Alle Dörfer bleiben: Sternmarsch in Garzweiler

Liebe Klimagerechtigkeits-Bewegte,

der vorläufige Rodungsstopp im Hambacher Forst ist ein großer Erfolg für die Klimagerechtigkeitsbewegung! Diesen wollen wir nutzen, um weiter dafür zu kämpfen, dass Braunkohle im Boden bleibt. Denn um einen sich-selbst-beschleunigenden Klimawandel aufzuhalten, müssen alle Tagebaue gestoppt werden. Auch der Tagebau Garzweiler im Rheinischen Revier – dort sind zur Zeit noch fünf Dörfer von der Abbaggerung bedroht.

Deswegen sagen wir: Kohle stoppen heißt alle Dörfer bleiben! Lasst uns zusammen zeigen, dass die Zeit für RWE abgelaufen ist.

Kommt zum Sternmarsch und stellt euch – gemeinsam mit den Menschen aus den Dörfern – dem Tagebau Garzweiler entgegen. Denn Bergbau und Klimawandel zerstören Lebensgrundlagen – hier und weltweit.

Was passiert an diesem Tag?

Wir starten um 15 Uhr jeweils von verschiedenen Orten aus – Kaulhausen, Wanlo, Holzweiler, Berverath, Kuckum/Unterwestrich und Erkelenz. Die Menschen, die in Erkelenz starten, werden mit dem Fahrrad fahren. Einen weiteren Fahrradschweif wird es ab 13.00 Uhr von Mönchengladbach aus geben. Alle anderen gehen zu Fuß.

Wir werden in fünf „Sternschweifen“ nach Keyenberg ziehen, dem Dorf, dass nach den Plänen von RWE als nächstes dem Tagebau Garzweiler weichen soll.

Mit einer gemeinsamen Abschlusskundgebung werden wir zeigen: Bis hier hin und nicht weiter!

 

Detaillierte Infos (auch zur An- und Abreise) findet Ihr hier.

Update: Greenpeace Köln wird einen Bus zum Sternmarsch organisieren. Infos hier.

Berührender Brief einer Mitorganisatorin des Sternmarsches an einen verunsicherten Bürger von Keyenberg

Lieber …,

gestern erreichte uns Ihre Mail, für die wir sehr dankbar sind, denn sie drückt Ihre Sorgen und Ihren Ärger aus und gibt uns von Alle Dörfer Bleiben die Möglichkeit, mit Ihnen in Kontakt zu treten. Ich selbst bin in Holzweiler aufgewachsen und in Keyenberg zur Schule gegangen. Berufsbedingt wohne ich mittlerweile in Königswinter. Seit einigen Monaten bin ich bei Alle Dörfer Bleiben aktiv. Alle Dörfer Bleiben ist eine Initiative von Menschen aus den von Umsiedlung betroffenen Dörfern, aus den potenziellen Grubenrand-Dörfern und von Klimaaktivisten. Die Motive der einzelnen Beteiligten sind sicherlich verschieden; während für die einen die Rettung ihres Zuhauses im Vordergrund steht,  engagieren andere sich in erster Linie für einen möglichst schnellen Kohleausstieg. Viele von uns sind seit langer Zeit gegen den Kohleabbau aktiv (einige seit den 80er Jahren) und waren auch bei der Menschenkette dabei. Ich selbst war damals sehr verwundert, dass der Widerstand aus den Dörfern verhältnismäßig gering war, während viele Menschen aus der Ferne die Aktion unterstützt hatten. Ich bin Jahrgang 1964 und stelle mir auch manchmal die Frage, warum der Widerstand über die Jahre hinweg so verhalten war. Dafür gibt es wahrscheinlich viele Erklärungen: zuerst war das Thema noch sehr weit weg, dann gab es in den 80er und beginnenden 90er Jahren zwar Aktionen, die aber nicht zum Erfolg geführt haben. Vielleicht haben sich die Menschen ohnmächtig gefühlt? Ich selbst hatte damals auch auf den Klageweg gehofft, aber auch der half nicht weiter. Zudem gibt es Menschen, die eine größere Neigung zu offenem Protest haben als andere. Wenn ich mir anschaue, wie häufig in Griechenland und Frankreich massiv gestreikt wird und wie zurückhaltend wir Deutschen dagegen sind. So kam Rheinbraun immer näher. Und während die einen sich einigermaßen gut damit arrangieren können, fällt anderen der Verlust der Heimat verdammt schwer. So, wie ich Ihre Zeilen lese, geht auch Ihnen das so. Und mir würde das auch so gehen. Dass der Protest erst jetzt so groß ist, bedauere auch ich sehr. Sie haben Recht, das hätte viel früher passieren sollen. Ein Grund, dass der Protest jetzt größer als damals ist, dürfte das geänderte Bewusstsein zum Klimawandel sein.

