geld an die RWE AG bzw. mit ihr verbundene Unternehmen gezahlt?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Hier hat die Landesregierung angekündigt, dass Frau Ministerin Scharrenbach, deren Mikrofon ich jetzt soeben freigeschaltet habe, die Mündliche Anfrage 49 beantworten wird, Sie haben jetzt das Wort.

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Frau Brems. Vielen Dank für die Fragen, die Sie uns gestellt haben. Der Ministerkollege Herbert Reul sitzt zu meiner Rechten, weil wir uns die Beantwortung teilen, da beide Häuser angefragt sind. Insofern gestatten Sie einleitend, Sie fragen, wann jeweils die Rechtsgutachten des Ministeriums des Innern und des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichberechtigung des Landes Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben worden sind. Sie beziehen sich dabei im Besonderen auf eine Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage unter der Drucksache 17/6769, wo wir uns in Beantwortung der Frage 5 zu einer Richtigstellung der Daten veranlasst gesehen haben. Wir haben Ihnen dort dargelegt, dass das von meinem Hause beauftragte Gutachten am 31. August vorlag und im Gegensatz zu einer vorbeantworteten kleinen Anfrage dieses Gutachten vor dem Datum in Auftrag gegeben wurde, insofern darf ich Ihnen Ihre direkte Frage auch entsprechend beantworten: mein Haus hat das für das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung in Auftrag gegebene Gutachten am 29. August beauftragt. Für den zweiten Teil der Frage, wenn Frau Präsidentin gestattet, gebe ich weiter an den Ministerkollegen Herbert Reul.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Ja, ich schalte auch das 2. Mikro frei, jetzt sind im Moment beide Mikros offen, wenn Sie daran einfach nur denken.

Herbert Reul, Minister des Innern: Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren Abgeordnete, zunächst möchte ich nochmal richtig stellen, dass die Räumung der illegal errichteten Baumhäuser im Hambacher Forst aufgrund eines Vollzugshilfeersuchens der zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörden erfolgte, weil Gefahr für Leib und Leben bestand. Und die Räumung erfolgte nicht aufgrund eines Wunsches der RWE Power AG. Die Rechtmäßigkeit der Räumung wurde übrigens, wie Sie wissen, gerichtlich bestätigt. Es gab eine gerichtliche Überprüfung, und zwar, und es ist mir wichtig zu betonen, mit dem Tenor, dass gerichtlich zum einen bezweifelt wurde, ob sich Baumhausbesetzer überhaupt auf das Versammlungsrecht berufen können, da die Verfassung nur das Recht gewährleistet, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Und dies treffe auf die Waldbesetzer im Hambacher Forst nicht zu. Bei den zahlreichen Baumhäusern im Hambacher Forst handele es sich um Rückzugs- und Aufenthaltsorte für gewaltbereite Waldbesetzer, die für die Polizei nur unter erheblicher Gefahr zugänglich seien. Zweitens hat das Gericht festgestellt, zudem müssten die Bewohner in gewisser Weise vor sich selbst geschützt werden, da es sich bei den Baumhäusern um bauordnungswidrige Anlagen handele, von denen Gefahren ausgehen.

Jetzt zu den konkreten Fragen:

1. Es wird gefragt, wann die rechtliche Begutachtung durch die Fachanwaltskanzlei in Auftrag gegeben wurde. Angesichts des sehr kurzen Zeitfensters hinsichtlich der Räumung und der im Sommer 2018 erlaubten Rodung sowie hinsichtlich der sehr aufwändigen Vorbereitung polizeilicher Vollzugshilfeeinsätze wurde zunächst nach den vergaberechtlichen Vorschriften eine Marktschau durchgeführt. Diese Marktschau hatte zum Ergebnis, dass in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und angesichts der erforderlichen fachanwaltlichen Spezialisierung nur eine Fachanwaltskanzlei zur Erbringung der Leistungen in Betracht kommen würde. Sodann wurde ein vergaberechtlich zulässiges Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb in einer rechtlich zulässigen abgekürzten Form durchgeführt, und der förmliche Zuschlag wurde am 10. August 2018 erteilt. Die schriftlichen Gutachten und Stellungnahmen datieren vom 9. und 14. August und beschäftigen sich mit der Frage der bauordnungsrechtlichen Rechtsgrundlage für Beseitigungsverfügungen, der Nachrangigkeit polizeilicher Eingriffsnormen und der Verpflichtung der Polizei zur Leistung von Vollzugshilfe.

2. Es wird gefragt, in welcher Höhe das Polizeipräsidium Aachen seit dem 1. Juli 2018 im Zusammenhang mit der Besetzung bzw. Räumung des Hambacher Waldes Geld an die RWE AG gezahlt hat. Das Polizeipräsidium Aachen teilt auf Anfrage mit, dass im Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis zum 8. Juli 2019 im Zusammenhang mit der Besetzung bzw. Räumung des Hambacher Forstes insgesamt 13061,95 EUR an die RWE Power AG gezahlt wurden. Es wird auch gefragt, in welcher Höhe Zahlungen an mit der RWE Power verbundenen Unternehmen erfolgten, darüber hinaus wird gefragt, in welcher Höhe andere öffentlichen Stellen Zahlungen tätigten, eine Auswertung hierzu war in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und mit dem vertretbaren Verwaltungsaufwand jetzt nicht möglich.

Meine Damen und Herren, wir sprechen von der Räumung und Beseitigung von illegalen, lebensgefährlichen Baumhäusern, die als Rückzugs- und Aufenthaltsraum für Straftäter dienten. Wir sprechen von einer Situation, die gerichtlich überprüft und bestätigt wurde. Wie ich an anderer Stelle schon einmal betont habe, darf man nach meiner Überzeugung in einem Rechtsstaat kein Preisschild an schwere Straftaten hängen. [Beifall.] Und wie einige Kolleginnen und Kollegen wissen, die vor Ort die Situation ja kennen, gibt es für bestimmte Maßnahmen nur Material der RWE AG, die in der Lage ist, bestimmte Probleme zu lösen, deswegen musste darauf zurückgegriffen werden. So, und wenn die Mittel, die notwendig sind, nicht zur Verfügung stehen, dann beschafft sich die Polizei diese Mittel, soweit das möglich ist. Im Fall der Baumhausräumung schloss die Polizei Verträge mit unterschiedlichen Wirtschaftsunternehmen, und selbstverständlich wurden die erbrachten Leistungen in Rechnung gestellt. Es ist üblich, dass die Polizei in Großeinsätzen auf Geräte und Dienstleistungen auch von Wirtschaftsunternehmen zurückgreift, um den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Das ist unabhängig von der Tatsache zu bewerten, dass die Baumhäuser gegen das Baurecht verstoßen haben, lebensgefährlich waren und deshalb geräumt und entfernt werden mussten. Herzlichen Dank!

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister, die erste Nachfrage stellt Frau Kollegin Schäffer von Bündnis 90/Die Grünen, und vielleicht sagen Sie, an wen Sie die Nachfrage richten, da ja beide, der Minister und die Ministerin, geantwortet haben. Ich muss ein Mikro wahrscheinlich im Moment ausschalten, ich würde das von Herrn Minister Reul ausschalten und versuche jetzt … ja, Frau Schäffer, jetzt ist Ihr Mikrofon frei.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin, ich habe eine Frage, die sich an beide richtet, ich hoffe, das geht auch. Und zwar haben wir sowohl den Innenminister als auch die Bauministerin mit Schreiben vom 29. Mai diesen Jahres darum gebeten, dass uns als Abgeordneten die beiden Rechtsgutachten zur Verfügung gestellt werden. Bislang liegt uns aus beiden Häusern keine Antwort vor und insofern ist meine Frage an beide, an Herrn Reul und Frau Scharrenbach, wann Sie unserer Bitte nachkommen werden.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Ja, vielen Dank. Ich schalte jetzt erst das Mikrofon von Frau Schäffer aus und das zweite von Herrn Reul auch wieder an, dann können Sie sich einigen, wer zuerst antwortet.

Herbert Reul, Minister des Innern: Ladies first!

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schäffer für die Nachfrage. Es ist ja auch Ihre mündliche Anfrage, insofern entschuldigen Sie bitte. Wir haben sehr früh bereits in der damaligen Sitzung am 14. September 2018 wie auch in der darauf folgenden Sonderausschusssitzung im Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen dargelegt, dass das Gutachten, was mein Haus eingeholt hat, überwiegend in die Weisung eingeflossen ist, die wir an die oberen Bauaufsichtsbehörden, datiert auf den 12. September mit der Anweisung zur Räumung ab dem 13. September, 7 Uhr, erteilt haben. Diese Weisung finden Sie in der Anlage 1 zum entsprechenden Ausschussprotokoll mit der Drucksache 17/369. Dort ist der überwiegende Teil des eingeholten Gutachtens hinterlegt, sodass wir mit der Bitte um Verständnis auf eine entsprechende Weitergabe zum jetzigen Zeitpunkt verzichten, da Sie das im Wesentlichen vorliegen haben bereits seit September 2018.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Dankeschön.