Wir von Alle Dörfer Bleiben finden es eine Zumutung (im Sinne von: es wird einem etwas zugemutet), dass Menschen Ihre Heimat für den Kohleabbau verlassen müssen. Noch viel schlimmer wird es, wenn die Notwendigkeit weggefallen ist und man quasi umsonst umsiedeln musste. Und nun ist das Dilemma für alle da, dass die Umsiedlung der Dörfer für die Energieversorgung nicht mehr notwendig ist, dass aber der Umsiedlungsprozess bereits begonnen hat. Das ist bestimmt für viele Betroffene sehr schwer. Nun muss mit diesem Problem umgegangen werden. Aber wie? Aus der Sicht von Alle Dörfer Bleiben sollen  all diejenigen, die sich bereits für eine Umsiedlung entschieden haben, auch noch umsiedeln können. Jedoch soll es keine Zwangsumsiedlungen mehr geben – und dafür treten wir ein.

Wir planen den Sternmarsch schon seit längerem und haben uns darum bemüht, die Menschen vor Ort auch im Vorfeld zu informieren. Dazu wurden Flyer in den Dörfern verteilt und es gab ein offenes Treffen Mitte Februar in Holzweiler, bei dem es die Möglichkeit gab, mit den Organisatoren ins Gespräch zu kommen. Wenn diese Informationen Sie nicht erreicht haben, bedauern wir das.

Zum Sternmarsch werden viele Leute aus der Nähe und aus ganz Deutschland erwartet: Menschen die sich Sorgen wegen des Klimawandels machen, Menschen die für den Hambacher Forst einstehen und auch Menschen aus den anderen Braunkohlerevieren, die dort von Tagebauen betroffen sind. Wir werden an diesem Tag gemeinsam demonstrieren und auch durch Keyenberg gehen. Dabei ist es uns wichtig, dass alle respektvoll miteinander umgehen. Das werden wir auch vorher an die Teilnehmer kommunizieren. Bei den Planungen haben wir bedacht, dass sich Menschen aus Keyenberg gestört fühlen könnten. Daher findet die Abschlusskundgebung an der T-Kreuzung (L277) statt und nicht im Dorf selbst.

Dass das Schulfest in Keyenberg auf den Freitag gelegt wurde war eine Entscheidung, von der wir erst im Nachhinein erfahren haben. Wir bedauern auch das und sehen von unserer Seite aus keinen Grund für die Verschiebung. Polizeipräsenz für eine Demonstration muss für Kinder auch nicht bedrohlich sein wenn man ihnen erklärt, dass es in einer Demokratie ein sehr wichtiges Recht ist, demonstrieren zu dürfen und es die Aufgabe der Polizei ist, dieses Recht zu gewährleisten. Vielleicht hätte es für die Kinder vor dem Hintergrund von fridaysforfuture sogar interessant sein können, wenn ausgerechnet an ihrem Schulfest eine so große Demonstration stattgefunden hätte.

Die Polizei wird am Samstag vor Ort sein, um die Straßen für die angemeldete Versammlung zu sperren. Es ist nicht zu vermeiden, dass Autofahrer an diesem Nachmittag Umwege fahren müssen. Das Ordnungsamt ist dafür zuständig, zu gewährleisten, dass es auch währenddessen Wege für Krankenwagen etc. geben wird. Wie stark die Polizeipräsenz sein wird liegt nicht in unserer Hand. Aus unserer Sicht wären Maßnahmen wie Hubschrauber etc. völlig übertrieben und wir würden auch lieber ohne Hubschrauberlärm demonstrieren. Aber auch das ist eine Entscheidung der Polizei.

Abschließend möchten wir Ihnen gerne anbieten, mit Menschen von Alle Dörfer bleiben ins Gespräch zu kommen. Gerade bei so schwierigen Themen für alle Seiten kommt es bei E-Mails häufig zu Missverständnissen, die in einem Gespräch vielleicht nicht passieren. Wir würden uns also freuen, Sie am Samstag zu sehen.

Für die guten Wünsche danken wir Ihnen. Auch wir wünschen Ihnen und uns einen guten Ablauf der Veranstaltung.

Herzliche Grüße

Rita Rickel

für Alle Dörfer bleiben

 

 

Pressemitteilung der Aktion „Die Kirche(n) im Dorf lassen“

GEMEINSAME PRESSEMITTEILUNG
„Die Kirche(n) im Dorf lassen“ – Unterschriftenaktion zum Schutz bedrohter Dörfer und deren Bewohner*innen adressiert an die Katholische Kirche

Erkelenz / Kerpen, 18.03.2019. Auch über ein Jahr nach der Zerstörung des Immerather Doms sind die erschütternden Bilder vom Abriss der Kirche unvergessen. Schaufelradbagger des Tagebaus Garzweiler fressen sich weiter mit großer Eile insbesondere auf noch bewohnte Ortschaften zu.
RWE schafft in den Dörfern, die der Energiekonzern für die Kohleförderung vernichten will, ungehindert weiter Fakten, obwohl die Kohlekommission der Bundesregierung ihre Empfehlungen vorgelegt hat und die Regierung im Laufe des Jahres 2019 die für den Ausstieg notwendigen Rahmenbedingungen beschließen wird. Der Erhalt sieben weiterer Ortschaften und ihrer fünf Kirchengebäude am Rande der Tagebaue Garzweiler und Hambach (Keyenberg, Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestrich sowie Morschenich und Manheim) ist mit dieser Empfehlung
gut möglich und zur Vermeidung sozialer und wirtschaftlicher Härten unabdingbar.

Der katholischen Kirche kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Weigert sie sich, ihre Gotteshäuser zu veräußern, zu entwidmen und damit zum Abriss frei zu geben und lässt sie sich gegebenenfalls auf ein Enteignungsverfahren ein, könnte sie die Zerstörung der betroffenen Kirchen und Dörfer aufgrund des beschlossenen Kohleausstieges höchstwahrscheinlich ganz verhindern.

Auf Initiative von Bewohner*innen der betroffenen Dörfer und mit Unterstützung des Katholikenrats der Region Düren, des Diözesanrats im Bistum Aachen, der Initiative „Kreativ gegen Kohle“ sowie engagierter Einzelpersonen wurde deshalb ein Appell an die Verantwortlichen der katholischen Kirche, stellvertretend an die Bischöfe Dr. Dieser und Dr. Wölki, verfasst. „Es ist höchste Zeit, dass die katholische Kirche sich schützend vor die betroffenen Anwohner*innen stellt“, meint Antje Grothus: „Immer größer wird die Zahl der Menschen, die entsetzt reagieren, wenn sie begreifen, in welchem Ausmaß der Braunkohle-Abbau mitten in NRW die Umwelt, die Kultur und das Herz der Heimat bedroht und zerstört – und welche Rolle die Bistümer Aachen und Köln und die betroffenen Pfarreien dabei spielen.“

Unterstützt wird die Unterschriftenaktion, die in der Bevölkerung auf großen Zuspruch stößt, mittlerweile auch vom Katholikenrat der Bistumsregion Mönchengladbach und dem Institut für Theologie und Politik (ITP) aus Münster. Der Appell ist keine Online-Petition mit großen Unterschriftenzahlen, doch hinter jeder der inzwischen fast dreitausend in Handarbeit gesammelten Unterschriften steht ein persönliches Gespräch, stehen persönliche Geschichten und Erinnerungen.

Leider sind bis jetzt weder der Bischof von Aachen noch der Erzbischof von Köln bereit, diese Unterschriften persönlich entgegenzunehmen und sich mit der Betroffenheit der Menschen aus den Dörfern in einem Gespräch auseinanderzusetzen.

„Schon als kleines Kind hatte ich das Gefühl, in meiner Keyenberger Kirche an einem besonderen Ort zu sein“, sagt Ingo Bajerke, engagierter Katholik und Lektor aus Keyenberg. „Wenn mich Sorgen plagen, setze ich mich in die Kirche und finde dort meine Ruhe. Das Gefühl, an einer Stelle zu sein,
die schon Menschen vor 1300 Jahren aufgesucht haben, um auch um Hilfe zu bitten, macht mich ehrfürchtig. Diesen Seelenort zu verlieren, ist für mich unvorstellbar und ich bete, dass es nicht dazu kommen mag.“

Die Menschen aus den Dörfern und Kirchengemeinden, die ihr Zuhause erhalten möchten, fordern die katholische Kirche auf, das jahrzehntelange Schweigen zugunsten des Braunkohlekonzerns RWE endlich zu beenden und sich auch um die Schicksale der tagebaubetroffenen Anwohner*innen zu kümmern. Alle sind eingeladen, diese Aktion zu unterstützen und sich am 23.03.2019 beim Sternmarsch „Alle Dörfer bleiben“ ein eigenes Bild über die Lage in den Dörfern zu machen. Selbstverständlich werden auch an diesem Tag weitere Unterschriften gesammelt.

Weitere Informationen sowie die Unterschriftenlisten mit dem Original-Appell an die Kirchen- Verantwortlichen finden Sie HIER.