Herbert Reul, Minister des Innern: Ich möchte nur ergänzen. Wir prüfen im Moment, inwieweit es möglich ist, diese Unterlage aus dem Haus zu geben, aber sobald das zu Ende geprüft ist, kriegen Sie eine Auskunft, das ist jetzt noch nicht abgeschlossen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank. Dann stellt jetzt die nächste Frage Frau Kollegin Brems von Bündnis 90/Die Grünen.

Wibke Brems (GRÜNE): Ja, Frau Präsidentin, da kann ich mich entsprechend auch anschließen, weil wir es ja auch schon aus anderen Gegebenheiten kennen, dass eigentlich die Landesregierung verpflichtet ist, an sie gerichtete Fragen vollständig und zutreffend zu beantworten. Das ergibt sich ja einerseits aus dem Status von uns, den Abgeordneten, der in Art. 30 Abs. 2 der Landesverfassung geregelt ist, und in dem sog. Priggen-Urteil vom 19. August 2008 wurde das entsprechend nochmal bekräftigt, da stellte der Verfassungsgerichtshof in dem Urteil fest, dass sich das parlamentarische Fragerecht auf, Zitat, “jede politische Angelegenheit erstreckt, in der die Regierung oder eines ihrer Mitglieder tätig geworden ist oder kraft rechtlicher Vorschriften tätig werden kann.” So, vor diesem Hintergrund stelle ich dann meine Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage hält die Landesregierung die mit Steuermitteln finanzierten Gutachten bzw. Beratungsergebnisse vor der Öffentlichkeit zurück? Die Aussagen, die Sie gerade getroffen haben, Frau Ministerin Scharrenbach, dass das einfach darin enthalten sei, können wir so nicht nachvollziehen, sondern für uns gilt das, was ich gerade gesagt habe, dass wir das Auskunftsrecht hier klar bei uns sehen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Es sind beide Mikros offen, Sie müssten sich verständigen …

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. Wie bereits ausgeführt, Ihnen vorliegend seit September 2018, mit einer 41 Seiten umfassenden Weisung an die oberen Bauaufsichtsbehörden die Inhalte des Gutachtens wiedergegeben, das ist auch im Rahmen der Sonderausschusssitzung dargelegt worden, insofern gibt es darüber hinaus keine weiteren Inhalte, die das Gutachten im wesentlichen trägt. [Zwischenrufe.] Sie haben ja gerade vernommen, dass im Bereich des Ministeriums des Innern eine Herausgabe geprüft wird, Sie haben aber sicherlich auch Verständnis, ohne dem Kollegen Innenminister vorzugreifen, dass natürlich die Anspruchsgrundlagen, die enthalten sind, zum einen öffentlich bekannt sind, zum anderen aber auch Anspruchsgrundlagen für mögliche weitere Handlungsschritte sein könnten, insofern hier auch mögliche einsatztaktische Gründe beider Häuser eine Relevanz besitzen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin. Möchten Sie ergänzen?

Herbert Reul, Minister des Innern: Ja, gerne. Das eine hab ich gesagt, wir prüfen, damit ist noch offen, wie die Prüfung ausgeht, das ist logisch. Ich kann Ihnen natürlich was zu dem Inhalt sagen und auch zu dem Grund für diese Prüfung, das ist vielleicht inhaltlich viel interessanter. Wir haben diese Prüfung durch ein Gutachten in Auftrag gegeben, weil nach unserer Auffassung die Rechtsmeinung der Vorgängerregierung verfehlt war. Da wurde nämlich vorgetragen, Baumhäuser seien keine baulichen Anlagen und die Polizei müsse nicht eingreifen. Wir haben damals, Sie erinnern sich vielleicht, das ist von 2014, da gibt es einen Erlass der damaligen Regierung, da wird formuliert, mit Genehmigung der Präsidentin zitiere ich daraus, “Ich teile die Auffassung des Kreises Düren, wonach es sich bei den beispielhaft genannten Barrikaden auf Waldwegen, ausgehobenen Gräben, Nagelbrettern und Baumhäusern nicht um bauliche Anlagen im Sinne von § 2 BauO NRW handelt. Eine Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde ist daher nicht gegeben, aus Bauprodukten hergestellte Baumhäuser wären allenfalls dann bauliche Anlagen, wenn sie künstlich geschaffene Verbindungen zum Erdboden hätten, wie z.B. Stützen oder Verankerungen bzw. Abspannungen mittels Stahlseilen. Dies ist nach dem mitgeteilten Sachverhalt nicht der Fall.” Wir waren als Regierung der Meinung, dass das, salopp gesagt, barer Unsinn ist. Und hätten wir jetzt, Frau Schäffer, meine Damen und Herren, hätten wir jetzt in unserem Haus das selber geprüft und wären zu dieser Rechtsauffassung gekommen, die wir haben, hatten und haben, dann wette ich, hätten Sie gesagt, das haben Sie sich zurechtgebogen, weil es ihnen politisch nicht passt. Und um da korrekt und 100-prozentig sauber zu sein, haben wir dieses Gutachten in Kauf genommen, um zwei Fragen zu klären: 1. die Frage zu klären, war da Polizei originär oder subsidiär zuständig? Da haben wir eine klare Aussage, die heißt “subsidiär zuständig”, und 2. weil wir geklärt haben wollten von einem Unabhängigen, ob das eine Bauanlage ist oder nicht Bauanlage. Die Frage ist auch in unserem Sinne entschieden worden und damit hatten wir ein Gutachten von unabhängiger Stelle, die die zwei zentralen Fragen beantwortete, wie wir uns verhalten können. Wir waren der Meinung auch vorher, dass das die richtige Meinung ist, aber wir hatten ein Handeln der Vorgängerregierung, die anderer Meinung war, und ich wette, ich wette, wenn wir das nur mit unserem Haus allein geprüft hätten, Sie hätten ein Riesen Theater hier vollzogen. Und deswegen haben wir sicherheitshalber das prüfen lassen. Und deswegen bin ich peinlich berührt, dass mir das jetzt zum Vorwurf gemacht wird, dass wir es gutachterlich unabhängig haben prüfen lassen. [Zwischenrufe. Beifall.] Ich wollte nur den Inhalt mal klarstellen, weil ich finde, das ist relativ… Ich wollte es nur mal klarstellen, ja, ich wollte klarstellen, die Sachverhalte … [weitere Zwischenrufe] ja, aber Sie erwecken ja durch die Fragen den Eindruck, als wären diese Gutachten was irres, schräges, obskures, nicht ordentliches. Und deswegen sage ich Ihnen, das ist der Grund, das ist der Inhalt, dann wissen Sie das schon mal, und die zweite Frage, ob wir das im Originaltext herausgeben, prüfen wir, weil es grundsätzliche Bedeutung hat, ob man solche Gutachten rausgibt, das ist nicht eine Frage, die man nur in einem Fall entscheiden kann. Das bindet dann auch andere Häuser und insofern muss es grundsätzlich entschieden werden.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. Die nächste Frage stellt Kollege Bolte-Richter von Bündnis 90/Die Grünen.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Frage geht an Frau Ministerin Scharrenbach: Frau Scharrenbach, Sie haben jetzt mehrfach ausgeführt, dass in dem angesprochenen Bericht an den Ausschuss die Inhalte des Gutachtens, ihr Zitat “im Wesentlichen” wiedergegeben worden seien. Die Frage ist natürlich, was ist der Inhalt des Gutachtens, den sie bislang nicht veröffentlicht haben und aus welchem Grund haben Sie das nicht veröffentlicht?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Frau Ministerin.

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Sie gestatten, ich beantworte das mal wie folgt: Meiner Kenntnis nach hat das Gutachten eben überwiegend Einfluss und Niederfluss in die Weisung an die oberen Bauaufsichtsbehörden genommen. Wenn Sie gestatten, lege ich gerne beide nebeneinander, und dann gucken wir mal, wieviel von den 3% außer Anrede und Schlusssatz aus dem Gutachten nicht in die Weisung übernommen worden ist.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin. Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Schäffer von Bündnis 90/Die Grünen.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Reul, ich hätte noch eine Frage an Sie, und zwar, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann wurde das Gutachten des Innenministeriums am 10. August 2018 in Auftrag gegeben. Das verwundert mich etwas, da in einer kleinen Anfrage, der kleinen Anfrage 2120 die Landesregierung antwortet, nein, Entschuldigung, ich habe mich vertan, in der kleinen Anfrage 2566, da antwortet die Landesregierung auf unsere kleine Anfrage, dass man im Zeitraum vom 11.7. bis zum 24.8. Einzelvermerke bekommen hätte, der 11.7. liegt bekanntermaßen vor dem 10.8., also bevor der Auftrag sozusagen ausgegeben wurde, und deshalb meine Frage, wie das zusammen geht und wann hier welcher Auftrag erteilt wurde.

Herbert Reul, Minister des Innern: Was ich gesagt habe zur Auftragsvergabe, steht, muss ich ja nicht wiederholen. Trotzdem haben Sie recht mit dem Hinweis auf eine Zeitdifferenz; das hat was damit zu tun, dass die Anwaltskanzlei in Vorleistung, aus eigenen Stücken in Vorleistung getreten ist. Wir hatten da einen wahnsinnigen Zeitdruck, das wissen Sie, der aus unterschiedlichen Gründen entstanden ist, und ich bin dankbar, dass das so funktioniert hat. [Zwischenruf: das ist nicht zulässig.] Übrigens, damit Sie … Sie können jetzt auch noch einige Gutachter damit befassen, aber wir haben das geprüft, das ist rechtlich zulässig, sonst hätten wir das nicht gemacht.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister, die nächste Frage stellt Frau Kollegin Paul.

Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Minister, zum Inhalt des Gutachtens hätte ich noch eine Nachfrage, und zwar betreffend die ablehnenden Bescheide der Städte Kerpen oder der Stadt Kerpen und der Gemeinde Merzenich vom 2. August 2018, was die Räumung des Hambacher Waldes angeht. Dagegen hat RWE keine Rechtsbehelfe eingelegt, obwohl aus Sicht von RWE natürlich eine Räumung für die Rodung notwendig gewesen wäre. Nun hat die Landesregierung auf die Frage aus der kleinen Anfrage 2564 die Frage Nr. 3 nicht beantwortet, und zwar geht die Frage dahingehend, ob das vom Innenministerium am 10. August, oder das vom Innenministerium beauftragte Gutachten unter anderem zu dem Schluss kommt, dass RWE keinen Rechtsanspruch auf die Räumung des Hambacher Waldes hätte durchsetzen können.

Herbert Reul, Minister des Innern: Das was wir geprüft haben ist, es gibt gegen die Polizei keinen Rechtsanspruch auf Räumung.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. Die nächste Frage stellt Kollege Becker von Bündnis 90/Die Grünen.

Horst Becker (GRÜNE): Schönen Dank, Frau Präsidentin, ich hab eben Frau Ministerin so verstanden, dass von dem, was dem Ausschuss vorgelegt worden ist und der Weisung abweichend lediglich 3% exklusive der Anrede und der Unterschrift unwesentlich seien und uns nicht vorgelegt seien, so habe ich Sie sinngemäß verstanden, ich hoffe richtig. Angesichts dieser relativ geringen Menge wundert es natürlich um so mehr, dass geprüft wird. Aber darauf will ich jetzt gar nicht mehr hinaus. Ich möchte jetzt aber gerne Herrn Minister fragen, angesichts dieser geringen Menge, also 3% Abweichung, können Sie uns zusagen, dass Sie die Prüfung bis Mitte nächster Woche abgeschlossen haben?

Herbert Reul, Minister des Innern: Ich glaube, ich habe noch ein klein wenig … Entschuldigung!

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Frau Präsidentin, …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Sie müssten sich verständigen …

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Genau, wir verständigen uns untereinander. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Becker, das Gutachten für das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung ist zur gegenständlichen Grundlage der Weisung geworden. Ich habe zugesagt auf die Anfrage einer ihrer Abgeordneten-Kolleginnen, dass ich gerne das Gutachten neben die Weisung lege, wobei ich davon ausgehe, dass es einen sehr hohen Übereinstimmungsgrad in der Tatsache dessen hat, das der Inhalt, der aus dem Gutachten in die Weisung übernommen haben, das zu meiner Erkenntnis. Um das aber zu verifizieren, muss ich die beiden nebeneinander legen, gehe aber davon aus, dass wir einen hohen, sehr hohen Übereinstimmungsgrad haben. Deshalb unterscheidet sich das Gutachten, was Gegenstand der Weisung ist, in dem Fall im Auftrage meines Hauses erstellt wurde, von dem Gutachten, worauf sich der Innenminister-Kollege bezieht und wozu er eine Prüfung angestellt hat bzw. die Prüfung läuft, ob er dieses Gutachten auf ihre Anschreiben hin herausgibt, oder ob er zu einer möglicherweise anderen Entscheidung im Zuge des Arkanbereichs der Landesregierung kommt.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin. [Gemurmel im Hintergrund.] … ist beantwortet?

Herbert Reul, Minister des Innern: Ja.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Ok. Dann stellt die Frage Frau Kollegin Kapteinat von der SPD-Fraktion.

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Minister, Sie sagten eben, die Anwaltskanzlei sei mit dem Gutachten in Vorleistung gegangen, wenn ich das richtig verstanden hab. Das ist für mich nicht ganz nachzuvollziehen. Das bedeutet, die Anwaltskanzlei hat auf eigene Kappe schon mal angefangen, ein Gutachten zu schreiben, ohne zu wissen, dass sie dazu beauftragt wird?

Herbert Reul, Minister des Innern: Wir haben geprüft, ob das so zulässig ist und haben deshalb dieses Verfahren beschritten; die förmliche, der förmliche Zuschlag ist am 10. August erfolgt.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. Die nächste Frage und damit die dritte Frage stellt ihnen Frau Kollegin Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin. Also, ich muss hier nochmal so ein bisschen die Daten, glaub ich, nochmal auseinander klamüsern, weil ich finde das schon sehr bemerkenswert. Am 2. Juli 2018 beantragt RWE bei der Stadt Kerpen, der Gemeinde Merzenich und dem Polizeipräsidium Aachen die Räumung der Waldbesetzung, damit gerodet werden kann. Das war am 2. Juli 2018. Sie sprechen ja hier immer von einem sehr hohen Zeitdruck. Am 11. Juli, also nur 9 Tage später, kommen die ersten Vermerke an. Am 2. August, korrigieren Sie mich, wenn die Zahlen falsch sind, am 2. August lehnen die beiden Gemeinden ab, also Kerpen und Merzenich sagen, nein, machen wir nicht. Am 10. August geht dann der Auftrag für das Gutachten heraus. Herr Reul, ich würd hier schon gerne nochmal wissen, woher kommt eigentlich dieser Zeitdruck, denn am 2.7., wie gesagt, wird ja erst beantragt. Und schon 9 Tage später kommen die ersten Vermerke, obwohl die Städte zu dem Zeitpunkt ja noch überhaupt nicht entschieden haben.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Schäffer.

Herbert Reul, Minister des Innern: Der Zeitdruck hing nicht zusammen mit den Vorgängen, die Sie darstellen, sondern der Zeitdruck hing zusammen mit der Frage, vor der wir standen, droht da Gefahr im Wald, ja oder nein? Und diese Frage haben wir anders bewertet als die Vorgängerregierung und mussten aber, um handeln zu können, uns rechtlich absichern. Wir hätten es aus unserer eigenen rechtlichen Beurteilung machen können, das habe ich Ihnen eben erklärt, darauf haben wir, davon haben wir Abstand genommen, weil wir das von einer unabhängigen Stelle geprüft haben wollten und haben deshalb den Weg gewählt, überhaupt einen Anwalt, eine Fachkanzlei einzuschalten, und das Ergebnis ist dann gekommen. Das ganze fand natürlich auch in einem Umfeld statt, das Umfeld kennen Sie bestens, aber es ging vorrangig darum, relativ schnell, nein, relativ kann ich streichen, schnell zu der Entscheidung zu kommen, zu der Gewissheit zu kommen, wie, unter welchen Bedingungen wir handeln können. Und das musste rechtssicher sein. Und darum war der Druck.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. Wenn Sie … Frau Ministerin will ergänzen?

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Wenn Sie gestatten, Frau Präsidentin, die Ablehnung in dem Fall der Ordnungsbehörden, die angeschrieben waren als Ordnungsbehörden, ja, Stadt Kerpen und Gemeinde Merzenich, bezog sich darauf, dass beide Gemeinden die Polizei als originär zuständig angesehen haben, das Polizeipräsidium Aachen hingegen die Ordnungsbehörden. Und insofern ist es richtig, auch aus heutiger Sicht unverändert richtig, extern klären zu lassen, darlegen zu lassen, auch vor dem Hintergrund der Entscheidungen innerhalb der Vorgängerregierung, wo gibt es welche Anspruchsgrundlagen, wer ist originär, wer ist subsidiär entsprechend zuständig, und das sind die …, und vor diesem Hintergrund ist das Ministerium des Innern entsprechend rechtsgutachterlich unterwegs gewesen, und vor dem Hintergrund haben wir dann entsprechend auch aufgesetzt, nachdem klar war, dass die Polizei subsidiär zuständig ist und dem Grunde nach das Bauordnungrecht als originäres Eingriffsrecht eine, oder die entsprechende Relevanz hat. Das ist eben der entsprechende Unterschied und das entsprechend noch zur Erläuterung für Sie.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin. So, nun hat Frau Abgeordnete Brems das Recht und das Mikrofon frei für ihre Nachfrage. Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Wibke Brems (GRÜNE): Ja, herzlichen Dank, Frau Präsidentin, das mach ich doch gerne. Ich komme auch nochmal auf den 2. Juli und den 11. Juli zu sprechen, möchte nochmal darauf zu sprechen kommen, dass ja diese Zeit, also ab dem Eingang des Antrags von RWE am 2. Juli, bis zu dem 11. Juli, wo dann schon Einzelvermerke, oder ein Einzelvermerk vorgelegen haben, ja doch eine relativ kurze Zeit ist, selbst wenn Sie jetzt sagen, dass da schon vorgearbeitet wurde dementsprechend, ist aber diese Zeit 9 Tage sehr, sehr kurz zwischen diesen beiden Daten, und es muss ja trotzdem ein Austausch stattgefunden haben, die Fragestellung entsprechend eine erste Information darüber, dass man sich vielleicht auch über Honorare und ähnliches dann einig wird, und vor diesem Hintergrund der wenigen Zeit drängt sich ja irgendwie so eine Vermutung auf, dass das Ministerium bzw. die Landesregierung bereits vor dem 2. Juli einen Hinweis erhalten hat, dass RWE einen Antrag auf Räumung stellen will oder wird. Daher meine Frage, wann wurden durch wen welche Ministerien und diesen untergeordnete Behörden darüber informiert, dass RWE beabsichtige, einen Antrag auf Räumung des Hambacher Waldes zu beantragen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Brems. So, bitte sehr, wer von Ihnen…

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin, Frau Abgeordnete, meine Damen und Herren, das war nun glaube ich für jeden, der Zeitung lesen konnte, relativ klar, dass ein solches Projekt bevorstand, also die Neuigkeit hielt sich sehr in Grenzen, also es sei denn, man war da abgeschaltet. Ich kann Ihnen nur sagen, dass im Frühjahr und im Sommer des Jahres 2018 sich die schweren Rechtsverstöße und die Straftaten in diesem Forst zugespitzt haben, zudem hatte dann der Bundesgerichtshof entschieden, dass private Räumungsansprüche von RWE gegen die Störer aus zivilprozessualen Gründen nicht durchsetzbar waren, und ferner plante, auch nur mal zur Wiederholung, betrieb der Grundstückseigentümer weitere Waldrodungen zur Vorbereitung des weiteren Braunkohlenabbaus, was bis zur Entscheidung des OVG Münster vom 5. Oktober desselben Jahres ausdrücklich innerhalb dieser Rodungsperiode auch erlaubt war. Und deshalb waren die Bauaufsichtsbehörden und die Polizei an einer, waren zu einer sehr raschen Klärung aller Rechtsfragen gezwungen, da gab’s nämlich nur ein sehr enges Zeitfenster zwischen Juni und August. Nur um das nochmal präzise und klar auch zu benennen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Reul. Dann hat jetzt der Kollege Mostofizadeh das Wort für seine Zwischenfrage, oder Nachfrage, nicht Zwischenfrage.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielleicht nur ganz kurz, Herr Minister, ich würde Sie gerne, Sie haben uns mehrfach unterstellt, wir hätten bemängelt, dass Sie überhaupt ein Gutachten in Auftrag gegeben haben, ich stelle fest, dass das nicht der Fall ist, und wenn das anders wäre, würde ich Sie gerne bitten, Belege dafür zu erbringen. Ich möchte Sie aber ganz konkret fragen, weil Frau Ministerin Scharrenbach, also Sie, Landesregierung, fragen, weil Ministerin Scharrenbach auf unsere Frage, … Sie müssen nicht im Raum sein, Herr Siebecke, [Zwischenruf] … auf unsere kleine Anfrage, im oben genannten Zeitraum, auf unsere kleine Anfrage Drucksache 17/5672 haben Sie uns auf die Frage, welche Gespräche zwischen RWE und Landesregierung stattgefunden haben, aus unserer Sicht ausweichend geantwortet. Deswegen möchte ich hier noch einmal sehr präzise nachfragen: Wann haben bis zum 13.9.2019, also von Juli, vom 6.7. bis zum 13.9.2018, in welcher Form haben sich Landesregierung und RWE konkret über die rechtlichen Sachverhalte abgestimmt, also welche sachlichen, inhaltlichen und sonstigen, personellen Absprachen hat es zwischen RWE zur Erörterung der juristischen Fragen im Umfeld dieses Bescheides gegeben? Und mit welchem Ergebnis?

Herbert Reul, Minister des Innern: Kann im Moment jetzt das nicht zuordnen zu der kleinen Anfrage, deswegen antworte ich jetzt einfach mal so, wie ich die Anfrage verstanden habe. Ich kann mich nicht erinnern, dass es irgendwelche Absprachen in diesen Zusammenhängen gegeben hat, zwischen RWE und uns. Es hat einzelne, jeder hat für sich gehandelt, und jeder hat aber von den Eck-, also nicht jeder weiß ich nicht, aber wir hatten zumindest Kenntnisse von dem Rechtsgutachten, hab ich ja eben vorgetragen, mehr nicht. [Unruhe im Haus.]

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister, es hat nun Frau Abgeordnete Kapteinat das Wort für ihre Nachfrage, bitte sehr.

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Minister, Sie sagten eben, dass tatsächlich die Anwaltskanzlei in Vorleistung getreten ist. Diese Initiative, wenn die nicht von der Landesregierung ausging, ging die dann von einem Dritten, sprich, ging die z.B. von RWE aus?

Herbert Reul, Minister des Innern: Da wir den Auftrag vergeben haben, ging die Initiative von uns aus. Und ich hab eben ausführlich geschildert, warum wir die Dringlichkeit hatten, und deswegen waren wir froh, dass wir eine solche Verabredung treffen können. Wegen der geschilderten Eilbedürftigkeit war die Anwaltskanzlei nämlich bereit, vor dem förmlichen Zuschlag am 10. August auf eigenes Risiko die komplizierten Sachverhalte aufzunehmen, in Detailerörterungen mit den zuständigen Beamtinnen und Beamten im Innenministerium einzutreten und gutachterliche Leistungen zu vollbringen, die schriftlichen Gutachten und Stellungnahmen datieren dann vom 9. und vom 14. August und beschäftigten sich, wie bereits mehrfach im Landtag dargelegt, mit der Frage der bauordnungsrechtlichen Grundlage für Beseitigungsverfügungen, der Nachrangigkeit polizeirechtlicher Eingriffsnormen und der Einschlägigkeit des § 1 Absatz 3 Polizeigesetz. Also das hab ich eben schon mal vorgetragen, trotzdem der Vollständigkeit halber will ich Ihnen das nochmal vortragen. Das war ein total unaufgeregter Sachverhalt und ich bedanke mich sehr, dass auch die grüne Fraktion, die sehr viele kritische Fragen zu diesem Gutachten gestellt hat, immerhin heute schon mal zugesteht, dass die Notwendigkeit eines solchen Gutachtens nicht in Frage gestellt wird.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. [Zwischenrufe.]

Herbert Reul, Minister des Innern: Aber ich hab doch von Ihren Kollegen, ich hab doch eben vom Kollegen den Vorwurf bekommen, ich hätte ihnen was unterstellt, was nicht stimmt, Sie hätten nichts gegen das Gutachten, ja, was … [Zwischenrufe.] Ja, dann erklären Sie doch mal, was Sie wollen? [Starke Unruhe.] Meinen Sie, es war ein Gutachten notwendig oder nicht? [Noch mehr Unruhe. Zwischenrufe. Einer klatscht Beifall.] Sie verwirren mich, das ist relativ schwer. [Zwischenrufe.]

Vizepräsidentin Angela Freimuth: So, ich darf darauf hinweisen, dass wir uns im Geschäftsordnungsformat Fragestunde bewegen …

Herbert Reul, Minister des Innern: Danke, danke.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: … und darunter normalerweise die Befragung der Regierung verstanden wird [Beifall] und insofern stelle ich anheim, das in anderem Rahmen zu erörtern. Jetzt hat Herr Abgeordneter Becker das Wort, ja, doch, alles wunderbar, bitte sehr, Herr Kollege Becker, ihr Mikrofon ist jetzt frei.

Horst Becker (GRÜNE): Er sitzt sogar an seinem Platz, Frau Präsidentin, herzlichen Dank. Zunächst mal die Bemerkung, dass ich natürlich schon interessant finde, dass die Regierung jetzt das neue Format “Die Regierung fragt, und die Abgeordneten antworten” einführen will, nachdem der Minister Herr Lienenkämper ja vorhin sich über ein Format der Fragestellung des Kollegen Mostofizadeh gewundert hat. Aber [Zwischenruf] … immer mit der Ruhe, ganz … [Zwischenrufe] doch, … gucken Sie mal, dass kostet jetzt mehr Zeit, [Zwischenruf] … Ich kann warten, ich hab Zeit. So, also vor dem Hintergrund, Herr Minister, dass Sie vorhin ausgeführt haben, dass die Rechtsanwaltskanzlei, die übrigens, wie man hört, der CDU sehr nahe steht, bereits begonnen hat, für Sie zu arbeiten, bevor sie den Auftrag erhalten hat, wäre ich Ihnen dankbar, jetzt mitzuteilen, wenn Sie uns jetzt mitteilen würden, wann sie denn nach Ihrer Kenntnis gearbeitet hat, also mit der Arbeit begonnen hat, wieviel Tage vor dem eigentlichen Auftrag.

Herbert Reul, Minister des Innern: Ich kann Ihnen das nicht auf den Tag benennen, aber ich würde Sie dringend bitten, den Vorwurf, dass wir eine der CDU nahestehende Anwaltskanzlei mit allen dazugehörigen Unterstellungen schnellstmöglich aus dem Verkehr zu nehmen. [Beifall.]

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Reul. Jetzt hat der Kollege Bolte-Richter das Wort für seine Nachfrage, und zum allgemeinen Anlass empfehle ich auch nochmal die Lektüre der Geschäftsordnung. [Zwischenruf.] Herr Kollege Bolte-Richter.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin. Um die Frage, die Sie eben gestellt haben, Herr Minister, zu beantworten, was wollen wir denn eigentlich: Also, wir hätten gerne die Gutachten, ich glaube, das ist klar geworden. Wirklich fasziniert, Herr Minister, bin ich allerdings von der Verfahrensweise, dass da eine Rechtsanwaltskanzlei pro-aktiv, wie Sie das genannt haben, [Zwischenruf] ja, ich komm ja schon dazu, ist ja gut, proaktiv tätig wird, und dann ein paar Wochen später bekommt sie den Auftrag. Deshalb die Frage: Welches, was genau sind denn, also die Frage nach Art und Umfang der Inhalte, die proaktiv gefertigt wurden, und die dann im Anschluss gefertigt wurden, also, wieviel genau stand in diesem Gutachten und was zu dem Zeitpunkt der ersten Zulieferungen, und welchen Anteil macht das aus vom Gesamtgutachten, was dann innerhalb der zwei Wochen zwischen der Auftragserteilung und der endgültigen Vorlage des Gutachtens passiert ist.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bolte-Richter. [Zwischenrufe.] Herr Minister, Sie haben das Wort. [Zwischenrufe.] Schhhh…

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete, wir fanden das auch außerordentlich hilfreich, dass die Kanzlei dafür zu gewinnen war, das hat uns nämlich sehr geholfen. Und es gab zwei Gutachten und die Problembereiche und Inhalte hab ich Ihnen beschrieben, ich mach’s gerne nochmal: Grenzen der originären polizeilichen Zuständigkeit zur Verhütung von Straftaten, und 2. Bauaufsichtliches Einschreiten im Hambacher Forst. Das sind die beiden Themen, die behandelt wurden, und die durchgängig zusammenhängend behandelt wurden, und da gab es nicht einen Teil, also zwei getrennte Teile, die zu bestimmten Zeitpunkten verfolgt …, sondern eine Beauftragung, die mit unterschiedlichen Textbausteinen beantwortet worden ist. [Zwischenruf.]

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. Als nächste Fragestellerin hat Frau Abgeordnete Beer das Wort. Bitte sehr.

Sigrid Beer (GRÜNE): Dankeschön, Frau Präsidentin. Herr Minister Reul, ich hab jetzt gedacht, vielleicht kommt die Antwort irgendwann noch, aber Sie haben leider die Antwort auf die Frage meiner Kollegin Brems nicht gegeben. Die hatte gefragt: Wann wurden durch wen welche Ministerien und diesen untergeordnete Behörden darüber informiert, das RWE beabsichtige, einen Antrag auf Räumung des Hambacher Waldes zu beantragen. Oder gab es keine?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister?

Herbert Reul, Minister des Innern: [spricht mit seinem Staatssekretär] Also, durch Rückversicherung kann ich Ihnen sagen, dass einige Tage, bevor der Antrag zur Räumung gestellt wurde, beim PP Aachen der Hinweis, dem PP Aachen der Hinweis gegeben wurde. Von RWE. Ist aber auch ein normaler Vorgang, also … total unaufgeregt.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister, für die Antwort. Als nächste Fragestellerin hat Frau Abgeordnete Aymaz das Wort.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Ja, vielen Dank. Herr Minister Reul, Sie haben soeben auf die Frage von meinem Kollegen Herrn Mostofizadeh, inwiefern es Gespräche bzw. was die Inhalte der Gespräche zwischen der Landesregierung und RWE waren, geantwortet, es gab keine Gespräche, jeder hat einfach für sich selber gehandelt. Wie beurteilen Sie dann die Antwort der Ministerin Scharrenbach auf unsere kleine Anfrage 2565, ich zitiere: “Im oben genannten Zeitraum haben zwischen der Landesregierung und Vertretern von RWE Gespräche über die diesbezüglichen Sach- und Rechtsfragen sowie die Einschätzung der Sicherheitslage stattgefunden.”

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin, Frau Kollegin, ich möchte nur auf den Unterschied hinweisen: Sie hatten gefragt, ob es Absprachen gegeben hatte, da hab ich nein drauf geantwortet. Nicht Sie, sondern die Vorfrage war, ob es Absprachen gegeben habe, da hab ich nein zu gesagt. [Zwischenrufe.] Ich bitte um Entschuldigung, ich hatte aber Absprachen verstanden, wenn das ein Fehler sein sollte, bitte ich um Entschuldigung, ich hatte Absprachen verstanden, die gab es nicht, Gespräche, das ist genau, wie es hier in dieser Anfrage, wie es in der Antwort auf die kleine Anfrage steht, das stimmt.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Reul. Als nächster Fragesteller hat Herr Abgeordneter Mostofizadeh das Wort.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Ja, Frau Präsidentin, vielen Dank. Auch hier, Herr Minister Reul, man müsste so viele Antworten auf Ihre Fragen geben, aber die Fragerunde ist ja eigentlich andersrum, ich will hier nur feststellen, dass wir es nicht für gut gehalten haben, dass Sie das Gutachten in Auftrag gegeben haben, sondern dass wir es nicht bemängelt haben,das ist schon ein ziemlich großer Unterschied. Aber jetzt zu meiner Frage: Sie haben ja in der Antwort auf die kleine Anfrage 2565 auf die Frage, ob es sinnvoll gewesen wäre, auch einen möglichen Rodungsstopp in Bezug zu nehmen, geantwortet, der in der Fragestellung angesprochene Zusammenhang besteht nicht. Deswegen möchte ich vor diesem Hintergrund nochmal sehr klar konkretisieren: Inwiefern ist es mit einem verantwortungsvollen Regierungshandeln vereinbar, einen denkbaren, durch OVG-Beschluss verhängten Rodungsstopp nicht in die Bewertung der Gesamtlage einzubeziehen und entsprechend diesen Beschluss abzuwarten, bevor man, und ich betone, bevor man den größten Polizeieinsatz in der Geschichte des Landes vom Zaun bricht?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mostofizadeh. Herr Minister. [Zwischenrufe.]

Herbert Reul, Minister des Innern [verständigt sich mit Scharrenbach, die ihren Finger nachdrücklich auf den entscheidenden Satz legt]: Es tut mir leid, aber ich kann die Antwort, die wir gegeben haben, nur wiederholen: Der in der Fragestellung angegebene und angesprochene Zusammenhang nicht besteht. … Sie konstruieren den, er besteht nicht. Punkt.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. Als nächster Fragesteller hat Herr Abgeordneter Remmel das Wort. [Zwischenrufe.]

Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Minister, Sie haben eben das etwas ungewöhnliche Verfahren zur Auftragserteilung dieses Gutachtens nochmal geschildert, insbesondere, dass es einen Vorlauf gegeben habe, sozusagen proaktiv durch die entsprechende Kanzlei. Ich würde Sie über diesen Vorgang hinaus fragen wollen, in Ihrer Amtszeit bisher, wieviele proaktive Gutachtenvorschläge Ihren Schreibtisch oder Ihr Haus bisher erreicht haben, ich kenne solche Vorgänge nicht.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Danke, Herr Abgeordneter Remmel, bitte sehr, Herr Minister.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin, Herr Abgeordneter Remmel, ich hatte von Zuschlag gesprochen, das ist ein Unterschied, erstens, möchte ich richtigstellen, und das zweite ist, ich kann Ihnen das nicht mit absoluter Sicherheit beantworten, weil ich nicht weiß, was täglich im Haus an Zuschlägen oder Aufträgen vergeben wird, die werden nicht alle, die laufen nicht alle über meinen Schreibtisch.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. Als nächster Fragesteller hat Herr Abgeordneter Rüße das Wort. [Zwischenruf: Der redet sich um Kopf und Kragen, der Reul.]

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich würde jetzt von Ihnen gerne wissen, Herr Minister Reul, ob sie eigentlich es mal haben vergaberechtlich prüfen lassen, ob es überhaupt noch möglich war, diese Kanzlei, die schon längst mit Arbeiten begonnen hat, aus welchen Gründen auch immer, ob es überhaupt noch möglich war, diese Kanzlei zu beauftragen. [Zwischenrufe: hat er nicht … Vergaberecht!]

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, Sie haben das Wort. [Starke Unruhe im Saal.]

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin, Herr Abgeordneter [Zwischenrufe], Frau Präsidentin, Herr Abgeordneter [Zwischenrufe]

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Schhhht! [Zwischenrufe]

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin, Herr Abgeordneter, das Innenministerium hat eine zulässige Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb nach § 12 Abs. 3 Unterschwellenvergabeordnung mit nur einem Unternehmen durchgeführt, die Vorschrift lautet, ich zitiere, “Im Falle einer Verhandlungsvergabe nach § 8 Abs. 4 Nr. 9 – 14 darf auch nur ein Unternehmen zur Abgabe eines Angebots oder zur Teilnahme an Verhandlungen aufgefordert werden. Dabei waren einschlägig die Nr. 9 und 10 und nach § 8 Abs. 4 Nr. 9 darf eine Verhandlungsvergabe durchgeführt werden bei besonderer Dringlichkeit. Und diese war wegen des Beginns der Rodungsperiode, der zeitaufwändigen Vorbereitung des Polizeieinsatzes und der zunehmenden Störungen und Straftaten im Forst gegeben. Nach Nr. 10 ist die Verhandlungsvergabe zulässig, wenn die Leistungen nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann und auch diese Voraussetzung war wegen der bekannten besonderen Expertise der Fachanwaltskanzlei in den einschlägigen Rechtsfragen und Fallgestaltungen gegeben, also die Antwort heißt kurz und bündig: ja, wir haben es geprüft, und es war richtig.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. Als nächste Fragestellerin hat Frau Abgeordnete Aymaz das Wort für ihre zweite Nachfrage.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Ich zieh zurück, hat sich erübrigt.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Dann hat Herr Abgeordneter Engstfeld das Wort für seine Nachfrage.

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau Ministerin, Herr Minister, es geht um Rechtsbehelfe gegen ablehnende Bescheide, und zwar gegen die ablehnenden Bescheide der Stadt Kerpen und der Gemeinde Merzenich vom 2. August 2018 legte RWE keine Rechtsbehelfe ein. Die Frage, die ich habe, ist: Wusste die Landesregierung, dass RWE keine Rechtsbehelfe gegen die ablehnenden Bescheide einlegen würde.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister … oh, Frau Ministerin. Bitte sehr.

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Abgeordneter Engstfeld, die unternehmerischen Entscheidungen sind der Landesregierung nicht bekannt.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin. Als nächster Fragesteller oder Fragestellerin hat Frau Abgeordnete Beer das Wort. Ja … sorry, jetzt ist frei.

Sigrid Beer (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ja, ich will auch nochmal auf die Art und Weise der Beantwortung von kleinen Anfragen zu sprechen kommen, und da sind ja die Antworten manchmal nicht so ganz konkret, und Sie hätten jetzt heute die Chance, das dann nochmal zu heilen. Auf unsere konkrete Frage in der kleinen Anfrage 2565, darum ging es, wie eng die Abstimmung zwischen RWE und der Landesregierung im Vorfeld der Räumung des Hambacher Waldes war, verweist Ministerin Scharrenbach auf ihre allgemeine Antwort zu einer anderen kleinen Anfrage, und ich zitiere daraus: “Im oben genannten Zeitraum haben zwischen der Landesregierung und Vertretern von RWE Gespräche über die diesbezügliche Sach- und Rechtslage sowie die Einschätzung der Sicherheitslage stattgefunden.” Das war in der Drucksache 5672 der Fall. Also bleibt die Frage damit unbeantwortet, die ich hier nochmal erneut aufrufe: Wann haben bis zum 13.9. diesen Jahres Gespräche bzw. wann hat andere Kommunikation zwischen Vertreterinnen von RWE und der Landesregierung zu welchem sachlichen und rechtlichen Thema, zu welchem Ziel und zu welchem Ergebnis stattgefunden?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Beer. Wer antwortet für die Landesregierung?

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Sehr geehrte Frau Präsidentin, wir in der von Ihnen bereits zitierten Antwort auf die kleine Anfrage ausgeführt, hat es Gespräche unter anderem zur Einschätzung der Sicherheitslage zwischen Vertretern der Landesregierung, aber auch beispielsweise, das ist auf eine weitere kleine Anfrage Ihrerseits in dem Fall durch den Minister des Innern beantwortet worden, auch mit Besuchen bspw. der Abteilungsleitung Frau Dr. Lesmeister vor Ort erfolgt, und wenn Sie sich die Sicherheitslage vergegenwärtigen, dann ist es aus heutiger Sicht gleichsam richtig, sich abzustimmen, denn letztendlich dürfen wir eins in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass im Zusammenhang mit dem Hambacher Forst letztendlich auch das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Polizisten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von RWE wie auch von Zivilisten in Angriff genommen worden ist, und deswegen hat es auch vor diesem Hintergrund Gespräche gegeben, darauf bezieht sich die entsprechende Antwort, eine weitergehende Antwort, die Sie gerade mit der Frage formuliert in der Erwartung haben, ist zum jetzigen Zeitpunkt heute ad hoc nicht möglich.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin. Es hat nun Herr Abgeordneter Rüße das Wort für eine Nachfrage, bitte sehr. (…) ja, so, jetzt ist das Mikro frei.

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Minister Reul, vielen Dank für Ihre Antwort auf meine Frage eben. Sie haben ausgeführt, warum eine Vergabe an ein einzelnes Unternehmen möglich war, das war aber gar nicht meine Frage. Meine Frage war, ob Sie vergaberechtlich haben prüfen lassen, ob eine Vergabe an eine Kanzlei, die bereits Vorarbeiten getätigt hatte, zu dem entsprechenden Gutachten, rechtlich überhaupt noch zulässig war.

Herbert Reul, Minister des Innern: Ja, es waren keine Vorarbeiten im übrigen, sondern es war im Rahmen des Verfahrens.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. Nun hat Herr Abgeordneter Engstfeld das Wort für seine zweite und damit auch letzte Nachfrage. Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin, Frau Ministerin Scharrenbach, ich frage jetzt nach auf die Nachfrage der Kollegin Beer vor mir: Warum können Sie nicht genau sagen, weil die Kollegin Beer hat ja gefragt, wann und mit wem Sie gesprochen haben bei RWE, warum können Sie uns nicht genau benennen, und diese Frage schlichtweg mal beantworten öffentlich, mit wem und wann genau haben Sie diese Gespräche geführt, das kann ich jetzt nicht nachvollziehen, was das Problem ist.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr, Herr Minister oder Frau Ministerin. Bitte sehr.

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Engstfeld, Sie haben die Frage bereits formuliert in der kleinen Anfrage 2565 vom 27. Mai 2019: Welche weiteren Abstimmungen hat es im Zeitraum 1. August 2018 bis 13. September 2018 zwischen der Landesregierung einerseits und der RWE-Gruppe andererseits gegeben. Bitte Datum, Inhalt, beteiligte Personen, Korrespondenz, Gespräche, Treffen angeben, hierauf haben wir Ihnen geantwortet und die Antwort bleibt unverändert, dass wir darauf verweisen, dass es eben Gespräche zwischen der Landesregierung und Vertretern von RWE unter anderem zur Einschätzung der Sicherheitslage in und um den Hambacher Forst herum sowie zu Sachverhaltsfragen gegeben hat, daran ändert sich auch in der Beantwortung heute nichts. [Zwischenrufe.]

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Nachfragen sind nicht angezeigt, … ah, jetzt gibt es noch eine Nachfrage, Herr Abgeordneter Remmel, bitte sehr, Sie haben das Wort. [Zwischenruf.] Also, nach unseren Aufzeichnungen ist das [Unruhe], Entschuldigung, nach unseren Aufzeichnungen hier oben, ich frage, ob das jemand anders protokolliert hat, nein, ist das jetzt die zweite Nachfrage des Abgeordneten Remmel. [Zwischenrufe. Unruhe.] Und damit hat er jetzt das Wort. Bitte sehr.

Johannes Remmel (GRÜNE): Schönen Dank, Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Minister. Mich beschäftigt ja immer noch dieses proaktive Gutachten, also sozusagen wie das vom Verfahren her gelau… ja, beschäftigt mich, [Zwischenrufe], beschäftigt mich in der Tat. Herrn Jung beschäftigt das offensichtlich auch. Wenn ich jetzt ihre 2. Antwort, die Sie eben gegeben haben dem Kollegen Rüße, richtig interpretiere, dann kann ich mir das so vorstellen, dass es Telefonate aus Ihrem Haus mit der Kanzlei gegeben hat, aufgrund von Rechtsfragen, die Sie möglicherweise hatten, und dann ist gemeinsam die Idee eines Gutachtens entwickelt worden, kann man das so interpretieren?

Herbert Reul, Minister des Innern: Das können Sie so nicht zusammenfassen. (Entschuldigung)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr, Herr Minister.

Herbert Reul, Minister des Innern: Das können Sie so nicht feststellen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. Liebe Kolleginnen und Kollegen, neuer Anlauf. Mir liegen keine weiteren Nachfragen vor. Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir am Ende, oder ist die Mündliche Anfrage 49 der Frau Abgeordneten Schäffer der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantwortet. (…) Ich bedanke mich bei Frau Ministerin Scharrenbach und Herrn Minister Reul für die Beantwortung. Wir sind damit, weil wir jetzt die Zeit für die vorgesehene Fragestunde um irgendwas bei 40 Minuten und ein paar Zerquetschte überschritten haben, in der Situation, dass wir die nächste Frage aus dem Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz nicht mehr aufrufen werden (…) Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Ende der Fragestunde (…)

„Auf Gewalt war die Polizei vorbereitet. Auf Gesang nicht.“ Momente einer Räumung.

3. September 2018

Nachdem seit knapp zwei Wochen unter Klimaschützern die Gerüchteküche brodelt, mehren sich die Anzeichen, dass die Räumung der Baumhäuser im Hambacher Wald unmittelbar bevorsteht. Um die Medien auf Kriegsszenarien einzustimmen, präsentiert NRW-Innenminister Herbert Reul beschlagnahmte Waffen und gefährliche Gegenstände aus der Asservatenkammer und lässt die Presse in dem Glauben, diese seien bei einer Razzia in der vergangenen Woche gefunden worden. Aktivisten stutzen, weil sie glauben, die Fotos der Gegenstände schon einmal gesehen zu haben – und werden fündig in einem „Welt“-Artikel von 2016. Der WDR hakt nach, Minister Reul windet sich heraus: Er habe gar nicht den Eindruck erwecken wollen, dass das alles frische Funde sind, es sei nur um ein Bild des generellen Gefahrenpotentials gegangen.

 

5.9.

Im Wald beginnen die Vorbereitungen der Baumhausräumung mit einem Großeinsatz, bei dem die Bodenstrukturen der Baumhausdörfer (Küchen, Infostände, Kunst-Installationen) abgerissen werden. Auch Barrikaden werden geräumt. Dabei stößt man immer wieder auf mit Gaffertape umwickelte Pappkartons oder alte Feuerlöscher, an denen Zettel mit der Aufschrift „Sprengsatz. Don‘t Touch“ befestigt sind. Die Polizei schreibt in ihren Pressemitteilungen von Bombenfunden; das Dementi, dass es Atrappen sind, kommt meistens erst nach Redaktionsschluss bzw. wenn sich die Meldung als Schlagzeile manifestiert hat.

Seit Ende August steht an der Landstraße vor dem Hambacher Wald eine Mahnwache. Engagierte Menschen betreuen Spaziergänger, müde Aktivisten und Schaulustige. Ein Auto nähert sich, öffnet im Vorbeifahren die Fahrerscheibe und brüllt den am Boden Sitzenden zu: Ihr verdammten Ratten – vor den Augen der Polizisten auf der anderen Straßenseite, die allerdings gerade Wachablösung haben und sich ehrlich betroffen zeigten. Zwei Tage später wird – vor den Augen der Polizisten auf der anderen Straßenseite – aus einem vorüberfahrenden Fahrzeug des RWE-Werksschutzes eine halb volle Getränkeflasche in die Mahnwache geworfen. Es heißt, die Polizei hat die Täter schnell gestellt. Eine Pressemitteilung der Polizei gibt es zu dem Vorfall nicht.

 

8.9.

Die Rheinische Post berichtet nach „exklusiver“ Akteneinsicht, dass es im Wald ein Tunnelsystem „wie bei den Vietcong“ gibt, durch das Waffen geschmuggelt werden könnten und aus dem die Polizei jederzeit angegriffen werden könne. Die Polizei Aachen dementiert als einsatzleitende Behörde, dass diese Informationen aus ihrem Hause stammen oder dass sie je von einem Tunnelsystem gesprochen hat. Ist die Quelle erneut das Innenministerium, das nichts unversucht lässt, um in den Köpfen der Öffentlichkeit und der Polizisten vor Ort Gewalt-Szenarien entstehen zu lassen?

 

13.9.

Die Räumung beginnt. Allen Unkenrufen zum Trotz kommt es nicht zur Schlacht im Hambacher Wald. Der Widerstand der Baumbewohner ist lautstark, oft witzig, friedlich und weitgehend passiv. Vereinzelt regnet es nach Ansage Fäkalien auf die mit Maleranzügen geschützte Polizei, an einer Stelle fliegen Steine, auf einer Werksstraße gibt es laut Polizeiangaben einen dramatischen Zwischenfall mit einem improvisierten Geschoss, bei dem ein Polizist verletzt wird. Doch die Visionen der Horden von Gewalttätern, die der Innenminister in den Köpfen heraufbeschworen hat, werden nicht zur Realität.

 

16.9.

Tausende folgen der Einladung des Waldpädagogen Michael Zobel zum traditionellen Waldspaziergang, der erstmals „draußen bleiben“ muss. Die Polizei geht brutal gegen Demonstranten vor, die einen Erdwall besetzen, zieht sie an den Füßen herunter und setzt Knüppel ein. An anderer Stelle gelingt es hunderten, durch die Polizeiphalanx in den Wald zu laufen. Presse wird an der freien Bewegung gehindert. Insgesamt herrscht der Eindruck von Planlosigkeit bei den Einsatzkräften. Auf Gewalt war die Polizei vorbereitet. Auf Gesang nicht.

 

18.9.

Die Polizei, die Amtshilfe bei der Räumung leistet, weil die Baumhäuser nicht der Brandschutzverordnung entsprechen, steht überall mit laufenden Motoren im und vor dem ausgetrockneten Wald. Auf Nachfragen wird geantwortet, das sei nötig für die Energieversorgung der Kommunikationstechnik. An anderer Stelle lautet die Antwort, es sei ohne Klimaanlage im Wagen zu heiß.

Vor dem Wald brennt heute ein Stoppelfeld, in Brand gesetzt durch heiße Abgase eines Polizeifahrzeugs. Mit dem eigenen Wasserwerfer kann die Polizei den Brand zügig löschen.

In Gallien ist einer der Bewohner des Hauses „no names“ vor dem anrückenden Hubsteiger in den höchsten und letzten Winkel der Krone des Nachbarbaums geflüchtet … und droht zu springen (oder zu fallen, weil er erschöpft ist). Die Polizei übergibt den Einsatz an die Feuerwehr, die den Menschen nach anderthalb langen Stunden unverletzt herunterholt. Während in 25 Metern Höhe um ein Menschenleben gerungen wird, laufen auf dem Rest der Lichtung ungebremst die Kettensägen, aus großer Höhe knallen Baumhausteile und Inventar zu Boden. RWE ist nicht dazu zu überreden, wenigstens während der Rettung die Arbeiten einzustellen, deren Geräuschkulisse schon für die Beobachter schwer zu ertragen ist. Parlamentarische Beobachter sind zwar im Wald, aber nicht zu erreichen; die Einsatzleitung der Polizei sagt auf persönliche Anfrage, man werde die Bitte um Einstellung der Abbrucharbeiten „in die Überlegungen mit einfließen lassen“. Es ändert sich bis zur Rettung … nichts.

 

19.9.

Die Polizei erteilt Platzverweise an Aktivisten „bis Ende der Rodungsarbeiten“. Was will sie damit sagen? Dass jetzt im Moment keine Räumungs-, sondern doch schon Rodungsarbeiten durchgeführt werden? Oder dass sie etwas weiß, was die Öffentlichkeit noch nicht weiß, nämlich wie das OVG Münster in der Causa Hambacher Wald entscheiden wird?

Eine Polizeieinheit, die im Wald eine Wegekreuzung kontrolliert, berichtet, dass man sie nonstop aus Hamburg bis an diese Kreuzung gefahren und ihnen dort ihren kleinteiligen Einsatzauftrag gegeben hat, die Personalien vorbeikommender Menschen zu kontrollieren. Sie haben zwar im Vorbeifahren einen Schaufelradbagger gesehen, wissen aber ansonsten weder, wo sie sind, noch warum.

In Beechtown stürzt der Filmemacher Steffen Meyn von einer Hängebrücke und stirbt. Die Polizei räumt im benachbarten Cozytown noch einen Tunnel, weil sie die dort Angeketteten nicht über Nacht unten lassen will. Dann wird die Räumung vorerst abgebrochen.

 

20.9.

Menschen im Wald, die nicht nach Beechtown zur Unglücksstelle vorgelassen werden, setzen sich auf einen Hauptweg in der Nähe, um dort eine Schweigeminute abzuhalten. Polizei marschiert auf, fordert die Menschen auf, den Weg zu räumen, sonst werde man das „mit Gewalt“ tun. Parlamentarier kommen angelaufen, eine Deeskalation der Situation zwischen den singenden oder schweigenden Zivilisten und den aggressiven Uniformierten gelingt in letzer Sekunde. Die Schweigeminute beginnt. Polizisten stehen im Halbkreis vor den Trauernden und lachen auf sie hinunter. Nach etwa drei Minuten beschwert sich eine Polizistin, das sei aber eine lange Schweigeminute.

 

21.9.

Trotz des Moratoriums möchte die Polizei die Tripods und Barrikaden vor Lorien räumen, um Rettungswege freizulegen. Es kommt zu lebensgefährlichen Situationen für die Aktivisten, die in der Höhe die Arbeiten blockieren. Polizisten werden nach Vorwarnung mit Fäkalien beworfen. Die Polizei veröffentlicht Fotos von den verschmutzten Uniformierten, die diesmal keine Maleranzüge tragen. Die Feuerwehr macht sich ein Bild von der Lage und teilt mit, dass es genügend Rettungswege gibt. Der Einsatz kommt zunächst zum Halten.

 

22.9.

Ein Aktivist fragt vor Lorien in eine Polizei-Phalanx hinein, warum die Polizei überhaupt dort ist. Er wird festgenommen und lässt sich widerstandslos abführen.

Als Grund bekommt er auf seine weitere Frage, warum man ausgerechnet ihn zufällig herausgepickt hat, zu hören, weil er nun einmal gerade da gewesen sei. Hinter den Kulissen ringen drei Polizisten den schmächtigen jungen Mann zu Boden, werfen ihn auf den Bauch und legen ihm Handschellen an. Man zieht ihm seinen Klettergurt aus, tauscht die Handschellen gegen Kabelbinder aus lässt ihn in einen Gefangenentransporter steigen.

Die Pressestelle der Polizei ist nicht bereit, vor Ort etwas zu der Festnahme zu sagen.

Später ist zu hören, dass die Polizei angewiesen ist, Menschen mit Kletterzeug in Gewahrsam zu nehmen. Es gibt also doch einen offiziellen Grund für die Festnahme. Aber gibt es auch einen Grund für die Brutalität?

 

23.9.

Wieder strömen Massen zum Waldspaziergang. An einem Zugang kontrolliert eine Einheit bürgerliche Waldbesucher und schüchtert sie massiv ein. Einer älteren Dame wird eine Plane abgenommen, in die sie sich zum Schutz gegen den strömenden Regen gehüllt hat – man könne daraus ja Baumhäuser bauen. Wenn sie sich beschweren wolle, könne sie dies beim Bürgertelefon der Stadt Kerpen tun (welches an einem Sonntag natürlich nicht besetzt ist). Ihre Plane darf sie sich nach Beendigung der Räumung, Datum unbestimmt, im 30 Kilometer entfernten Aachener Polizeipräsidium wieder abholen.

Fünfzig Meter weiter öffnet ein Polizist mitten im Wolkenbruch das Fenster seines Mannschaftswagens und verteilt den Inhalt seines Lunchpakets an die Kinder der Spaziergänger.

 

24.9.

Die Bundespolizei macht im Wald Jagd auf eine Spaziergängerin, ringt sie zu Boden, fesselt sie mit Kabelbindern, obwohl sie sofort sagt, dass sie bereit ist, ihre Personalien anzugeben. Nach gründlicher Durchsuchung werden die Fesseln gelöst; die Frau bekommt einen Platzverweis. Presse wird auch bei solchen Vorfällen ruppig auf Abstand gehalten; immer wieder versuchen Polizisten, Fotografen zu erklären, wie sie ihre Bilder zu machen haben.

Anderer Ort, gleiche Uniform, anderer Mensch: „Ich weiß ja nicht, wie oft Sie Ihren Ausweis heute schon zeigen mussten, aber dürfte ich ihn bitte auch noch einmal sehen?“

 

25.9.

Obwohl die Aachener Polizei nominell die einsatzleitende Behörde ist, stellt ihr Präsident Dirk Weinspach in einer Erklärung an die „Aachener Nachrichten“ klar: „Dies ist nicht mein Einsatz.“ Den Namen des Innenministers nennt er nicht.

 

27.9.

Wer den Livestream der TAZ-Kollegin Anett Selle verfolgt, kann gegen zehn Uhr morgens beobachten, wie die Polizei vor dem letzten Baumhausdorf „Lorien“ eine friedliche Menschenkette in ein Schlachtfeld verwandelt. Auch Pressevertreter bleiben von der Brutalität nicht verschont. Noch Stunden später sitzen kreidebleiche Menschen in den Farnen und können auf Nachfrage nicht sagen, ob sie verletzt sind, weil der Schock ihre Körper betäubt.

Nachdem RWE am Vortag bereits ein mit zahlreichen Birken und Ebereschen durchwachsenes Farndickicht am Fuß einer „Lonely Oak“ genannten Eiche gerodet und für die räumenden Hubsteiger planiert hat, wird der gerodete Bereich heute bis an die Abbruchkante ausgeweitet. Die Bewohner von Lorien haben nun freie Sicht auf den Schaufelradbagger, der auf der anderen Seite der Tagebau-Umfriedung wartet. Einen Ansprechpartner von RWE, der erklären könnte, wozu diese zusätzliche, fußballfeldgroße Rodung nötig ist, gibt es vor Ort nicht. Angesichts des Umfangs der Fällarbeiten werden auch Polizeisprecher allmählich nervös. Einhalt gebieten können sie den Arbeiten jedoch nicht.

An anderen, längst geräumten Orten im Wald fahren RWE-Mitarbeiter unterdessen mit schwerem Gerät quer durch den Wald. Als Begründung geben sie an, Löcher an den Wurzelballen umgestürzter Bäume zuschütten zu müssen. Für BUND-Sprecher Dirk Jansen ist dies ein massiver Eingriff in das Totholz-Vorkommen, das für das Ökosystem Hambacher Wald so wichtig und so charakteristisch ist. Die Polizei erklärt sich für nicht zuständig. Das zuständige Umweltamt der Stadt Düren bittet Beobachter, mögliche Rechtsverstöße bei der Polizei zu melden.

Im Landtag NRW muss unterdessen Innenminister Herbert Reul zu den umstrittenen Polizeieinsätzen bei einer rechtsextremen Kundgebung in Dortmund und im Hambacher Wald Stellung nehmen. Obwohl er nicht selbst vor Ort gewesen ist, bezichtigt er laut dpa die Aktivisten in Beechtown, im Angesicht des sterbenden Filmemachers Steffen Meyn gerufen zu haben: „Scheiß ‚drauf, Räumung ist nur einmal im Jahr!“ Bei den immer noch traumatisierten Augenzeugen im Wald stößt diese Nachricht auf Empörung. Anett Selle, die während ihres Streams Augenzeugin des Sturzes wurde, schreibt den Innenminister via Twitter an: „Lieber @hreul, die Parole, die Sie zitieren, die gab es. Aber am Tag vor dem Absturz von Steffen Meyn. Nicht nachdem er stürzte. In Ihrem Bericht stehen folglich Unwahrheiten. Sie sollten ihn überarbeiten.“

Vierundzwanzig Tage, nachdem Herbert Reul mit der medialen Einstimmung auf den „blutigen Herbst am Hambacher Forst“ begonnen hat, äußern sich Polizisten vor Ort zwar angewidert über die Fäkalien-Attacken, aber auch erleichtert darüber, dass die Gewaltorgien ausgeblieben sind. Für die unredlichen Maneuver ihres Dienstherrn im Düsseldorfer Innenministerium können sie immer weniger Verständnis aufbringen. Sie möchten den Rechtsstaat verteidigen. Ob sie das im Hambacher Wald tatsächlich tun? Unter den Menschen in den Uniformen breiten sich Zweifel aus.

 

Rückblende: 28. August 2018

Auf der Wiese vor dem Hambacher Wald findet eine Razzia statt, die das „Material“ für die Waffen-PK und die Tunnel-Story liefern wird und in deren Verlauf die Polizei unter anderem die Bibliothek des Camps halb abreißen und dann mit Beton verfüllen lässt.

Der Polizist, der meinen Ausweis und Presseausweis kontrolliert, ehe ich zur Beobachtung des Geschehens vorgelassen werde, entpuppt sich während der Kontrolle als überzeugter Anhänger der AfD und ihrer demokratiefeindlichen Umtriebe. Als ich etwas geschockt den Pressesprecher der Aachener Polizei darauf anspreche, versucht er es erst flapsig: „Ach, das war bestimmt einer aus Rheinland-Pfalz.“ (Ein Blick auf‘s Foto zeigt: Nein, es war einer aus NRW.) Dann fügt er – diesmal ernst gemeint – an: „Die Polizei ist nun einmal auch nur ein Spiegel der Gesellschaft.“

Auch fast ein Dreivierteljahr nach diesen Ereignissen wirken all diese Momente nach. Erst jetzt kann ich einen abschließenden Satz für diese Sammlung finden. Nein, lieber medienarbeitender Kollege. Die Polizei darf kein „Spiegel der Gesellschaft“ sein. Sie ist eine Säule unserer Demokratie. Demokratiefeindliche Elemente haben in der Polizei nichts verloren.

Die Polizei muss besser sein als die Gesellschaft.

 

© Barbara Schnell 2018/2019